Kapitel 74

2.3K 147 4
                                    

Verträumt
Ge. 02- Kapitel 74

Ich schnappte mir meine Jacken und schlüpfte rasch in meine Schuhe, als meine Mutter mich sah.

»Wohin, Ece?«
»Raus«, erwiderte ich knapp und schloss da schon die Tür hinter mir zu. Danach rannte ich in Richtung Park. Ich liebte es zu rennen. Es war ein wundervolles Gefühl, als ob du vor all deinen Sorgen wegrennst und sie zur Seite schiebst. Ein Lächeln bildete sich in meinem Gesicht, als ich den Park erreichte und mich auf eine Schaukel fallen ließ. Ich atmete noch etwas unregelmäßig wegen des Rennens, was natürlich war, da ich so lange nicht mehr gerannt war.

Jemand tat mir die Hände vor den Augen, sodass ich gar nichts mehr sah.
»Wer bin ich?«, fragte Tunç und ich musste lachen. Wer sollte es denn sonst sein?

»Bei den fetten Fingern kannst du ja nur Tunç sein.«
Er nahm seine Hände, schlug mir leicht gegeben meine Schulter und ließ sich dann auf die Schaukel neben mir nieder. »Meine Finger sind nicht fett.«
»Ach so«, sagte ich und fing an zu lachen. Er stimmte mit ein und ich sah zu Boden.

»Meine Mutter will nicht darüber sprechen«, murmelte ich.
»Meine auch nicht«, sagte er und sah hoch in den Himmel. Ich sah ihm zu, wie seine Mundwinkel langsam hochgingen und er mir tief in die Augen sah. »Das hält mich aber nicht davon ab, dich zu sehen, Ece.«
Ich musste grinsen. »Hast Recht, aber wie geht es jetzt weiter? Ich vermisse doch meinen besten Freund mit den fetten Fingern.«
Sein Lachen verblasste für einen Augenblick, dann lachte er aber auch schon wieder. »Mein Vater spricht auch nicht mehr darüber. Er hat nur einmal gesagt, dass irgendeine Özlem darüber wüsste und sie uns helfen könnte oder so.«
»Hat diese Özlem keinen Nachnamen?«

Er überlegte. »Doch, der fällt mir nicht mehr ein.«
Ich stand auf und streckte mich. »Frag doch deinen Vater wieder.«
»Geht nicht«, erklärte Tunç und stand ebenfalls auf. »Meine Mutter hat ihn versprechen lassen, dass er den Mund hält.«
»Uff«, murmelte ich und ging ein Stück. Tunç folgte mit und ich spürte deutlich seinen Blick.

Wir gingen schweigend den Park entlang. Es war ein schönes Wetter und ich bereute es schon, eine Jacke anzuhaben. Wie dumm von mir. »Im Moment scheint alles auf den Kopf gekippt worden zu sein«, meinte ich dann. »Man könnte einen Roman darüber schreiben.«
»Wie eingebildet, dass du dein Leben so genial findest.«
»Du musst alles kaputt machen!«
»Dafür bin ich da«, rief er und kniff mir in die Wange. Ich schlug ihm die Hand sofort weg und schaute ihn gespielt böse an. »Wieso treff' ich mich eigentlich mit dir?«
»Weil ich so geil bin«, behauptete er und drückte mich zu sich. Ich hustete gespielt und wir fingen an zu lachen.

»Also wie finden wir diese Nachnamenlose Özlem?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber vielleicht könnte es sein, dass sie auch in der Schule oder Uni deiner Mutter war. Hat die noch so 'ne Fotoliste?«
Ich nickte. »Bestimmt, ich weiß nur nicht wo.«
»Ich auch. Meine Mutter hat sie versteckt.«

[Sicht von Cihan]

Nach dem Nachsitzen rannte ich aus der Schule und tippte in mein Handy die Adresse ihrer Therapeutin und stieg auf mein Motorrad. Mit Vollgas fuhr ich zu der Straße und stieg aus. Gerade da verließ sie auch schon das Gebäude. Sie lächelte nicht, wie immer, aber irgendwie strahlten ihre blauen Augen in der Sonne und ihre Locken tanzten beim Gehen.

Ich ging auf sie zu und sie blieb direkt stehen, als sie mich sah. Ihre Miene wurde düster und sie blickte mich voller Hass an. »Was?«
Ich musste grinsen. »Olcay hat Angst vor Motorrädern, Olcay ist ein Mannsweib, Olcay hat Aggressionen.«
Ihre Augen wurden groß, verringerten sich dann aber schlagartig. »Was hast du für Leiden?«
Ich lachte extra laut. »Bist du nicht die, die Leiden hat?«, fragte ich und deutete auf das Gebäude, aus dem sie gekommen war.

»Halt deine Klappe!«, rief sie.
»Warum? Weil's dir Mal nicht passt? Du bist so arrogant, weist du das? Du bist verdammt egoistisch! Wenn etwas Vorteile für dich hat, ist alles okay, aber wenn es Mal darum geht, dass du dich für Andere einsetzt, hasst du sie auf einmal!«
»Bist du noch bei Sinnen? Du bist doch arrogant und denkst, die Welt dreht sich bloß um dich! Du beleidigst einfach irgendwelche Leute, die du nicht einmal kennst!«
»Ach, du kennst sie besser oder wie?«

»Cihan, verpiss dich«, zischte sie.
»Warum sollte ich? Ich habe doch so viel Spaß.«
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und sah mich mit solchem Zorn an, wie ich es ihr nie zugetraut hätte. Sie fing an schneller zu Atmen. »Du hast die Wahl, entweder du gehst-«
»-oder du schlägst mich?«, fragte ich provokant.

»Oder du bereust es«, vollendete sie ihren Satz. »Du kennst mich nicht.«
»Du kennst mich auch nicht.«
»Du widerst mich an«, zischte sie und drückte ihre Hand fester zu einer Faust.

»Olcay?«, hörten wir da eine Frau sagen. Es war wohl ihre Therapeutin. Sie kam schnell hierher und sah mich mit großen Augen an. »Ach, ist das dein Freund?«
Olcay wollte etwas sagen, da erblickten die Augen der Therapeutin Olcays Faust. »Du wolltest doch nicht-«, brachte sie entsetzt heraus.

Ich grinste und drückte Olcay zu mich. »Nein nein, sie ist meine Freundin.«
In dem Moment spürte ich irgendetwas komisches in mir. Olcay sah mich verwirrt und überrascht an. Sie brachte nicht einmal einen Laut heraus.
»Wir lieben uns so sehr«, sagte ich weiter und drückte sie näher zu mich, sodass ihre Kopf an meiner Brust war.

»Ach so«, erwiderte die Therapeutin erleichtert. »Sonst hätte ich ja noch mehr Extrastunden für dich geben müssen!«
Olcay bekam große Augen. »Noch mehr Stunden?«, fragte sie entgeistert und die Therapeutin nickte. »Vielleicht sogar mit einem neuen Plan. Ich dachte ehrlich, es bringt vielleicht nichts! Stell dir vor, wie schrecklich das wäre!«
Ich nickte. »Ich versichere ihnen, sie wird besser«, lachte ich und Olcay lächelte gezwungen mit.

»Wie wäre es, wenn sie morgen mitkommen würden, zur Therapie? Unterstützung wäre gut!«, schlug die Therapeutin vor und Olcay schüttelte den Kopf.
»Ich würde gerne!«, rief ich da, als mich Olcay geschockt ansah.
»Dann bis morgen!«, rief die Therapeutin glücklich und ging.

Olcay befreite sich sofort von mir und sah mich zornig an. »Was glaubst du, wer du bist!?«
»Aber Schatz, wir lieben uns doch!«, scherzte ich und sie wurde rot. Zum ersten Mal sah ich, wie sie rot wurde. Ihre Augen waren groß geworden und das alles schien ihr mehr als nur peinlich zu sein. »Verpiss dich!«
»Gerade warst du doch so glücklich über unsere Beziehung und ich muss doch morgen mitkommen!«
»Ich sag, dass du tot bist!«
Ich lachte. »Was ist Olcay Çelik? Soll ich deiner Therapeutin nachschreien, dass du sie angelogen hast?«
»Bist du bescheuert?«
»Zumindest nicht so bescheuert wie du!«
»Holzkopf!«
»Achte doch Mal auf deine Wortwahl! Niemand nennt einen noch "Holzkopf". Außerdem wäre es ja schlecht, wenn man morgen in der Schule erfährt, dass du zur Therapie gehst. Nachdem, was du mit Bekir angestellt hast.«

»Du drohst mir?«, stellte sie fest.
»Gut erkannt.«
»Soll ich dich umbringen?«
Ich lachte nur und ging in Richtung meines Motorrades. »Bis morgen dann!«, rief ich und stieg in mein Motorrad. Sie sah mich zornig und aufgebracht an. Uh, das würde sie sicher rächen, so wie ich sie kenne.

VerträumtWhere stories live. Discover now