Kapitel 50

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Verträumt

Ge. 02- Kapitel 50

Ich sah mich in Nisans Zimmer um und eine tiefe Trauer überzog mich. Sie hatte viele Poster und Fotos an ihrer Wand geklebt. Es klebte sogar eins von mir und ihr, als wir klein waren.

Daneben Poster von Stars, To-Do-Listen, Poster von Vien und noch so vieles mehr. Ich wusste noch genau, wie sie mir erzählt hatte, dass sie so gerne in Vien wäre. Sie hatte mir erzählt, wenn sie Streit mit Freunden hatte und sogar über ihren Kummer.

Man merkte schon, dass dieser Raum nicht oft berührt wurde. Überall war staub, wodurch meine Augen noch voller wurden, als sie es bereits waren.

Sofort verließ ich das Zimmer und atmete tief durch. Nicht weinen! Ece! Nicht weinen!

»Alles okay?«, fragte Alev und sah mich besorgt mit ihren braunen Augen an. Ich nickte rasch und hörte, dass Yakup abi hierher kam. Er hatte nicht bemerkt, dass ich Nisans Zimmer betreten hatte, was auch besser so war.

»Können wir gehen?«, fragte er und wir gingen aus dem Haus. Serkan abi fuhr uns zur Klinik.

Es war wieder ein bedrückendes Gefühl in meiner Brust. Es verkrampfte sich und ein Klos bildete sich in meinem Hals, den ich schwer runterschluckte.

Alle schwiegen und wir nahmen den Aufzug. Als wir in Nisans Zimmer waren, bekam ich das Gefühl, umkippen zu müssen.

Die Wände waren weiß und wiederspiegelten die innere Leere. Wieder saß Nisan in derselben Position wie beim letzten Mal und sah hinaus. Als sie uns sah lächelte sie leicht und sah wieder hinaus.

Sie muss selber gesund werden wollen! Jetzt blieb nur noch die Frage, wir ich das hinbekommen könnte.

Yakup abi setzte sich wieder vor Nisan. Nisan lächelte richtig und unter ihren fast leblosen Augen kam ein leichtes Funkeln.

»Geht es dir gut, Sonnenschein?«, fragte Yakup abi und Nisan nickte.

»Was hast du heute alles gemacht, Sonnenschein?«

Nisan zuckte mit den Schultern. Sie sprach wie immer nicht.

Yakup abi holte etwas aus seiner Tasche. »Guck mal, deine alte Barbie«, erklärte er und legte die Puppe vor Nisan. Nisan betrachtete die Puppe. Ich wusste noch genau, wie wir mit dieser Barbie gespielt hatten und Yakup abi dann die Haare von der Puppe geschnitten hatte.

Nisan nahm die Puppe in die Hand und ging mit ihren Fingern durch deren Haar. Danach legte sie es zurück.

Yakup abi holte da schon wieder etwas Neues aus seiner Tasche. Ein neuer Versuch.

Dieses Mal war es eine Kette. »Erinnerst du dich an die?«, fragte er und sah sie voller Hoffnung an. »Du wolltest sie nie weglegen.«

Nisan nahm die Kette in die Hand.

Serkan abi, ich und Alev standen nur im Hintergrund. Wir wusten echt nicht, was wir tun könnten und was Nisan verschrecken würde.

Nisan betrachtete die Kette und eine einzige Träne fiel ihre Wange hinunter und zum ersten Mal seit so langem hörte ich wieder diese Stimme. Ihre Stimme. »Abi beni kurtar! (Abi, rette mich)«, schluchzte sie. »Kurtar! (Rette mich!)«

Es jagte mir einen Schauer über den Rücken und brachte eine Gänsehaut.

Yakup abi stand sofort auf und umschlang Nisan in seine Arme. Er küsste sie auf ihren Scheitel, während Nisan die Kette aus der Hand fiel.

»Imdat! (hilfe!)«, rief sie.

Ich rannte aus dem Raum und holte Hilfe. Sie beruhigten Nisan und sie fing an zu schlafen. Solange gingen wir wieder mit Yakup abi zu Nisans Arzt.

VerträumtWhere stories live. Discover now