Kapitel 72

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 72

Stille. Für einen Moment lang konnte ich gar nichts richtig realisieren. Es kam mir wie ein Alptraum vor. Unfassbar. Wie konnte er bloß so schnell wieder herkommen?

Ich war wie versteinert und starrte ihn an.
»Ich bin Bekir, aber ihr kennt mich ja bereits«, meinte er und sah dann zu mir. »Ich bin glücklich hier zu sein. Hier hab ich unvollendete Sachen hinterlassen.«
Mein Herz machte aus Angst einen Satz. Ich schluckte und sah dann sofort auf mein Blatt. Kurz darauf spürte ich, wie Ece meine Hand unter dem Tisch drückte. Ich sah zu ihr und sie lächelte mich aufmunternd an. Es war ein "das überstehen wir schon"-Blick.

Ich lächelte schwach zurück und sah wieder nach vorne. Eylem und Bekir setzen sich gemeinsam an einen Tisch und begannen ihre Sachen herauszuholen.

Ece schob mir einen Zettel rüber, worauf "In der Pause rennen wir sofort in die Mädchentoilette. Wir müssen nachdenken."

Ich sah sie an und nickte still. Danach nahm sch Ece den Zettel wieder, knüllte ihn klein und warf ihn dann nach vorne auf den Tisch. Er landete direkt bei Olcay, die einen kurzen fragenden Blick nach hinten warf und sich dann den Zettel ansah.

Ich hätte umkippen können, so fühlte ich mich gerade. Olcay nickte kurz und sah dann wieder nach vorne. Die ganze Stunde über klopfte mein Herz unnormal schnell und ich spürte den Blick von Bekir. Ich hatte Angst, zu ihm zu sehen, weil ich nicht sicher war, was er vorhatte.

Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, als es endlich schellte. Ich hatte fünf Minuten vorher schon meine Sachen gepackt und rannte deshalb sofort runter in die Mädchentoilette. Ece kam mir auch sofort nach und keine Minute später stand da auch schon Olcay.

[Sicht von Olcay]

»Was ist los?«, fragte ich verwirrt, während mein Blick von Ece zu Alev glitt.
»Bekir«, murmelte Ece. »Hat früher schon Alev bedroht, dass wenn sie nicht mit ihm zusammenkommt, dass er ihrer Familie etwas antut.«
»Was?«, fragte ich und musste fast lachen. »Und ihr habt ihm geglaubt?«
»Das ist nicht lustig, Olcay!«, rief Alev und plötzlich sah ich die Panik ih ihren Augen, die mir wehtat.
»Sie kann gar nicht wissen, wie ernst es ist«, verteidigte mich Ece kurz und sah mich dann streng an. »Er hat viele Kumpel- fast alle in de Schule sind vorher hinter ihm gestanden. Er war verrückt und besessen.«

Ich runzelte die Stirn. »Und was macht ihr jetzt?«
»Wir haben behauptet, Alev hätte Aids.«
»Das hat der Typ geglaubt!?«, fragte ich. So hohl konnte man in einem Gymnasium nicht sein, oder?
Ece zuckte mit den Schulten. »An dem Tag noch ist er zur Türkei gefahren und ja.«
»Ach so«, brachte ich kurz hervor und dachte nach: »Wartet Mal kurz hier, ich komme sofort.«
Ich ging schnell aus der Mädchentoilette.

Wenn der Typ Alev bedrohen konnte, könnte ich ihn auch bedrohen oder zumindest zusammenschlagen.

Ich sah ihn dann endlich. Hinter ihm standen einige Typen, ich hörte auf zu zählen bei fünf. Sie hielten ihre Fäuste hoch um zu zeigen, dass sie kampfbereit waren. Vor Bekir und seiner Truppe standen Serkan, Tunç, oha Cihan und eben noch ein Typ. Sie standen auch angriffsbereit und sahen sich beide hasserfüllt an. Der Rest stand weiter weg, beobachtete aber das ganze. Furchtbar.

Ich machte einen Schritt zu Bekir und er sah mich schon komisch an. »Das ist nichts für kleine Mädchen«, meinte er und das machte mich noch wütender als ich es war. Niemand durfte meine Cousine bedrohen! Er wendete sich dann von mir ab, als ob er sich sicher war, dass ich mich wegbewegen würde, doch ich blieb stehen.

»Du solltest mir aus dem Weg gehen, du kriegst Alev nicht. Sie gehört mir«, zischte Bekir und ich ballte meine Hände gleichzeitig wie Serkan zu Fäusten.
»Und was hält Alev davon?«, fragte ich. Bekir sah mich verwundert an. Der dachte ehrlich, ich hätte mich verpisst. »Sie gehört mir!«
»Daran glaube ich nicht.«

Mein Blick ging plötzlich und das nur für ein Bruchteil einer Sekunde auf Cihan, der mich mit einem Blick ansah, der sagte "bitte-geh". Es hatte etwas verzweifeltes daran. Pf, sollte mich nicht interessieren.

»Geh, kleines Mädchen. Frauen sind nicht zum kämpfen geeignet.«, wiederholte Bekir und ich fing an zu lachen. Nicht zum kämpfen, aber zum bedrohen und zwingen?

Dann machte ich noch einen Schritt auf ihn zu und lächelte ihn an. »Aha«, sagte ich laut und deutlich, als ich vor ihm stand. Es passierte so viel auf einmal. Ich traf mit meinem Bein Bekirs Hals und er taumelte nah hinten. Danach tritt ich ihm in seinen Bauch. Seine Kumpels sahen mich alle geschockt an. Naja, alle sahen mich geschockt an. »Du packst sie nicht an«, zischte ich, da kam einer der Typen zu mir und ich schlug ihn zu Boden. Serkan und seine Freunde fingen auch an, gegen die Anderen zu kämpfen. Ich schlug noch tausende Male auf Bekir ein.

»Halt!«, rief eine bekannte Stimme da in einer lauten Stimme. »Hört auf zu kämpfen!«
Alle stoppten abrupt und wir standen alle Gülay- Frau Özkan entgegen, die mich entsetzt ansah. »Du«, nuschelte sie und ihre Auen füllten sich. Sie wurde sofort wütend. »ALLE INS LEHRERZIMMER!«

Ohne etwa zu sagen, ging ich mit allen Typen ins Lehrerzimmer. Sie trennten uns in zwei Gruppen auf. Eben Serkans Gruppe, damit auch ich und dann noch Bekirs Gruppe.

[Sicht von Alev]

Es schellte und wir gingen wieder hoch. Olcay war immer noch nicht gekommen. Als wir oben an unserem Gang waren, kam Eylem auf uns zu und sah uns mit wirklich riesigen Augen an. »Bekir hat sich mit Serkan und so geprügelt und dabei war so ein Mädchen, die hat Bekir geschlagen und und-«
»-Eylem, beruhig dich«, bat Ece. »Es ist halt so, dass du immer wenn du aufgeregt bist, keinen richtigen Satz bilden kannst!«

Eylem atmete tief ein und aus. »Bekir hat Alevs Ärzte angerufen von der Türkei aus. Ich weiß nicht, wie er an die Informationen kam, aber er hat herausgefunden, dass du kein Aids hast, Alev. Daraufhin wollte er unbedingt hierher. Ich wusste zuerst nichts davon, sonst hätte ich euch ja angerufen und Bescheid gesagt! Also, als ich das herausgefunden has, hab ich euch angerufen, aber keine von euch hat abgenommen, also hab ich euch Nachrichten geschrieben! Aber Bekir hat eure Nummern geändert in irgendwelche Karten, die er sich selbst zugelegt hat, damit ich nichts versauen kann.«
»Wow, das war viel zu viel auf einmal«, meinte Ece. Eylem hörte aber nicht auf sie und redete einfach weiter. »Gerade in der Pausenhalle haben sich Bekir und seine Kumpel gegen Yakup, Cihan, Serkan und Tunç gesetzt und dann kam ein Mädchen und hat auf Bekir eingeschlagen. Alle haben gekämpft und so und dann kam die Lehrerin von letzter Stunde.«
»Was!?«, rief ich sofort. »Wie sah das Mädchen aus!?«
»Hm, dunkles Haar, total dichte Locken, blaue Augen.«
»Scheiße! Hundert pro ist es Olcay!«, meinte ich verzweifelt und fühlte mich schlecht. Wegen mir hatte sie gekämpft. Der Lehrer kam und wir mussten in den Raum.

[Sicht von Olcay]

Als wir fünf in einem Raum saßen, fühlte ich mich komisch. Ich war weder frustriert, noch war ich glücklich. Es war so ein komischer Erleichterung und purer Hass.

»Wieso?«, fragte Gülay- äh ich meine Frau Özkan und sah uns alle streng an. Am meisten sah sie mich böse an. Wie ungerecht. »Wieso habt ihr euch geprügelt!? Könnt ihr eure Streitigkeiten nicht anders klären!?«
»Nö«, kam es plötzlich aus mir heraus und alle fünf sahen mich komisch an.
Ich zuckte einfach mit den Schultern.

»Olcay-«, begann Frau Özkan, doch ich unterbrach sie einfach. »-es ist keine Schuld, Frau Özkan. Ich hab mit dem Streit angefangen und habe Bekr geschlagen. Seine Freunde wollten daraufhin mich schlagen und die Anderen hier haben mich nur von der Menge von schlagenden Jungs retten wollen. Das heißt, sie tragen keine Schuld. Ich bin allein Schuld.«
Die vier Jungs sahen mich schockiert an, während ich meine Worte wiederholte. »Ich bin die Einzige, die eine Strafe verdient.«

VerträumtWhere stories live. Discover now