Kapitel 100

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 100/ Ende

Selim. Der erste Schuss hatte seinen Bauch getroffen und der zweite seine Brust. Er fiel auf seine Knie und dann ganz zu Boden. Mein Blick strich zur Seite, wo Gülay mit einer Pistole stand. Sie war wie versteinert. Ihr Blick war, als sei sie tot und die Pistole war immer noch auf Selim gerichtet.

Plötzlich fiel Gülay auch um. Aus irgendeinem Grund begann ich zu kreischen und da wurde mir schwarz vor Augen.

[Sicht von Alev]

Wir standen alle wie Leichen vor den Krankenzimmern. Savas war, er war am Kämpfen um sein Leben. Kurz nachdem wir in das Krankenhaus gekommen waren, wurden auch Selim, Gülay und Özlem teyze (Tante).

Die Warterei hatte kein Ende. Es war wie eine lange Qual, ein dunkler Raum ohne vorraussicht auf Licht und Leben. Gerade noch am Lachen und jetzt? Ich hatte Angst, jeden Moment die Todesnachricht zu bekommen. Verkrampft saß ich auf dem Stuhl und sah nur nach unten. Das Ticken der Zeiger waren so laut, dass ich dachte, sie würden mein Trommelfell zum Platzen bringen. Dennoch drückte ich meine Hände nicht gegen meine Ohren. Langsam atmend saß ich da, wie eine Statue.

Meine Tante und Gülay standen in einigen Stunden auf, doch ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie lieber länger geschlafen hätten. Es war sicherlich besser, als wenn man hier wartet und dieses Warten einfach kein Ende finden will.

Sie saßen beide vor mir. Özlem hatte ihren Kopf auf die Schulter von Gülay gelegt und Gülay ihren Kopf auf den von Özlem. Ich schloss die Augen. Mir wurde klar, wie schnell der Tod war.

Da kamen schon die Ärzte heraus und gaben uns eine Nachricht. Selim war tot. Er war gestorben. Eine Leichtigkeit durchströmte mich, bis ich das weinende Gesicht von Gülay sah. Es war ihr Cousin gewesen. Ihr Cousin. Ich schluckte. Sie erinnerte sich wahrscheinlich auch an seine guten Seiten. Vielleicht war er als Kind nicht so. Es musste weh tun. Schrecklich weh tun. Diese Trauer in ihren Augen, ließen meine Augen feucht werden. Serkan hielt meine Hand.

»Es wird alles gut«, flüsterte er mir ins Ohr. Es war in demselben aufmunternden Ton, wie ich es zu ihm gesagt hatte, als Ece weg war und ich spürte Sicherheit.

Savas lag im Koma. Es dauerten zwei Wochen, als er aufwachte. Überhaupt dass er erlebt hatte, war eine riesige Überraschung für alle. In der Zwischenzeit musste Gülay vors Gericht. Sie musste über Selim aussagen und da sie den besten Anwalt der Welt, meine Tante Özlem hatte und außerdem Selim eh ein Verbrecher war, wurde ihr Urteil leicht und sehr schnell gefällt. Sie hatte keine Schuld und deshalb auch keine Strafe.

[...]

»Steh endlich auf!«, rief ich wütend und nahm seine Decke weg. »Willst du, dass ich dir Wasser ins Gesicht schütte?«, fragte ich und er stand langsam auf und gähnte.
»Du bist voll fett«, meinte er und ich hob eine Braue.
»Sag das noch einmal und es gibt kein Essen mehr für dich, Serkan!«, drohte ich ihm. Er lachte schwach und kam auf mich zu. »Immer weckst du mich in der Nacht und willst irgendetwas und dann nörgelst du, weil ich nicht aufstehen kann.«
»Tja, Pech, ich bin halt schwanger und ich darf das!«

Er lachte wieder und küsste mir auf die Wange. Danach ging er auch duschen und ich ging runter. Das Haus war schon blitzblank, da heute das Zuckerfest war. Es würden alle zu uns kommen. Mit einem grinsen ging ich zur Küche. Serkan kam auch schon nach einer kurzen Zeit und wir frühstückten. Es klingelte schon und es war meine kleine Schwester Sevda. Sie studierte im Moment Medizin und wollte genau wie ich Ärztin werden. Sie hatte gestern mit mir das Haus sauber gemacht.

Hinter ihr stand auch schon Harun. Er war immer noch frech, aber weniger kindisch. Ich verstand gar nicht, wie er überhaupt zu einer Freundin kam.

Ich begrüßte beide und sie setzten sich ins Wohnzimmer. Bald darauf kam auch Mine, die Schwester von Cihan, dann Cihan und Olcay. Olcay hatte schon ein Kind. Sie war die Jüngste zwischen und dreien, aber sie hatte als erstes geheiratet und hatte einen Sohn mit dem Namen Enes. Er war so süß. Sein Haar war lockig und braun und seine Augen hatten eine Mischung aus blau und grau, wie ich sie noch nie gesehen hatte.

»Du wirst immer fetter«, meinte Olcay, als sie kam. »So fett war ich nie.«
»Natürlich nicht«, lachte Cihan. Mich interessierte das nicht so und ich rastete nicht aus, weil ich gerade Enes gesehen hatte und ihn in die Arme nahm.

»Oy, wie süß«, nuschelte ich und war total beschäftigt, mir Enem anzuschauen, dass ich gar nichz realisierte, dass Ece kam. Ece war auch schwanger. Sie wusste schon, dass es ein Mädchen war. Ihr Name sollte Ela werden. Ich wurde neidisch, was ich ehrlich zugeben muss, weil ich noch nicht wusste, ob mein Baby männlich oder weiblich war.

Wir setzten uns alle ins Wohnzimmer. Es gab immer viel zu reden und viel zu lachen. Später kamen auch noch meine Tante und mein Onkel, Eces Eltern, meine Eltern, Tunçs Eltern und die Mutter von Cihan. Obwohl sie viel älter waren, fühlte es sich wirklich nie so an. Wir waren glücklich wie noch nie.

Insa'allah trennt uns nichts, bis zum Tod.

VerträumtWhere stories live. Discover now