Kapitel 79

2.2K 157 1
                                    

Verträumt
Ge. 02- Kapitel 79

»Komm einfach vor die Schule«, sagte ich sofort und sah, wie sich diese Özlem von der Schule entfernte. Sollte ich ihr nach oder später Olcay fragen, wo sie wohnte?
»Ich bin sofort da, Tunç!«, rief Ece und legte auf. Ich entschied mich fürs Warten. Ece war doch eine gute Freundin von Olcay oder nicht? Das hieß doch, dass sie bestimmt ihre Adresse kriegen wurde. Außerdem musste ich hier ja auf Ece warten.

Als sie kam, sah sie schon aus der Puste aus.
»Du solltest öfter Sport treiben. Dann wärest du nicht so aus der Puste.«
»Halts Maul«, keuchte sie und grinste mich an. »Wie hast du es herausgekriegt?«
»Ich bin eben King.«
»Klar«, sagte sie ironisch und ihre grünen Augen starrten hoch zu mir.
»Jetzt sag doch!«

»Es war eher komisch. Sie war eben noch in der Schule«, erklärte ich.
»In der Schule?«, fragte Ece und hob eine Braue.
»Ob du es glaubst oder nicht?«, grinste ich und sie schien neugieriger geworden zu sein.
»Jetzt sag!«
»Wieso? Du bist doch so schlau, da kommst du auch selber drauf«, lachte ich.
»Tunç!«, drohte Ece mir.
»Ja?«, fragte ich und tat so, als würde ich se nicht verstehen.
»Sag! Wer ist diese Özlem und wo finden wir sie?«
»Sag erst, dass ich King bin«, meinte ich lachend.
»Nö«, entgegnete sie, drehte sich um und wollte gehen, ich fasste sie an der Schulter und wirbelte sie wieder zu mir. Sofort starrte ich ihr in die Augen und sie sah mich geschockt an. Das Grün in ihren Augen leuchtete und das löste etwas Eigenartiges in mir aus. Es fühlte sich so an, als ob die Zeit stehengeblieben wäre. Ich könnte mein Leben lang in ihre Augen starren.

Sie runzelte die Stirn. »Äh, Tunç?«, fragte sie und löste sich schnell aus meinem Griff. Dann ging sie einen Schritt zurück, sah runter und strich mit der Hand durch ihr Haar.

»Sorry, sorry«, murmelte ich. Was sollte ich sonst dazu sagen? »Äh, diese Özlem-«, fing ich an, um schnell von dem anderen Thema abzulenken.
»-sie ist die Mutter von Olcay.«
»Was!?«, rief sie und ihre Augenbrauen schossen plötzlich in die Höhe.

»Und ich weiß leider nicht, wo sie wohnt. Das müsstest du deine reizende Olcay fragen.«
»Olcay!?«, rief sie wieder. Man sah ihr an, dass sie das nicht glauben wollte, doch genau da funkelte etwas in ihren Augen. Es war, als ob ihr alles klar wurde. »Natürlich!«, rief sie und sie grinste so süß, wie ein Grinsen nur sein konnte. »Olcay war Mal bei uns und meine Mutter hatte sie von früher gekannt! Unsere Eltern sind befreundet! Man bin ich doof! Wie bin ich nur nicht drauf gekommen!?«
»Ja, wie bist du nur nicht darauf gekommen«, stimmte ich ihr zu uns sie boxte mit auf die Schulter.

»Dann schreib doch jetzt Olcay!«
Das musste ich ihr nicht zwei Mail sagen. Sie tippte schnell in ihrem Handy und lächelte dabei breit. Nach kurzer Zeit hörte man, dass sie eine Nachricht bekommen hatte.

»Ich hab die Adresse!«, rief sie voller Glück und strahlte mich an.
»Na dann, nichts wie los!«, rief ich und wir gingen auf die Straße, die Ece mir erklärte.

Ich bekam ein komisches Gefühl, als wir vor dem Apartment standen und bei ihr anklingelten. Meine Mutter hatte mir Mal gesagt oder besser gesagt war es ihr rausgerutscht, dass diese Özlem mich Mal gerettet hatte. Nur erinnerte ich mich daran gar nicht.

Wir stiegen die Treppen hoch und sahen dann eine hübsche Frau, die uns verwirrt ansah, blinzelte und dann ein strahlendes Lächeln ins Gesicht bekam. »Kommt doch rein!«, bat sie und wir gingen rein. Sie kannte und. Wir waren also nicht am falschen Ort.

»Hier, ihr könnt ins Wohnzimmer«, sagte sie dann und wir schlenderten dorthin. Es war eine gemütliche Wohnung. Ece schien nervös zu sein, denn sie fing an, mit dem Saum ihres Oberteiles zu spielen, als wir saßen.

»Kann ich euch etwas anbieten?«, fragte Özlem und verhielt sich so, als kenne sie uns sehr lange. Ich schüttelte den Kopf.

»Darf ich fragen, was der Grund für diesen netten Besuch ist?«, lachte sie. Sie war eine sehr sehr strahlende Person. Man sah ihr an, dass sie sehr aktiv war.

»Äh«, nuschelte ich und starrte zu Ce, die runter zu Boden sah. Tjah, wie sollte man dieses Thema am besten befragen?

»Ist es wegen Olcay? Oder Schule? Über mich? Über eure Eltern?«, fragte sie.
»Über unsere Eltern«, erwiderte ich und nahm meinem Mut zusammen. Wieso sollte ich mich schämen? Es war die beste Freundin meiner Mutter. Sie wusste wahrscheinlich mehr peinliche und schlimme Situationen von ihr als ich. »Speziell über unsere Mütter.«

»Oh«, machte Özlem, als erkannte sie schon Gefahr dabei. »Wenn du unsere Eltern sagst und dabei Aliye und Merve meinst und man deren äh Beziehung betrachtet, kommt nichts gutes bei raus.«
»Genau deswegen sind wir hier!«, rief ich und war irgendwie erleichtert darüber, dass sie gleich wusste, was ich meinte. »Meine Mutter will, dass ich weder etwas mit Ece noch mit Serkan zu tun hab.«
»Ach so«, nuschelte sie. »Sie ist immer noch sauer?«

Bevor ich etwas sagen konnte, verdrehte sie schon ihre braunen Augen. »Dumme Frage. Sie sind beide dickköpfig und stur und kindisch.«

Ece sah wieder seit langem hoch und blickte Özlem Çelik direkt in die Augen. »Die Frage ist nur warum.«
»Warum?«, wiederholte Özlem. »Ach, darum geht es euch also!«
Wir nickten stumm.

»Kompliziert. Sehr kompliziert. Ich meine sie sind seit der Grundschule verhasst und der Grund ist nichts unernstes, aber auch nichts, wobei Aliye oder Merve schuld haben.«
Sie machte eine kleine Pause und sah aus dem Fenster. Man sah ihre bedrückte Stimmung und fühlte gleich mit. Ihre Augen zogen sich in eine andere Zeit. »Wir waren die besten Freunde in der Grundschule. Wir waren unzertrennlich. Auch unsere Eltern waren sehr gut befreundet. Merves Mutter war wunderschön und nett. Sie war eine zum verlieben schöne Frau, an der Aliyes Vater Gefallen gefunden hatte.«
Ich sah sofort zu Ece, deren Mund aufklappte. Ihre Augen wurden glasig. Sie krallte sich mit ihren Händen an ihren Oberschenkeln, um nicht los zu weinen.

»Das hat nur niemand gemerkt«, fuhr Özlem fort. »Merves Mutter ging also eines Tages zu Aliyes Eltern. Aliye und ihre Mutter waren weg. Als Merves Mutter das mitbekam, stand sie auf und wollte gehen. Aliyes Vater gab ihr noch etwas zu trinken... mit Drogen drinnen. Er wusste, sie war eine Frau mit stolz und er wusste, dass sie ihren Mann liebte. Den Rest könnt ihr euch vorstellen. Ich möchte gar nicht ins Detail. Als Merves Mutter aufwachte, war sie schockiert und wollte zur Polizei. Aliyes Vater bedrohte sie und so war die einzige Wahl für sie, ihn zu erstechen.«

Ece war wie erstarrt. Ich konnte die ganze Sache selbst nicht fassen!? Wie war so etwas möglich? Nie hätte ich so eine Drama-Geschichte aus meiner Familie erwartet. Es war früher doch allem normal. Ich biss die Zähne fest zusammen und schloss die Augen. Dabei wünschte ich mir, dass alles ein Traum sein möge.

»Aliye war verletzt. Ihr Vater war tot und sie als kleines Kind verstand das alle nicht. Merve war verletzt. Ihrer Mutter wurde weh getan. Sie hassten sich und auch später wollte keiner von den beiden einsehen, dass die Geschichte ihrer Eltern nichts mit einander zu tun hat.«

Als ich die Augen öffnete, blickte ich sofort zu Ece, die schon zitterte. Ich nahm sie automatisch in den Arm und presste sie fest an mich. Langsam strich ich über ihr Haar und nahm ihren Geruch auf. In mir bebte alles. Es war ein Gefühl von Befreiung. Ich küsste ihr auf ihren Scheitel. »Ist schon okay, Ece«, murmelte ich und spürte, wie sich ihr Körper wieder entspannte.

In dem Moment wurde mir klar, dass ich sie nicht loslassen wollte. Ich wollte sie für immer bei mir haben.

VerträumtWhere stories live. Discover now