> Part 14

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Mein erster Gedanke war: hat Mr Glint ihn wegen der gebrochenen Nase angezeigt? Hat er sich das wirklich getraut, obwohl er der Verbrecher hier war?

Damian riss Sally das Papier aus der Hand und schaute ungläubig drauf. "Dieser Ba-"

"Damian! Beleidigungen helfen dir nun auch nicht mehr", warnte Sally ihn. "Als wäre es nicht schon genug, dass du von dem Internat geflogen bist. Jetzt hast du auch noch eine Anzeige." Sie wirkte aufgebracht, während Damian nur wütend schaute. Und ich verstand kein Wort.

"Was hast du angestellt?", fragte ich daher.

"Nichts!", rief Damian schnell und wandt sich seiner Mutter zu. "Daran kann man ja jetzt auch nichts mehr ändern." Er stand auf, verließ die Küche und ließ eine verärgerte und aufgelöste Sally und ein verwirrtes Mich zurück. Den Brief nahm er mit.

***

Ich war heute nicht zur Schule gegangen. Ich wollte es, aber kurz nachdem ich den Schulhof betrat, bekam ich Panik. Was ist, wenn ich Mr Glint begegne? Was würde er tun? Und was erwartet mich heute mit Mira und Mike? Ich traute mich einfach nicht. Also verließ ich den Schulhof schnell und lief in die Stadt auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen.

Ich setzte mich in die Morgensonne auf einer einsamen, kleinen Parkbank und schaute mich um. Überall liefen Leute herum, besonders Ältere oder Erwachsene mit ihren kleinen Kindern, aber auch Jugendliche, die wahrscheinlich auch schwänzten.

Schwänzen. Früher hätte ich nie daran gedacht zu schwänzen, das passte einfach nicht zu mir. Ich wollte gute Noten, damit ich später auch ein gutes Leben haben würde. Das hatte meine Mum mir immer eingetrichtert und sie hatte Recht. Aber bis jetzt sehe ich nichts von dem guten Leben. Gute Noten - ja. Gutes Leben - Fehlanzeige.

Ein rothaariges Mädchen in meinem Alter lief hastig den Gehweg entlang, wobei irgendwas aus ihrer Tasche fiel. Sie schien es nicht zu bemerkten, denn sie lief weiter.

"Hey!" Ich stand auf und rief ihr nach. "Du hast was verloren!"

Aber sie hörte mich nicht. Also ging ich zu dem Etwas, was sie verloren hatte. Es war ein Buch, wie ich feststellte. Es war in der Mitte aufgeschlagen und ich hob es auf. Als ich es näher betrachtete, stellte ich fest, dass es ein Tagebuch war, schon fast voll, aber ein paar leere, weiße Seiten waren noch unbenutzt.

"Liebes Tagebuch, heute war es soweit. Ich hab mich mit ihm getroffen! Aber es war nicht annähernd so toll, wie ich es mir vorgestellt habe. Was aber größtenteils an mir lag. Es war so peinlich! Hätte mir eigentlich klar sein sollen, dass sowas passiert - typisch ich. Aber er hatte nur darüber gelacht und gemeint, das könne doch jedem mal passieren. Das war der Zeitpunkt, an dem ich wusste: Ich mag ihn. So richtig.. aber mag er auch mich? Jedenfalls will er mich nochmal treffen. Das ist doch ein gutes Zeichen, oder? ... ", stand ich krakeliger Schrift dort geschrieben.

Schnell klappte ich das Buch zu. Das ist privat, es gehört sich nicht, in anderen Tagebüchern rum zu schnüffeln. Ich durchsuchte die ersten Seiten nach einer Adresse oder einem Namen, fand aber nichts. Was sollte ich denn jetzt damit anstellen? In den Müll werfen? Schließlich packte ich es einfach in meine Schultasche.

Danach machte ich mich auf den Weg nachhause, vielleicht war Leah ja heute auch nicht in der Schule und ich konnte sie anrufen.

Zuhause angekommen war es gerade mal viertel nach neun. Vielleicht hätte ich doch zur Schule gehen sollen, was sollte ich den zuhause machen? Ich beschloss die Küche ein wenig aufzuräumen, die Süßigkeiten ganz nach oben in den Schrank zu stellen und zu spülen, bevor ich Leah anrief.

Ich ging also in die Küche, rutschte dabei erstmal aus und landete - Gesicht voran - auf dem Boden.

"Verdammt", fluchte ich, während ich mich auf gebrochene Knochen kontrollierte.

Hinter mir ertönte ein Lachen, gefolgt von einer vertrauen Stimme und ich wünschte, ich würde in irgendwas versinken - von mir aus auch in der Pfütze, auf der ich ausgerutscht bin.

"Du bist die Einzige, die es schafft in einer kleinen Milchpfütze auszurutschen. Ist schon fast ein Talent", meinte Damian, schaute zu mir runter und dachte nicht mal daran irgendein Finger zu krümmen, um mir aufzuhelfen.

"Hab eine ganze Reihe solcher Talente", murmelte ich und rappelte mich auf. "Wenn irgendwer in diesem Haus putzen würde, hätte ich weniger gebrochene Knochen."

Ich wischte die Hände an meiner Hose trocken und ging an Damian vorbei in den Flur.

"Ich hab mit Mira gesprochen. Wir haben 'nen Plan", sagte er.

Ich sah ich abwartend an. Das ging ja schnell.

"Wir brauchen Beweise. Also schaffen wir uns Beweise. Du musst Glint nur dazubringen, dass er sich dir irgendwie nähert und-"

"Spinnst du?", blaffte ich. "Das mach ich nicht!"

Er fuhr unbeirrt weiter. "Und währenddessen holt Mira den Direktor, damit er rechtzeitig kommt und alles sieht. Hör zu, ich werde bei dir bleiben und aufpassen, dass er dir nichts antut. Aber der Direktor muss es sehen, sonst kann er nichts unternehmen, verstehst du?"

Ich starrte ihn an. Er war viel größer als ich, deswegen muss ich zu ihm aufschauen. Ich sah in sein gebräuntes Gesicht und in seine hellen blauen Augen, in denen lauter Zuversicht und Ehrgeiz lagen. "Wieso tust du das alles für mich?"

Ein Grinsen lag ihm auf den Lippen und er hob eine Augenbraue. "Ich will mir von deinem Dad nicht sagen lassen, dass ich mein Fast-Stiefschwesterherz nicht beschützt hätte. Du weißt, so als großen Bruder."

Irgendwas an der Antwort ließ mein Herz erwärmen und ich musste lachen. "Na gut, ich mach's."

"Okay, gut", sagte er und sah sogar fast zufrieden aus.

Ich nickte und ging schon zur Treppe, als ich mich nochmal umdrehte. "Ach ja. Danke, dass du Leah nichts gesagt hast. Wegen der ganzen Sache." Ich wusste nicht, warum ich das ansprach und geschweige denn, warum ich mich bedankte. Wahrscheinlich wollte ich wissen, was er dazu zu sagen hatte. Weiß der Teufel warum.

Er nickte kurz. "Apropos Leah. Wir sind ja jetzt quitt; ich hab dich halb nackt mit 'ner Zahnbürste im Mund gesehen und du mich halbnackt im Bett liegend."

Augenblicklich wurden meine Wangen heiß. Wieso musste er das auch sagen? Und wieso musste ich das alles ansprechen? Das war alles so peinlich. Damian schien zu bemerken, wie sprachlos ich war, denn er grinste breiter als breit und ging an mir vorbei, die Treppe hoch.

Idiot.

***

Am nächsten Morgen ging ich wieder zur Schule. Auf dem Weg dahin sagte weder Damian noch ich viel, aber das fand ich nicht sonderlich schlimm. In der Cafeteria saß ich wieder alleine, aber ich achtete nicht darauf, ob Mike und seine Kumpels wieder irgendwelche Kommentare abließen; ich war viel zu aufgeregt um zuzuhören. Nebenbei fragte ich mich, ob Mira Mike es erzählen würde oder sogar getan hatte (was ich aber nicht so ganz glaubte). Mira selbst war nicht da, Damian auch nicht. Ein paar Minuten später klingelte es und alle Schüler standen auf und quetschten sich durch die Türen. Ich blieb sitzen und lauschte meinem Magenknurren. Seit dem Apfel gestern Abend hab ich nichts mehr gegessen, aber das machte sich schließlich auf der Waage bezahlt. Und ich hatte seit zwei Tagen kein Fressanfall mehr gehabt. Vielleicht war das ja ein gutes Zeichen. Aber jetzt gerade machte es mich verrückt. Ich hatte Kopfschmerzen. Und ich war so aufgeregt. Meine Hände zitterten sogar ein bisschen.

Als der letzte Schüler den Saal verlassen hatte, stand ich auf und ging zu Gebäude vier. Damian wartete dort auf mich und ich merkte, dass selbst er ein wenig aufgeregt war.

"Wo ist Mira?", fragte ich, als ich bei ihm angekommen war und sah mich um.

"Schon unterwegs. Bereit?" Er sah mich an und ich atmete tief durch. Mr Glint war bereits in der Sporthalle, das hatte Damian überprüft. Und er meinte auch, dass er ganz sicher anbeißen wird und ich mir keine Sorgen machen sollte.

"Klar."

Our Little SecretOnde histórias criam vida. Descubra agora