Kapitel 80

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 80

»Es tut mir Leid«, murmelte Özlem uns sah runter. »Ich musste es euch sagen. Es war ja nicht so, dass die Lage nicht ernst war. Es war nur so, dass weder Aliye noch Merve etwas deswegen konnten. Ich wollte das den Mädchen so oft klar machen, aber sie waren halt sturer als ich und dass das bis heute noch so weiter geht, bricht mich.«

Ich und Ece lösten uns von der Umarmung und ich sah, dass Ece rot war.

»Danke, dass sie das gesagt haben. Ich fand es sehr stark von euch«, erwiderte Ece.
»Siez mich bitte nicht. Ich kenne dich von klein auf und das bricht mir das Herz«, meinte Özlem und grinste dann. »Ja ja, ich weiß, alles bricht mir das Herz, bla bla.«

Wir blieben noch eine Weile und gingen dann. Ece war die ganze Zeit still, egal, was ich oder Özlem taten. Als wir dann vor dem Apartment standen, sprach sie endlich. »Tunç?«
»Ja?«, fragte ich und sah sie besorgt an.
»Können wir die Sache erst einmal nicht besprechen? Ich muss das alles noch verdauen.«
Ich nickte und brachte sie nach Hause- nicht ganz nach Hause, sondern eine Straße vorher, damit mich ihre Mutter nicht sah.

[Sicht von Alev]

Als ich nach Hause kam, legte ich mich erst einmal hin und grinste herum. Ich konnte mein Glück nicht fassen.

Es klopfte an der Tür.
»Herein!«, rief ich lächelnd, als Sevda, meine kleine Schwester mit dem Haustelefon kam. Sie überreichte es mir und sah mich strahlend an. »Es ist Serkan abi dran!«, rief sie und ich nahm das Telefon.

»Serkan?«, fragte ich und machte dabei eine Handbewegung, dass Sevda einen Moment rausgehen sollte. Sie nickte wie immer fröhlich und ging. Mein Herz schlug wild.
»Alev, ich habe eine sehr gute Nachricht.«
»Ja?«, fragte ich.
»Nisan! Sie ist genesen! Total!«
»Was!?«, rief ich und war total überrascht. Wie konnte das so plötzlich geschehen?
»Nach ihrem Mordversuch! Als sie aufgewacht war, hat sie wohl einiges vergessen! Kannst du das glauben? Sie weiß nicht einmal, wer Timo ist! Nisan redet und- und keine Ahnung! Ich hab sie noch nicht mit eigenen Augen gesehen! Sie weiß nur nichts mehr von der Vergewaltigung. Sie weiß, dass sie in einer Klinik liegt, aber nur, weil sie irgendwelche Probleme hat oder so. Keine Ahnung, was sie denkt.«
»Ich fasse es nicht!«, murmelte ich voller Glück.
»Ich und Ece wollen sofort dorthin. Da wollten wir dich fragen, ob du mit möchtest.«
»Natürlich!«, rief ich sofort.
»Ich hole dich sofort ab«, sagte er Bescheid und legte auf.

Ich war so nervös wie noch nie. Mir fielen sogar Freudentränen die Wange entlang, die ich schnell wegwischte. Ich schmiss das Telefon auf mein Bett und stand auf. Oh man! Nisan! Ich wünschte nur das Beste für sie. Sie verdiente es.

Ich ging aus meinem Zimmer und sah dort Sevda kichern.
»Was ist?«, fragte ich sie und sie kicherte weiter.
»Magst du Serkan abi?«
»Wieso soll ich ihn nicht mögen?«, fragte ich und bekam ein schlechtes Gefühl. Ahnte sie etwas?
»Du nennst ihn ha gar nicht mehr abi, sondern nur noch Serkan. Das heißt...«, sie kicherte noch mehr.
»Was soll das heißen!?«, rief ich und Sevda rannte in ihr Zimmer. Wenn ich sie erwische!

Es klingelt da an der Tür und es erwartete mich ein grinsender Serkan.

»Hey«, flüsterte ich und hörte wieder Sevdas kichern. Sie beobachtete mich. Na toll.
»Hallo, Serkan abi. Können wir gehen?«, fragte ich und betonte das "abi" stark.
Serkans Grinsen verblasste sofort und ich schob ihn von der Wohnung. Dabei ging ich auch mit und schloss die Tür.

»Hab ich etwas falsch gemacht?«, fragte er mich. »Was hab ich denn schon wieder falsch gemacht? Was?«
Ich sah ihn extra böse an. Mal sehen, was er denkt.
»Tut mir Leid, Alev. Ich weiß, ich bin ein Trottel. Ich würde dich niemals ehrlich niemals mit Absicht brechen. Ich mag dich doch.«
Ich konnte nicht anders und fing an zu lachen. »Du bist echt ein hoffnungsloser Fall!«
Er sah mich überrascht an und grinste dann hinterhältig. »Ach so, ein hoffnungsloser Fall, hä?«

Serkan hielt mich am Arm und zog mich mit einem Ruck zu sich. Danach fing er an, mich zu kitzeln und ich konnte nicht anders als zu lachen.
»Hör auf, Serkan!«
»Wo bleibt denn die Höflichkeit? Da fehlt mir ein abi!«
»Hahaha, wenn- haha- du- haha-willst, dass- lass los- hahaha- nenn ich dich immer so! «
Er hörte auf und strich durch mein Haar. »Willst du mich verrückt machen?«
Danach trafen sich unsere Lippen, doch ich schubste ihn sofort weg.

»Sevda ahnt eh schon etwas!«, sagte ich tadelnd und er grinste, wie ein Honigkuchenpferd. Für ihn war die Welt kunterbunt. »Ach, deshalb also dieses "Serkan abi"«, sagte er.
»Was glaubst du denn?«
»Man kommt auf alles«, nuschelte er und zog mich runter. Ece wartete schon im Auto. Sie war glücklich, das sah man ihr an, aber an ihrer Stimmung war auch etwas bedrücktes, was ich nur nicht erklären konnte. Ich würde sie einfach fragen, wenn wir allein waren.

Serkans Blick huschte auch zuerst zu Ece. Er war ihr Bruder. Er merket es sicherlich auch.

Wir stiegen ein und fuhren sofort los. Die Spannung in mir stieg hoch und ich konnte es kaum abwarten.

[Sicht von Cihan]

Ich lag zu Hause auf meinem Bett. Eigentlich wollte ich ja lernen aber dazu kam ich aus irgendeinem Grund nicht. Ich musste an den heutigen Vorfall denken- an Olcay. Warum? Warum muss ich an diese Göre denken? Diese eingebildete...

Cihan, lass es. Verschwende keine Gedanken an sie. Ich schloss die Augen, doch was sollte ich wieder sehen? Dieses stechende blau in ihren Augen, diese tiefe, dieses ansteckende etwas, dass mich immer aus der Realität warf.

Mit einem Ruck stand ich auf. So könnte das nicht weiter gehen. Das war doch erbärmlich. Ich ging aus meinem Zimmer und sah das strahlen meiner Mutter. »Cihan, wir kriegen gleich Besuch.«
»Besuch?«, fragte ich und konnte es nicht fassen, wie früh sie mir Bescheid gab.
»Ja, es kommen Dilek und ihre Mutter.«
»Ich gehe«, sprudelte es sofort aus mit und ich schnappte mir meine Jacke.

»Mein Sohn, was soll das?«, fragte meine Mutter vorwurfsvoll. Sie wusste ja gar nichts von Dileks wahrem Gesicht. »Das arme Mädchen macht sich wohl total fertig, weil du so schlecht zu ihr bist!«

»Wenn ich schlecht zu jemandem bin, dann hat es dieser jemand wohl verdient«, zischte ich, zog schnell meine Schuhe und ging aus dem Haus.
»Cihan!«, rief mir meine Mutter nach. Es war mir egal. Ich liebte meine Mutter, aber auf diese Dilek hatte ich leine Lust. Allein der Gedanke war abwegig.

Als ich mir mein Motorrad schnappt, wusste ich noch nicht wohin. Einfach dorthin, wo der Wind einen zieht, dachte ich und fuhr los. Ich bog einfach irgendwie ab und musste die ganze Zeit immer noch an diese Olcay denken. Warum? Vielleicht weil sie so komisch war? Ich meine, welches Mädchen verprügelt irgendwelche Jungs ohne jeglichen Schaden? Sie war definitiv komisch, aber mir war nicht klar, ob das Negativ oder Positiv war.

Als ich anhielt, wusste ich schon, wo ich war. In der Nähe war diese Therapie von Olcay. Warum verdammt war ich hier? Schnell blickte ich zur Uhr. Die Stunde müsste bald zu Ende sein. Sollte ich einfach reinplatzen? Warum nicht? Warum schon? Es sollte mich nicht interessieren. Dennoch stellte ich mein Motorrad ab und ging ein Stück.

Ich sah sie jetzt, das Gebäude. Was für ein Zufall, dass sie gerade rauskam. Schnell versteckte ich mich auf der anderen Straßenseite hinter einem Auto- und beobachtete sie.

Sie sah wie immer aus. Ohne ein Lächeln und mit einem sturen Blick geradeaus. Plötzlich setzte sie sich auf den Boden. Sie setzte ihren Kopf schräg und ihre Locken fielen zur Seite. So sah man ihr Gesicht viel besser. Dann geschah etwas, was ich nie erwartet hätte. Träumte ich? Sah ich falsch? Halluzinierte ich? Oder weinte sie?

Die Tränen flossen ihr lautlos die Wange entlang und jede dieser Tränen rammte mir ein Messer in das Herz. Es tat so weh. So weh.

VerträumtWhere stories live. Discover now