Ich hastete aus der Küche und ging in mein Zimmer, wohlwissend, dass Lily mir folgte.

"Bist du eigentlich total durchgedreht?", fragte ich sie wütend mit einer Spur Hysterie in der Stimme. Sie ging ganz ruhig auf mein Bett zu und setzte sich, während sie lässig meinen Blick erwiderte.

"Ich wollte dir nur helfen", sagte sie.

"Helfen?", platzte ich verzweifelt heraus. "Indem du mich lächerlich machst? Was er jetzt wohl von mir denkt!"

"Schau mal", fing Lily an und klopfte auf den Platz neben sich. "Er mag dich. Das hat man schon allein daran gesehen, wie sein Gesicht sich aufgehellt hat, als ich sagte, dass du über ihn geredet hast."

Ich wollte sie unterbrechen, doch sie redete weiter: "Er hat sich gefreut, dass du morgen auch da sein wirst, auch wenn er es zu verbergen versucht hatte. Das hast du aber natürlich nicht gesehen, weil du lieber deine Hände angestarrt hast. Aber wenn du das ignorieren möchtest, dann tu einfach so, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden."

Ich starrte sie einen Moment lang an, seufzte und setzte mich dann neben sie. "Ich weiß doch auch nicht, was ich tun soll. Was ich fühlen soll. Das ist alles so kompliziert."

"Aber nicht unmöglich", sagte Lily lächelnd und drehte sich zu mir. "Ich wollte dir wirklich nur helfen, Aria. Ich dachte, wenn du irgendwie bemerkst, dass er dich mag, dann würde dir so manches leichter fallen. Ich seh doch, wie dich das alles mitnimmt. Wie du an allem zweifelst, vorallem an dir selber."

Ich seufzte wieder. "Ich weiß doch, dass du nur helfen wolltest. Aber ich seh es jetzt schon vor mir, wie er sich über mich lustig machen wird."

"Was liebt, dass neckt sich", sagte Lily mit ihrer verstellten, weisen Stimme.

Ich musste lachten. "Kalendersprüche helfen mir jetzt auch nicht weiter."

"Wahre Kalendersprüche schon", gab sie zurück und stupste mich am Arm an. Dann fing sie an, alle möglichen Sprüche herunter zu rattern und manche von denen waren so dämlich, dass ich mich nicht mehr vor Lachen einkriegen konnte. Es war ein schönes Gefühl mal wieder zu lachen - und ich meine so richtig - und die Sorgen für einen Moment vergessen zu können. Und dafür war ich Lily echt total dankbar.

Jedoch verflog unsere Hochstimmung als wir eine Stunde später Mike auf dem Flur hörten. Lily und ich wollte gerade ins Wohnzimmer gehen, um uns einen Film anzuschauen, als wir Mike und Damian unten im Flur lachen hören konnten. Damian hatte mich zwar vorgewarnt, dass er öfter hier sein würde, aber mir gefiel es trotzdem nicht, nicht mal in unserem eigenen Haus Ruhe vor ihm zu haben zu können. Und ich war nicht die Einzige, die scheinbar so ähnlich dachte, denn Lilys Miene verdüsterte sich und sie sah sogar ein wenig panisch aus. Schnell zog sie mich wieder in mein Zimmer und schlug die Tür zu.

"Ich weiß, Mike ist ein Idiot", sagte ich stirnrunzeld, "aber sie werden sicherlich gleich in Damians Zimmer verschwinden und wir haben unsere Ruhe."

"Ich will aber nicht, dass er mich sieht", erwiderte sie panisch und setzte sich wieder auf mein Bett. Ihre Augenbrauen waren zusammen gezogen und sie sah nicht gerade glücklich aus.

"Und wieso nicht?" Ich wusste ja, dass Lily irgendein Problem mit Mike hatte, aber mir war nicht klar, dass es so heftig war, dass sie ihn nicht mal sehen wollte.

Sie atmete tief ein und hob dann den Blick. "Okay, okay. Versprich mir, dass du es nicht Mira erzählst." Von unten hörte man Damians raue Lache und eine kleine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen, aber ich nickte hastig, gespannt was jetzt wohl kommen würde.

"Natürlich erzähle ich es Mira nicht", versprach ich. "Wieso sollte ich auch?"

"Mike und ich waren mal zusammen", sagte sie hastig, sodass ich sie kaum verstehen konnte, aber ich tat es. Und mir verschlug es die Sprache. Ich konnte sie nur anstarren, während ich mich fragte, ob ich wirklich verstanden habe, was sie gesagt hatte. Mike und sie? Wirklich? Lily war das komplette Gegenteil von Mike. Sie war liebenswürdig, nett und freundlich, während er ... es nicht war."

"Bitte sag doch was", bat sie mich verzweifelt, als ich immer noch nichts sagte.

"O-okay", kam aus mir heraus. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. "Du und Mike?"

Sie nickte.

"Aber wann - wie - was?"

Sie sah aus, als bereute sie das 'Sag doch was', jedoch holte sie letztendlich erneut Luft und erzählte:

"Vor ein paar Monaten. Dann hat er mich betrogen."

Nun, das passte dann doch wieder zu Mike. Ich schluckte und fragte mich, ob ich sie trösten sollte oder lieber nicht. "Das tut mir leid, ich wusste nicht -"

"Ist schon okay, ich - ich bin darüber hinweg", sagte sie mit einem müden Lächeln im Gesicht, "dachte ich jedenfalls. Ich hab ihn in der ganzen Zeit nicht mehr gesehen, bis auf deiner Party hier und es tut weh ihn mit einer anderen zu sehen."

"Kanntest du das Mädchen denn, mit der er dich betrogen hat? Oh Gott, das ist so mies!"

"Das tut nichts zu Sache", sagte sie und ihr Gesicht verhärtete sich, "aber ja, ich kenne sie. Aber ist ja auch egal, wenigstens verstehst du jetzt, warum ich ihn nicht sehen möchte."

Ich nickte. "Er hat dich nicht verdient, Lily, er ist einfach nur ein Arsch."

"Ja, er schien nicht glücklich mit mir gewesen zu sein. Er hat mich zwar, nachdem ich mich von ihm getrennt hab, ständig angerufen und mich angefleht ihm zu verzeihen, blablabla. Aber wenn er mich wirklich geliebt hätte, wäre es doch gar nicht erst soweit gekommen, oder?" Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass Mike überhaupt jemanden anfleht.

"Wenigstens weißt du jetzt, dass er nicht der Richtige ist", sagte ich und warf ihr einen Seitenblick zu; sie schaute verträumt aus dem Fenster.

"Mhm", machte sie. "Denkst du, er kommt auch zum Ball?"

"Ja", sagte ich, "eigentlich muss jeder Schüler anwesend sein."

Sie lächelte mir kurz zu. "Und wie hättest du dich dann herausgeredet?"

"Plötzliche Grippe, Migräne, irgendwas wäre mir schon eingefallen", sagte ich und zuckte die Schulter, wobei ich nicht ganz überzeugend rüberkam, da schwänzen normalerweise nicht so meine Sache war.

"Zum Glück haste ja noch mich, was?"

"Zum Glück, ja." Ich lächelte sie an. In den wenigen Tagen war sie mir schon wirklich ans Herz gewachsen.

Our Little SecretWhere stories live. Discover now