Kapitel 69

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 69

»Beweisen?«, brachte er wie erstarrt heraus. Weder nickte ich, noch erwiderte ich etwas darauf. Alles, was gesagt werden musste, hatte ich gesagt. Er hatte mich genau verstanden.

Ich drehte mich um und ging zur Pausenhalle.

»Alev, seni seviyorum! (Alev, ich liebe dich!)«, rief er mir nach und eine Träne fiel mir über die Wange. Ich wäre sofort zurückgeranbt, wäre nicht plötzlich Olcay neben mir aufgetaucht und meine Hand gedrückt. »Es ist das beste«, murmelte sie leise. »Aber ich glaube nicht, dass du irgendeine Schlampe für ihn bist.«
Ich nickte. Das wusste ich ganz genau. »Aber ich will, dass er merkt, wie sehr er mir weh getan hat.«
»Ich weiß«, flüsterte Olcay und lächelte leicht.

»Olcay?«, fragte ich und bekam somit ihre ganze Aufmerksamkeit. »Gibt es keinen Jungen, der deine Aufmerksamkeit bekommt?«
Olcay zischte etwas leise. Ja, ich wusste, bei diesem Thema war sie irgendwie immer wütend. Kaum zu glauben, ja. Sie kann ja eigentlich einfach "nein", sagen aber sie wurde sofort sauer. »Nein, Alev.«

[Sicht von Cihan]

Nach der Schule musste ich nachsitzen. Ich hatte mich Mal wieder nicht beherrschen können und hatte mich mit jemandem angelegt...

Als ich den Raum zum Nachsitzen betrat, staunte ich. Da saß Olcay am Ende des Raumes allein auf einem Platz und las irgendein Magazin oder so. Ich grinste und setzte mich zu ihr. Sie sah nicht einmal auf. Ihr Blick war starr auf eine Seite gerichtet.

Um Aufmerksamkeit zu kriegen, räusperte ich mich, doch das interessierte sie wohl genauso wenig, denn sie sah immer noch mit ihren großen blauen Augen auf die Seite. Unbemerkt las ich mit, naja unbemerkt musste es ja nicht unbedingt sein. Es interessiert sie ja nicht einmal, wenn ein Mörder neben ihr stand.

»Was?«, fragte sie dann plötzlich in einem arroganten Ton und sah mich mir einem zornigen Blick an.
»Wie es scheint, gefällt es dir nicht, was darin steht.«
»Na und?«, fragte sie, zuckte wie ein Kleinkind mit den Schultern und starrte wieder auf die Seite. Ich sah mit. Darauf war irgendein Klatsch über ein Popstar und darunter ein Bericht über diesen reichen mit der guten Firma Bener. Wer wusste schon, was diese Reiche alles taten?

»Ich wusste nicht, dass du auf Popstars stehst. Oder auf Klatsch«, murmelte ich und lehnte mich an meinen Stuhl.
»Hm...«, machte Olcay nur.
»Wen interessiert es, ob diese Frau eine Affaire hatte oder so?«, fragte ich weiter. Heute war sie nicht so gesprächig, wie letztes Mal.

Die Aufsicht kam und fing an, etwas an die Tafel zu schreiben. Na toll. Jetzt sollten wir auch noch irgendeinen Scheiß abschrieben. Die ganze Stunde schrieben wir ab und meine Hand tat verdammt noch einmal weh. Olcay hingegen schien das alle locker zu sehen, sie lockerte nicht einmal ihre Hand oder machte kurz eine Pause oder so.

Sie schrieb einfach bis zum Ende ab, nahm wieder das Magazin vor sich und schlug dieselbe Seite auf wie gerade. Sie fletschte ihre Zähne und zischte etwas vor sich hin. Ich bemerkte, dass sie das ziemlich oft war, wenn sie sauer war.

»Da steht, dass die Frau drei Affären hatte und keiner der Männer je etwas mitbekommen hatten, bis vor einer Woche«, erklärte ich. Das stand da. Das konnte ja nicht so interessant sein.
»Mir doch egal«, nuschelte sie.
»Dann liest du also den Bericht über "Bener"? Kurz und knapp, Bener verheimlich eine Menge. Er hat wahrscheinlich schlimme Geheimnisse. Das denken zumindest Außenstehende. Das steht da auch.«
»Ich kann lesen.«
»Soll ich die noch etwas über Bener erzählen? Der Mann ist bekifft. Einer seiner besten Mitarbeiter ist so'n Typ, dessen Sohn ein kleines unschuldiges Mädchen vergewaltigt und deswegen keine Strafe bekommen hat.«
Das kleine Mädchen war Nisan und der Typ Timos Vater.

»Wie kann dieser Bener denn sein, wenn seine Arbeiter so sind?«
Plötzlich stand Olcay auf und starrte mich hasserfüllt an. Wieso war das Mädchen so komisch?

»Cihan! Du brauchst keine Personen, die du nicht kennst, zu beurteilen! Und wenn du das schon machst, dann behalt es gefälligst für dich oder erzähl es wenn schon charakterlosen Menschen! Von mir solltest du fern bleiben mit so etwas!«

Alle sahen uns an und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Was hatte ich jetzt denn falsch gemacht? Lag es an mir oder an ihr?

»Weißt du was? Sprich mich nie wieder an! Lass mich in Ruhe!«
Sie schnappte ihre Tasche und das Magazin und ging den Raum hinunter zur Tür.

»Olcay! Du bleibst noch hier!«, rief der Aufseher, doch sie machte nicht die Anstalt noch hier zu bleiben. Mit einem Ruck öffnete sie dir Tür und marschierte hinaus und ich ihr nach.

[Sicht von Olcay]

Wütend stampfte ich aus dem Raum. Mein Herz tat weh.

»Olcay!«, rief Cihan mir hinterher. Sollte er doch schreien, so viel er wollte. Es war mir egal. Er sollte mich nur in Ruhe lassen. Wie konnte man so bescheuert sein? Vielleicht verheimlicht Bener ja etwas, aber wer sagt, dass es etwas schlechtes sein muss? Wer sagt, dass es nicht privat sein muss? Nein! Aber man muss doch immer vom schlechten ausgehen!

Ich könnte ausrasten. Ich könnte ausflippen. Schreien. Durchdrehen.

»Olcay!«, rief er wieder. Ich rannte schneller die Treppen hinunter und drückte dieses beschissene Magazin zusammen. Mein Weg führte mich in die Mädchentoilette. Es war der beste Ort, ich meine, da konnte mich dieser Spinner nicht belästigen.

Ich sperrte mich in eine Kabine und ließ mich hinunter auf den Boden plumpsen. Er war kalt und hart. Die Tränen flossen unaufhaltsam. Ich warf das Magazin auf den Boden und wieder sprang die Seite mit Bener auf. Das war auch klar, so oft ich diese Seite geöffnet hatte.

Metin Bener. Mein Vater.

Ich schluckte und versuchte die Tränen aufzuhalten, aber das klappte nicht. Wie sehr hatte ich ihn vermisst? Wie lange hatte ich ihn nicht gesehen? Ich biss mir auf die Lippe und schloss die Augen.

»Baba, neredesin? (wo bist du, Papa?)«, fragte ich so leise, dass ich es kaum selber hörte. Meine Stimme zitterte. Ich hasste es. Seit diesem Erlebnis hatte ich aufgehört, Olcay Bener zu sein, danach war ich Olcay Çelik. Nur, damit ich in Sicherheit war. Die Frage war nur, ob ich das wollte. Wollte ich in Sicherheit sein, aber meinen Vater dafür so selten sehen, dass es mir wie eine Ewigkeit vorkam?

Ich biss fest die Zähne zusammen. Die Sehnsucht ergriff mich. Ich atmete tief ein und dann wieder aus, um mich zu beruhigen. Nur schade, dass hier die Luft stickig war. Bah.

Dabei tadelte ich mich selbst. Wie konnte ich von irgendwem erwarten, dass er ohne irgendwelche Vorurteile dachte? Die Worte von Cihan hallten in meinem Kopf. Es tat weh. Dachten die Außenstehenden wirklich, mein Vater sei böse, verlogen, hinterhältig? Wenn ja, kannten sie ihn nicht. Wenn ja, wussten sie nicht, dass er nur mich und meine Mutter beschützen wollte.

Ich nahm das Magazin und warf es in die Mülltonne. Lange weinte ich mich noch aus und ging dann aus der Kabine. Danach wusch ich meine Hände und klatschte mir das kalte Wasser ins Gesicht. Ich wusste, das ich geweint hatte. Jemand anderes musste es nicht wissen.

Nachdem ich mir mein Gesicht trocknete ging ich aus der Toilette.

Cihan saß da auf einer Bank in der Nähe mir seinen Händen in der Hosentasche sah er mich an. »Endlich«, flüsterte er und stand auf. Zorn durchfuhr mich.

VerträumtTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon