> Part 4

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"Woah, du hast so 'ne tolle Aussicht hier", rief Leah begeistert von meinem neuen Balkon aus.

Ich hatte sie heute morgen angerufen und gefragt, ob sie mir vielleicht beim Kisten schleppen helfen könne und sie war sofort gekommen.

"Könntest du mich hier verstecken? Es passt sicher ein kleines Bett hier rein, mehr brauche ich nicht", sie seufzte. "Mum hat gestern wieder Streß gemacht."

Besorgt schaute ich sie an und richtete meine schwarze Brille. "Was ist passiert?"

"Die Schule hat angerufen und sich über meine Fehltage beschwert ... und darüber, dass wenn ich mal da bin, nicht aufpasse ... oder schlafe oder nie die Hausaufgaben mache." Leah verdrehte die Augen und ich fing an zu lachen. "Ich besorg dir das Bett."

Ich schmiss gerade ein paar Kissen auf mein Bett, als mein Dad mich rief.

"Warte kurz, ich komm gleich wieder", sagte ich und lief die Treppe runter.

"Was ist de-", ich unterbrach mich, als ich in zwei stechend blauen Augen starrte. Ein Junge mit braunen Haaren und Lederjacke stand im Flur und er schien genauso verwirrt zu sein wie ich.

Das war doch nicht.. oder? Der Kaffee-Typ?

"Scheiße", entfuhr es mir. Was wollte der hier? Ich war ein einziges Fragezeichen.

"Daaad?", rief ich zögerlich, den Blick immer noch auf ihn gerichtet.

"Ahh, da bist du ja." Mein Dad kam zusammen mit einem Glas Wasser und einer wütend aussehenden Sally zu uns und reichte dem Fremden das Getränk.

Was war hier eigentlich los?

"Ich mach es kurz", begann mein Vater. "Das ist Damian. Und er wird bei uns einziehen."

Es enstand eine lange Pause, keiner sagte irgendwas. Sally sah weiterhin wütend und verärgert aus, Dad hatte eine Hand auf Damians Schulter gelegt und dieser Damian? Er schaute sich gelassen um.

Und dann fiel bei mir der Groschen und ich lachte kurz auf. "Echt witzig, Dad. Du willst mich auf den Arm nehmen, verstehe." Aber nach der Miene meines Dad nach zu urteilen, die verwirrt und besorgt schien, wollte er mich keineswegs auf den Arm nehmen.

Er sollte tatsächlich bei uns einziehen?! Warum? Gründen wir jetzt eine WG, oder sowas? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein.

"Kennt ihr den überhaupt?!", rief ich, etwas lauter als beabsichtigt.

Sally seufzte laut. "Er ist mein Sohn und-"

"Du hast einen Sohn?!", fragte ich geschockt. Sally und ein Sohn?

"Wusstest du das?", wandte ich mich an meinen Dad, der sofort nickte. "Wann hattet ihr vor, mir das zu erzählen?" Ich konnte es nicht fassen. Wieso hatte ich ihn nie mit Sally gesehen?

"Aria? Was ist denn los?", rief Leah, die gerade die Treppe runterkam und neugierig zu Damian schaute, der bis jetzt kein Wort gesagt hatte. Sie blickte mich fragend an.

Mein Dad, der jetzt nicht mehr fröhlich aussah, sondern irgendwie überfordert, seufzte nun auch. "Wir wär's, wenn wir uns erstmal setzen?", schlug er vor und deutete auf die Couch, die noch schief im Wohnzimmer stand.

Ich setzte mich neben Leah und wartete ungeduldig.

Die immer noch wütende Sally schaute ihren Sohn an und fing an zu erklären: "Also ja, Damian ist mein Sohn und wir wollten es euch beiden-", sie warf ein Blick auf mich, "erzählen, aber ... es hat sich irgendwie nicht ergeben. Naja, wie auch immer - jedenfalls ist der gnädige Herr hier, aus seinem Internat geflogen-"

Damian fiel ihr ins Wort. "Ich hab dir doch gesagt, dass ich dafür nichts konnte! Er hat's darauf angelegt", meinte er schulterzuckend und lehnte sich zurück.

Sally ließ sich jedoch nicht beirren. "- und jetzt ist er hier."

"Und ich dachte mir, da du dir ja immer Geschwister gewünscht hast, könnte er doch ins Gästezimmer ziehen", mischte Dad sich ein. Ich lief augenblicklich puterrot an. Dachte er jetzt, ich sehe Damian als Bruder an, nur weil er hier einziehen würde? Ich drehte mich zu Leah, die aufmerksam zugehört hatte, mich nun aber belustigt angrinste und eine Augenbraue hob. Als ich ein Blick auf Damian riskierte, bemerkte ich, wie er uns beobachtete - oder eher gesagt Leah.

"Aria? Was sagst du?", fragte Dad mich abwartend.

"Um ehrlich zu sein -"

"Findet sie es toll", unterbrach mich Leah. Hä? Was sollte das?

Ich wollte gerade widersprechen, da klatschte Dad erfreut in die Hände und auch Sally sah etwas erleichtert aus. "Gut, dann werd ich mal deine Koffer hochtragen, Damian", verkündete Dad und Sally meinte, sie würde jetzt irgendwas zu Essen bestellen.

Nachdem die beiden verschwanden, stand auch Leah auf. "Ich werd jetzt auch gehen."

"Was, wieso?", fragte ich. Sie konnte mich doch nicht alleine mit dem sitzen lassen!

"Mum wollte noch mit mir reden, du weißt schon, wegen meinem unmöglichen Verhalten." Sie zwinkerte mir zu und stolzierte zur Haustür.

Die Tür fiel ins Schloss und ich fragte mich, ob ich jetzt einfach gehen sollte, als Damian brummte:

"Der Kaffeefleck ist übrigens nicht rausgegangen."

Die Hoffnung, er habe den Vorfall gestern vergessen und er würde sich nicht mehr an mich erinnern, zerplatzte und erneut stieg mir die Röte ins Gesicht.

"Du kannst mir dein Shirt gleich geben, dann kann ich es, ähm, in die Waschma-" Mir fiel ein, dass die Waschmaschine ja noch gar nicht angeschlossen wurde. "Dann kann ich es versuchen irgendwie rauszubekommen?"

"Naja, ich hab's weggeschmissen. Hatte dann doch keinen Sinn mehr", meinte er.

Toll, dachte ich mir. Ich hab sein T-Shirt verunstaltet.

"Sag mal, wirst du immer so schnell rot oder liegt es an mir?", fragte Damian nun mit einem Grinsen im Gesicht.

Augenblicklich schossen mir die Kommentare von Mira, Mike und dessen 'Gang' durch den Kopf, die sie mir, wann immer es ging, an den Kopf warfen.

"Ohh, seht mal, da ist ja das kleine rosa Schweinchen"  oder "Guckt mal, die sieht aus wie 'ne Tomate - rot und rund!"

Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Wohnzimmer und rannte hoch in mein Zimmer.

Our Little SecretWhere stories live. Discover now