Kapitel 8

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Hoch konzentriert bin ich gerade mit dem zweiten Auge beschäftigt. Es ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt, irgendetwas zwei mal zu malen. Meistens mache ich eher fantasievollere Bilder, in denen der Charakter der Personen gezeigt wird. Oder flüchtige Bilder von Passanten. Doch die ach so wundervolle alte Lady wollte so gerne mehr Zeit mit mir verbringen, um mich besser kennenzulernen, also zeichne ich jetzt sie. Schließlich hätte sie ja fast mein ganzes bisheriges Leben verpasst.

Nach langem Diskutieren habe ich dann eingewilligt sie mit ihrer Katze Mr. Twice zu zeichnen, durfte es jedoch auf eine eher unkonventionelle Art und zwar meine, machen. Dieser ist nicht, wie man vielleicht annimmt, eine reinrassige, verwöhnte, fette Rassekatze. Es ist ein alter, abgemagerter, struppiger Kater. Sie hat ihn irgendwo aufgelesen, da war er sogar noch verfilzt und voll mit Milben und Flöhen. Nachdem sie ihn paar Tage zum Tierarzt gebracht hatte, hat sie ihn bei sich aufgenommen. Seinen Namen verdankt er der Tatsache, dass er zu manchen ein kratzbürstiges, bissiges und böses Vieh ist und zu anderen wiederum eine liebe und kuschelige Schoßkatze.

Diese Geschichte durfte ich mir sehr viel detaillierter in der letzten halben Stunde anhören. Wenigstens hat die Königin das Thema „Schule“ und „Familie“ nicht genauer angesprochen.

Ich trete einen Schritt zurück und betrachte das Bild. Es ist eine eher grobe Zeichnung mit schwarzer Tusche. Auf einem Stuhl sitzt meine Großmutter und auf ihrem Schoß der Kater.

„Ähm, wäre es besonders schlimm wenn du jetzt gehen würdest? Denn normalerweise bin ich spätestens jetzt immer alleine.“ Zaghaft lächle ich sie an. Normalerweise ist es mir relativ egal wenn jemand bei mir ist, doch ich will das dieses Bild gut wird und in letzter Zeit sucht sie so oft meine Nähe, da brauche ich die Auszeit von jedem Menschen und nur eine Aufgabe.

„Natürlich nicht.“ Sie hebt die Katze von ihrem Schoß und geht aus dem Raum. Mr. Twice bleibt im Raum und springt laut maunzend auf einen Tisch. Danach blickt er mir skeptisch über die Schulter. Ich bin mir noch nicht sicher ob er mich mag oder nicht.

Ich fahre fort zu malen. In die Katze male ich zwei unterschiedliche Katzen, die eine dunkelblau und schnurrend und die andere in grellem gelb und fauchend, mit aufgestellten Haaren. Die Königin bemale ich mit vielen verschiedenfarbigen Tupfen, aber die Farben sind absolut blass. Denn aus ihr werde ich nicht richtig schlau.

Ich bin gerade bei dem Hintergrund, als der Buttler der Königin oder Bodyguard oder Geliebter, was weiß ich, jedenfalls der Kerl der ihr dauernd folgt, die Tür aufreißt. Sofort tritt die alte Lady in den Raum.

„Fae, Liebes, deine Tante und deine Cousinen sind früher angekommen als erwartet. Du wirst sie also jetzt schon kennenlernen.“

Ich habe gerade noch die Zeit ein entgeistertes „Was?!“ hervorzubringen, da folgt ihr eine blonde, labernde Frau in den Raum. „Mutter, du glaubst nicht wie froh ich bin wieder zurück zu sein. Ich weiß, ich weiß, ich sage es dauernd selbst. Bündnisse sind wichtig. Doch diese Fürste in Osteuropa sind solche engstirnige, altmodische Langweiler! Allerdings haben sie keine Ahnung, was ihre Frauen so treiben, das sag ich dir. Und noch immer sind es viel eher genau diese, die an der Macht sind. Sie haben es wohl schon längst zu ihrer eigenen Kunst gemacht wirklich immer alles zu bekommen, was sie wollen und sind Meisterinnen der Manipulation. Und der Vertrag mit dem Verteidigungsminister lief ganz hervorragend. Ich denke er war etwas unsich- Wer zur Hölle ist das?!“

Diese Frau war anscheinend die Meisterin der Betonung.

„Pearl, das ist Fae. Wir haben doch über den...Vorfall geredet. Ich dachte es sei an der Zeit, dass ihr sie mal kennenlernt.“

Langsam wandert ihr Blick meinen Körper entlang. „Du siehst deinem Vater äußerst ähnlich.“ Es hört sich nicht an wie ein Kompliment, also bedanke ich mich dafür auch nicht. Viel eher scheint es, als hätte sie einfach eine nüchterne Aussage gemacht. Sie dreht sich zur Tür und ruft: „Leira, Kayla, kommt ihr bitte? Sie ist da.“

Schon wieder diese Betonung. Weder gut noch schlecht. Es scheint einfach nur als sei ich äußerst bedeutungsvoll. Ich muss mir das Augenverdrehen verkneifen.

Und ich muss es mir noch mal verkneifen, als wohl die klischeehaftesten Teenager auftauchen, die es gibt. Die eine ist schlank und groß. Sie hat die Ausstrahlung eines Models, ähnelt allerdings auch ihrer Mutter. Eindeutig trägt sie Markenklamotten und ihre Haare sind zu einer schönen Frisur hochgesteckt worden. Neben ihr, ihre Schwester. Man sieht bei näherem Hinsehen die Ähnlichkeit, doch ihre Schwester sieht einfach...nerdig aus. Ein Pony der ihr in die Augen hängt, mausbraune Haare ohne Glanz. Ihr ganzes Auftreten ist eher schüchtern und zurückgezogen, in ihrer Hand hält sie ein Buch und sie trägt eine Brille. Ich bin mir sicher, ich habe noch nie einen Vampir mit Brille gesehen.

„Das ist Kayla“, die blonde Frau zeigt auf die andere Blondine, „Das ist Leira.“, sie zeigt auf die Schüchterne. Ich merke, dass ich die beiden skeptisch gemustert habe, genau wie Kayla mich. Mit einem leicht überheblichen Blick starren wir uns gegenseitig an. Leira hat bei meinem Blick sofort versucht sich unsichtbar zu machen.

Strahlend lächele ich die Neuankömmlinge an. „Mein Name ist Fae. Fae Phastiktion. Und du ihr werdet wohl meine Cousinen und meine Tante sein. Wie schön es doch ist euch kennenzulernen!“ Oh man, ich hätte nicht gedacht, dass ich noch immer so lügen kann. Aber diese Pearl und Kayla scheinen, als würden sie Schwäche sofort riechen und gegen dich benutzen bis du dich heulend hinter Vorhängen versteckst.

„Fae hat gerade ein Bild von Mr. Twice und mir gemalt. Wollt ihr es euch nicht ansehen?“, fragt die Königin.

„Es ist noch nicht ganz fertig.“, sage ich schnell bevor sie zu der Zeichnung gehen. Mr. Twice sitzt noch immer auf dem Tisch, doch als er alle sieht macht er einen Buckel und rennt knurrend aus dem Raum. Jedoch nicht ohne vorher noch einen Stopp bei meiner ach so lieben Tante zu machen und sie ordentlich anzufauchen.

„Wieso hast du Mr. Twice gleich dreimal gemalt? Und wieso hast du Grandma bunt gemacht?“, fragt Kayla. Sie sieht ein wenig belustigt aus. Als denke sie ich sei zu blöd zum Zählen oder so ähnlich.

Böse gucke ich sie an, doch zu meiner Überraschung sagt jetzt Leira etwas. Sie hört sich sogar etwas tadelnd an. „Kay, die beiden anderen Katzen sollen wohl Mr. Twice' Inneres darstellen und damit hätte Fae es sehr gut getroffen. Demnach zeigen dann auch die bunten Flecken auf Grandmas Haut ihren Charakter. Vielleicht erscheint sie ihr ja facettenreich oder so ähnlich. Ich finde die Zeichung jedenfalls wahnsinnig hübsch.“  Ich schenke ihr einen beeindruckten Blick. Doch trotzdem zeigt das, was für Klischees die beiden sind.

„Sie hat Recht, das Bild ist wundervoll! Und diese Art von Bildern gibt es in diesem Schloss wohl kaum, wenn nicht gar nicht. Aber lasst uns doch jetzt lieber zum Tee ins Esszimmer gehen.“

Na super. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen, als mit dieser ach so warmherzigen Familie Tee zu trinken. Vor allem, da ich die einzige bin, die überhaupt den Tee genießen wird.

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