Kapitel 86

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Verträumt
Ge. 02- Kapitel 86

Sie blinzelte und sah mich so an, als hätte ich sie beleidigt. »Kannst du Mal aufhören zu versuchen, mich zu verarschen?«, fragte Olcay.
Ich musste lachen. Wie ich es erwartet hatte. Nach ihrer Meinung war alles gegen sie. Zumindest alles, was ich sagte.

»Warum sollte ich hier stehen, wenn ich dich verarschen würde? Was krieg ich davon?«
»Kein Plan. Die Gedanken eines Penners sind mir unbekannt. Jetzt verpiss dich oder ich schlage dich.«
Penner?

»Schlag doch«, provozierte ich sie.
»Glaubst du nicht, dass ich es tue?«
»Doch. Du würdest es tun. Aber danach, wenn ich wieder komme, vielleicht glaubst du mir dann.«
Sie musterte mich misstrauisch. Ihr Blick hing prüfend an meinen Augen, als ob sie so in mich hineinsehen und die Wahrheit erfahren könnte.

»Das will ich erst einmal sehen«, sagte sie. »Dass du wieder kommst, wenn ich dich schlage.«
Ich lachte. »Nur zu. Ich würde es nicht bereuen.«
»Bist du krank oder so?«, zischte sie und ging einfach an mir vorbei.
»ICH DACHTE, DU WOLLTEST MICH SCHLAGEN!?«, rief ich ihr nach.

Sie drehte sich schlagartig um und sah mich wütend an. Ich ging zu ihr. Eigentlich sollte ich mich einfach davon machen. Sie hatte sich doch klar genug ausgedrückt! Sie wollte mich nicht wieder sehen. Nie wieder. Warum blieb ich also noch hier?

»Ich lasse dich in Ruhe«, erklärte ich ihr. »Aber dafür gehst du mit mir noch in ein Cafe und wir sprechen zusammen. Danach kannst du ja entscheiden, ob ich doch kein so schlimmer Typ bin oder nicht.«
Wieder dieser prüfender Blick.

»Sonst schrei ich: "Olcay, verlass mich nicht!"«, drohte ich lachend. Ganz kurz konnte ich ein Grinsen sehen, dass sie sofort unterdrückt.
»Bist du dumm oder so?«, fragte Olcay. Ich nickte. »Gut erfasst!«
Danach zog ich sie mit mir.

»Ich will aber nicht«, meckerte sie in einer süßen Stimme. War das gerade ehrlich Olcay?
»Keine Sorge, das Café ist in der Nähe, wir brauchen kein Motorrad!«, scherzte ich und sie lachte sogar, wenn auch nur kurz.

Wir setzen uns hin und sie sah raus aus dem Fenster. Wir bestellten uns Cappuccinos, die aus irgendeinem Grund viel zu schnell kamen. Sonst brauchen die doch auch länger für eine Bestellung, aber gerade heute müssen die sich beeilen. Welch eine Ironie.

Olcay nahm sofort einen großen Schluck. Man merkte, dass sie sofort weg wollte. Alles hinter sich haben. Auch mich. Sollte ich jetzt gebrochen sein? Eigentlich hätte es mir ja auch egal sein können, aber... sie hatte etwas an sich, dass ich herausfinden musste. Was genau? Nicht einmal das wusste ich.

»Okay, sollen wir es so machen, ich erzähl etwas über mich und dann du über dich«, schlug ich vor. Sie nahm wieder einen großen Schluck. »Das klingt bescheuert.«
Ich tat einfach so, als hätte ich das überhört und fuhr fort. »Hm, ich glaube, ich sollte anfangen. Ich kenne schließlich schon eine Schwäche von dir.«

Sie sah beleidigt nach unten, während ich eine Schwäche von mir suchte. Mir musste doch etwas einfallen... es durfte auch nicht so peinlich sein, damit sie es nicht irgendwann ausnutze.
Sie nahm noch einen großen Schluck und ich seufzte. Ich musste einfach schneller sein. »Ich kann nicht so gut schwimmen. Ich meine, schwimmen kann ich, aber... ich mag und kann es nicht so«, gestand ich. Hatte ich das ehrlich gesagt? Scheiße.

Sie fing an zu lachen. »Cihan Çakir kann also nicht schwimmen?«, amüsierte es sie und ich drückte einen Finger gegen meine Lippe, um zu zeigen, dass sie leise sein soll, doch sie lachte immer noch und ihre weißen Zähne kamen zum Vorschein. »Ich bin 'ne gute Schwimmerin. Keine Angst, ich rette dich schon.«
Sie biss sich auf die Lippe und sah sofort wieder aus dem Fenster. Man merkte ihr an, dass sie es nicht hatte sagen wollen. Tjah, zu spät.

»Dann geh ich freiwillig ins Wasser, wenn du mich rettest«, erwiderte ich. Sie sah wieder zu mir. »Du bist wirklich dumm, weißt du das?«
»Wenn du mich so oft daran erinnerst, kann man das gar nicht vergessen.«
Sie grinste kurz und nahm dann einen Schluck von ihrem Cappuccino. Ich konnte es kaum fassen. Ihre Schlucke wurden kleiner. Hatte ich es geschafft?

»Jetzt bist du dran«, erinnerte ich sie.
»Ich hab doch gesagt, dass ich das bescheuert finde.«
»Du hast auch gesagt, dass du mich nicht in deiner Nähe haben willst, aber guck. Jetzt bist du hier.«
»Okay okay«, gab sie nach und dachte nach. »Muss es eine Schwäche sein?«
Ich schüttelte den Kopf. Hauptsache, sie sagte etwas.

Sie sah plötzlich tief in die Augen. Es war nicht wie sonst, ihr Blick stach drohend in meinen, als ob sie mir damit eine ganze bestimmte Nachricht geben wollte. »Ich hasse es, wenn man meine Familie beleidigt.«
Eine Weile schwiegen wir beide. Sie sah mich noch sehr lange mit diesem Blick an. Dann sah sie wieder aus dem Fenster. Das musste etwas bedeuten. Hatte ich jemanden aus ihrer Familie beleidigt? Wann? Wie? Wo? Was sollte das heißen, verdammt!?

»Du bist dran«, holte sie mich zurück zur Realität. Hatte sie gerade "freiwillig" mit mir gesprochen?

»Ich hasse es, wenn ich Ärger kriege, weil ich jemanden verprügelt habe«, sagte ich. Warum gerade das? Ich wollte einfach etwas finden, was uns verband oder so etwas. Sie prügelt sich schließlich auch oft. »Vor allem meine Mutter schimpft.«

»Meine Mutter schimpft nie«, behauptete Olcay und ich bekam große Augen.
»Nie?«
»Nö, wenn schon Gülay, aber bei der hör ich einfach nicht zu.«
»Wer ist Gülay?«, fragte ich.
»Frau Özkan«, nuschelte sie.
»Du kennst Frau Özkan persönlich?«
»Lange Geschichte«
»Ich hab Zeit.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kenn' sie eigentlich nur wegen meiner Mutter. Sie sind seit dem Studium befreundet.«
Sie sah wieder aus dem Fenster.

»Und dein Vater?«, fragte ich, wo sie sofort wieder zu mir sah und grinste.
»Mein Vater schimpft selten. Er kann bei meinen Blicken einfach nicht wütend werden.«
»Eine Art Hundeblick?«
»Ja-aah«
»Zeig Mal!«
»Nein!«, protestierte sie und versteckte ihr Gesicht mit ihren Händen.

»Ach, komm«, bat ich und zog an ihrem Arm, damit ihr Gesicht frei war.
»Du bist ja rot geworden!«, rief ich lachend und sie versteckte ihr Gesicht noch mehr.
»Man, Cihan!«, nuschelte sie und ich ließ sie in Ruhe.

Kurz darauf klingelte ihr Handy. Sie nahm es und stand sofort auf. »Ich muss nach Hause«, sagte sie und lächelte.
»Soll ich dich bringen?«, fragte ich.
»Ne, ne, bleib mir fern mit deinem Motorrad!«, rief sie und winkte. Genau, als sie das Café verlassen wollte blieb sie kurz stehen und drehte sich um. »Vielleicht bist du doch nicht so schlimm«, grinste sie und verschwand schließlich.

[Sicht von Ece]

Die Turteltäubchen Alev und Serkan abi redeten und redeten, umarmten sich und umarmten sich. Am liebsten würde ich einfach dahin stürmen und ihrem Kitsch ein Ende setzen. Aber das hieß, dass wenn ich allein mit Alev war, sie mir meinen Kopf abreißen würde. Schade.

Also ging ich zu Nisan. Sie strahlte so voll Freude. Ich wollte nicht dabei sein, wenn ihr die Ärzte und Yakup erklärten, was passiert sei. Das würde ich nicht verkraften.

»Ece!«, rief Nisan mit einem strahlenden Lächeln.
»Nisan!«, erwiderte ich lachend und wir umarmten uns.
»Danke, dass du gekommen bist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich bin!«, rief sie und wurde da von Yakup abi gerufen.
»Geh schon!«, meinte ich und schlenderte, nachdem sie ging, herum.

Mit einem breit Grinsen erkannte ich da Tufan! »Tufan!«
Er sah mich und kam zu mir. »Was machst du denn hier?«, fragte er.
»Das könnte ich dich genauso fragen!«, lachte ich. Er war wieder zum knuddeln. Aber freundschaftlich! Schließlich war er ja auch noch ein Jahr jünger als ich.

»Ich kenne Nisan nicht lange, besser gesagt, fast gar nicht. Ich hab Praktikum in der Klinik gemacht, wo sie lag. Dabei hab ich sie erwischt, wie sie Selbstmord begehen wollte und hab sie aufgehalten.«
Was!? Ich erinnerte mich Wage an das, was Yakup abi gesagt hatte: "Ein Praktikant hatte ihr Leben gerettet."

»Du warst das?«, brachte ich brüchig heraus und konnte es kaum fassen.

VerträumtWhere stories live. Discover now