Kapitel 4

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„Er wurde von Vampiren getötet.“, sage ich mit belegter Stimme.

„Also das ist richtig. Ich weiß nicht ob du es weißt, aber Vampire finden eigentlich irgendwann ihren Seelenpartner. Einen Partner, den sie lieben wie niemanden sonst. Ihre andere Hälfte. Nicht jeder trifft ihn und selbst wenn man ihn trifft, heißt das nicht, dass man ihn sofort erkennt.

Deine Mutter hat ihn getroffen, deinen Vater, Stephan. Allerdings war er ein Mensch und deswegen gab es öfters...ein wenig Kritik, wenn man das so nennen kann, schließlich war sie die Thronfolgerin beziehungsweise trägt das Blut dafür in sich. Das hat deiner Mutter sehr zu schaffen gemacht. Eines Tages gab es dann einen Überfall von einer Terrorgruppe die gegen unsere Regentschaft ist. Sie sagen, wir seien zu „weich“ geworden.

Dabei kam leider dein Vater um, sie haben uns völlig überrascht. Vermutlich haben sie es besonders auf ihn abgesehen. Sie wollen nur reinrassige Vampire. So warst auch du ihnen ein Dorn im Auge. Nachdem Stephan umgebracht wurde, wurde deine Mutter...anders.

Sie gab uns allen die Schuld an seinem Tod, sie nahm an, dass wir alle gegen die beiden waren. Es wurde immer schlimmer, sie wurde beinahe schon besessen von der Idee, dass sie allein dasteht, das jeder gegen ihre Beziehung zu Stephan war und auch gegen dich. Das alle Vampire gleich seien. Eines Tages war sie dann einfach weg. Dich hatte sie mitgenommen. Wir haben jahrelang nichts von ihr gehört. Irgendwann fielen uns dann Parallelen auf zwischen zwei bestimmten Vampir-Jägern und meiner Tochter und ihrem Kind auf.

Es war nicht geplant, dass sie umkommt. Das war nicht geplant, aber es ging nicht anders und für sie war es ohnehin schon zu spät. Jetzt ist sie wenigstens mit Stephan wieder vereinigt.“, ihre Stimme zittert, in ihren Augen sammeln sich Tränen. Ich streiche eine Strähne aus meinem Gesicht und merke dabei wie meine Finger feucht werden. Tränen laufen über mein Gesicht.

Aber mit einem Mal halte ich es nicht mehr aus. Diese Frau ist Schuld am Tod meiner Mutter!

„Du bist Schuld.“, flüstere ich, „Du bist Schuld! Wegen dir ist sie tot! Nur wegen dir! Und du erzählst, dass sie deine Tochter gewesen wäre. Das du deine eigene Tochter umbringen lassen hast. Und das gibt dem doch allem nur Recht! Vampire sind wirklich alle bösartige Momster. Wenn sie ihre eigene Familie umbringen lassen! Und ich werde niemals ein normales Leben führen werden und das will ich auch gar nicht! Wie kommst du auf die Idee, das ich ein Leben wie ihr führen will? Ich will nichts davon, ich war mit meinem Leben zufrieden, ich habe es sogar ausgehalten dauernd umzuziehen und keinen richtigen Namen zu haben, dafür musste ich mich wenigstens nicht mit Wesen wie euch abgeben! Und du hast es zerstört, alles zerstört, was ich noch hatte!“ Die Tränen schießen mir nur so aus den Augen. Ich renne aus dem Raum und knalle die Tür hinter mir zu.

Ich schluchze wie ein kleines Kind aber das ist mir sowas von egal! Die Männer von vorhin stehen noch immer vor der Tür und schauen überrascht aus, doch ich laufe einfach weiter. Die beiden Jüngeren folgen mir, vermutlich sollen sie aufpassen, dass ich nicht irgendwen angreife oder so. Schnell haste ich die Treppe hinunter und in den Gang, in dem ich mein Zimmer, oder vielleicht auch eher meine Zelle, habe. Die hohen Schuhe sind behinderlich, aber das ist nicht das erste Mal, das ich in High-Heels renne.

Ich laufe immer weiter bis mir auffällt, dass ich keine Ahnung mehr habe, wo mein Zimmer überhaupt ist, es sind einfach zu viele Türen. Und dann fange ich auch noch so sehr zu zittern an, dass ich nicht mehr weiter laufen kann. Also lehne ich mich an die Wand und sinke schluchzend zu Boden.

Ich ziehe die Knie an und lege meinen Kopf darauf.

Ich weiß nicht was stimmt, aber wenn das alles richtig ist, hat sie Mum getötet. Eigentlich war das anzunehmen, aber sie hat es sogar zugegeben! Und wie kann sie sich nur einbilden zu wissen, was am besten für Mum war? Tot am Boden zu liegen? Oh ja, das ist schließlich das Schönste was sich jedermann vorstellen kann! Und ich vermisse sie, sie war zwar streng, aber ich war es gewohnt. Immer mehr Tränen machen meine Knie nass.

Plötzlich höre ich eine nervöse Stimme sagen: „Ähm, wir sollen Sie in Ihr Zimmer geleiten?“

Die beiden jungen Männer von vorhin stehen vor mir, sie scheinen verunsichert zu sein. Aber das ist mir im Moment absolut egal.

Ich hebe kurz mein von Tränen überströmtes Gesicht: „Verpiss dich!“

Diesmal sagt der andere Mann: „Aber wir hatten die eindeutige Anwei-“

„Das ist mir egal! Lasst mich in Ruhe.“ Beim letzten Wort bricht mir die Stimme weg und ich werde von Schluchzern nur so geschüttelt. Ich ziehe die Knie noch enger an meinen Körper und kralle die Fingernägel in meine Beine. „Okay, egal.“, sagt der Uniformierte, tritt einen Schritt vor und hebt mich, im Braut-Stik, hoch. Empört reiße ich die Augen auf.

„Lass. Mich. Runter. Du. Arsch!“, zische ich ihn immer noch heulend an. Er reagiert nicht darauf. Ich will gerade meinen Ellbogen in seinen Magen rammen, da werde ich erneut von einem Schluchzen geschüttelt. Er verlagert mein Gewicht ein wenig in seinen Armen und scheint ein Lächeln zu unterdrücken, vermutlich hat er meinen Versuch gesehen.

Es dauert keine drei Minuten, da kommen wir in meinem Zimmer an, der andere Vampir öffnet die Tür und ich werde auf meinem Bett abgelegt. Er tritt einen Schritt zurück und blickt mich fragend an. „Kann ich dir noch irgendetwas bringen?“ Ich funkle ihn böse an und vermutlich ist ihm das Antwort genug, denn er verlässt den Raum und der andere Mann schließt die Tür wieder. Ich drehe mich auf den Rücken und lasse die Tränen einfach nur laufen Als ich mich langsam beruhigt habe, stehe ich auf, ich will kurz ins Bad. Plötzlich stolpere ich ein paar Schritte nach vorne und kippe um, mir ist schwindelig. Mit dem Kopf stoße ich gegen die Kommode und werde sofort noch benommener. Vor meinem Blick verschwimmt immer wieder alles. Ich schließe sie kurz, um endlich meine Sicht zu schärfen. Als ich sie wieder öffne, sehe ich undeutlich jemanden vor mir stehen. „Was ist passiert?“, fragt einer der Wachen mich drängend. „Ich bin umgekippt.“, nuschele ich, scharf zu Sehen gelingt mir immer noch nicht. „Wieso?“ „Mir wurde schwindelig.“ Sein Blick fällt auf das fehlende Essen von mir. Hieß es nicht ich würde Mahlzeiten bekommen? „Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen und getrunken?“

„Keine Ahnung. Als ich zu Hause war vermutlich.“, murmele ich. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.

„Jerry, würdest du was holen?“

„Klar doch.“, höre ich jemanden von links sagen, ich drehe meinen Kopf und sehe dort die andere Wache stehen. Er steht auf und geht.

„Weil die Königin dir etwas bestellt hat, haben sie hier vermutlich alles weggeräumt.“, erklärt der Vampir, der immer noch vor mir hockt. Vorsichtig hilft er mir mich aufzusetzen und mich gegen die Kommode zu lehnen. Es dauert nicht lange, bis die andere Wache, Jerry, wieder kommt. In der Hand hält er ein Tablett mit einer Tasse, einer Wasserflasche und einem Teller mit Schnittchen, geschnittenem Obst und Gemüse und kleinen belegten Baguette-Scheiben. Der vor mir kniende Vampir nimmt ihm eine der Tassen ab und reicht sie mir. Ich zögere nicht und hebe sie an meine Lippen.

Fast augenblicklich verbreitet sich der würzige Geschmack von Blut in meinem Mund und füllt meinen Rachen. Hastig trinke ich aus und fahre mir mit meiner Zunge über die Lippen, um keinen Spritzer zu vergeuden. Die Flasche wird mir gereicht und auch die trinke ich sofort aus, es ist zwar nur Wasser, aber ich habe einen Flüssigkeitsmangel. Danach wird mir eine der Baguette-Scheiben gereicht, an der ich anfange zu knabbern. Meine Sicht wird langsam wieder schärfer. „Ich bin übrigens Flynn.“, sagt der eine.

„Aha.“, erwidere ich nur.

„Geht's dir wieder besser?“

„Ja", murmele ich. Stöhnend lehne ich meinen Kopf gegen die Kommode und schließe die Augen. So viel zum Thema stark bleiben...

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