> Part 26

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Die nächste halbe Stunde verbrachte Damian damit gegen die Tür zuhämmern. Er versuchte sogar die Tür einzutreten, aber da sie so schwer war, funktionierte auch das nicht. Keiner hörte uns.

Die Musik war durch die dicken Wände und durch die dicke Tür nur noch ein wenig zuhören, ein leises Murmeln, welches durch die Stille brach.

"Hast du dein Handy dabei?", fragte er, als er die Treppe runterkam.

Wieso hab ich nicht selber daran gedacht? Ich stand auf und gab ihm mein Handy, mit dem er wieder nachoben ging. Jedoch kam er wenige Sekunden später wieder herunter, sein Gesicht war noch genervter.

"Kein Empfang", brummte er und warf mir das Handy zu, welches ich nur knapp auffangen konnte. Idiot.

Ich seufzte, schnappte mir aus der Getränkekiste eine Cola und ließ mich wieder auf den Boden sinken. Gerade als ich zum Trinken ansetzen wollte, riss mir Damian die Flasche aus der Hand.

"Trink nur wenn's nötig ist. Hier gibt's schließlich keine Toiletten."

Ich sah zu, wie er die Flasche wieder in die Kiste schmiss und sich dann neben mir niederließ. Jetzt hatte er die Augen geschlossen und stütze seinen Kopf auf seine Hände und die Arme stützte er auf die Knien. Wütend murmelte er irgendwas vor sich hin. Ich wusste nichts, was ich hätte sagen sollen, also schwieg ich.

Nach einer weiteren halben Stunde fing ich allmählich an zu zittern. Die Kälte breitete sich langsam, aber sicher in meinem Körper aus und ich bekam überall Gänsehaut. Wieso musste ich auch so einen dünnen Pulli anziehen? Hätte ich einen meiner geliebten Kaputzenpullis angezogen, wäre mir sicherlich deutlich wärmer. Ich warf einen Seitenblick zu Damian, der immer noch in der selben Position saß wie vor einer halben Stunde. Ich fragte mich, ob er eingeschlafen war.

Neidisch starrte ich auf seinen dicken, grauen Pulli, dessen Ärmel weit hochgekrempelt waren und seine muskulösen Arme präsentierte. Mein Blick wanderte zu seinen Haaren, die nach vorne gefallen waren und ein wenig seine geschlossenen Augen verdeckten. Sie hatten ein wunderschönes Braun und man sah selbst in diesem schwachen Licht, dass sie bestimmt total weich waren. Dann fiel mein Blick auf seine große, aber auch muskulöse Hand, mit den total langen Finger, die in seinen Haaren verschwanden. Ich erinnerte mich an Justins Partyspiel zurück, wie diese Hände meinen Kopf festgehalten haben und mich nicht mehr loslassen wollten.. oder am Mittwoch auf der Couch..

"Du starrst mich an", murmelte er plötzlich in die Stille und ich schrak zusammen.

"Tu ich nicht", erwiderte ich sehr einfallsreich. Es war doch offensichtlich, dass ich ihn beobachtet habe, weil ich dachte, er schläft! Zum Glück konnte man in diesem Licht nicht sehen, wie rot ich anlief.

"Mach dir nichts vor", sagte er und ich fragte mich, was er damit wohl meinte.

Ich starrte weiterhin stur geraudeaus und versuchte mein Gezitter unter Kontrolle zubekommen. Hinzu kommt nach das immer lauter werdende Grummeln in meinem Magen und ich versuchte verzweifelt es zu unterdrücken. Doch es half alles nichts - ich zitterte immer mehr vor Kälte und mein Magenknurren wurde mit der Zeit auch immer lauter.

Irgendwann bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie Damian in seiner schwarzen Jeans wühlte und mir schließlich ein Müsliriegel reichte.

"Nein, danke", erwiderte ich.

"Du hast Hunger - also iss was."

"Ich habe keinen Hunger", sagte ich und wusste selber, dass ich mich wie ein kleines Kind benahm.

"Und ich bin in Wahrheit George Clooney", sagte er und drückte mir trotzdem den Müsliriegel in die Hand. Erst nach einer Weile überwand ich mich den Müslirügel aufzureißen, aber nur weil mich mein Magenknurren unheimlich nervte. Ich teilte ihn schließlich in zwei Stücke und reichte einen davon Damian.

So saßen wir da also - nebeneinander hockend, auf einem kalten Steinboden und einen zweigeteilten Müsliriegel in dem schwachen Kellerlicht, während immer noch leise Musik durch die Wände drang. Es musste weit nach Mitternacht sein, als ich den Mut zusammen nahm und fragte, was mich schon seit langem interessierte.

"Was ist eigentlich passiert? Auf dem Internat, meine ich", fragte ich leise. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass Damian mal sagte "er hätte es darauf angelegt". Aber daraus wurde ich auch nicht schlau.

"Was meinst du?", fragte er, aber ich wusste, dass er wusste, wovon ich sprach.

"Naja, du bist vom Internat geflogen. Und hast eine Anzeige. Und da hab ich mich halt gefragt - ehm, wieso." Ich vermied den Blick zu ihm, da ich vermutete, dass er irgendwas Genervtes antworten oder die Frage sogar ignorieren würde. Und meine Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, denn es enstand eine große Pause, in der weder er was sagte, noch ich. Bestimmt hatte ich ihn mit der Frage verärgert.

Doch dann sagte er: "Ich hab mich geprügelt. Sehr heftig. Der Typ meinte, mein - einen Kumpel beleidigen zu müssen. Naja und hinterher hatte dieser Hu - Typ dann eine gebrochene Rippe - oder ein gebrochenes Handgelenk, keine Ahnung - und ist zur Schulleitung gerannt." Er zuckte die Schultern, als ob das nichts wäre, aber ich konnte seinen verbissenen Gesichtsausdruck sehen.

"Dann ist er also nicht ganz unschuldig", sagte ich, in dem Versuch ihn vielleicht ein wenig aufmuntern zu können, wieso auch immer.

"Du scheinst die Einzige zusein, die das so sieht", meinte er und lachte erbittert auf.

Dann sagte lange keiner etwas und ich lauschte der leisen Musik. Ich fragte mich, wann die letzten Leute wohl gingen und dachte lieber nicht daran, was für ein Chaos sie hinterlassen würden. Ob wir hier rechtzeitig herauskommen und alles aufräumen können, bevor Dad und Sally wieder heim kommen? Ich konnte mir schon ausmalen, was passiert, wenn nicht.

"Du zitterst", stellte er schließlich fest, woraufhin ich nur die Achseln zuckte und die Arme um mich schling. Wenn es so weiter ging, würde ich mir irgendwann noch die Zähne ausschlagen. Warum gibts hier unten auch keine Heizung?

Ich sah Damian ein wenig zögern, bevor er seinen Arm zu mir ausstreckte und mich abwartend ansah. Irriert sah ich von seinem Arm zu seinem Gesicht; ein kleines Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus.

"Komm schon her, ich beiß' auch nicht."

"E-es geht schon, danke", erwiderte ich etwas stotternd und wandt den Blick ab.

Ich hörte ihn seufzen und sah aus den Augenwickeln, wie er die Lücke zwischen uns überbrückte und sich neben mir setzte. Ich spürte seinen erstaunlich warmen Arm um mich und ich fühlte mich komischerweise sofort viel besser, auch wenn ich ein wenig erschrocken war.

"Was denkst du, wie lange wir noch hier sind? Wenn's schlecht kommt bis Sonntag, wenn Mum und Toby nachhause kommen und bis dahin bist du längst ein menschlicher Eiszapfen."

Ich sagte nichts mehr und versuchte mich zu entspannen, aber irgendwie wollte das nicht so recht klappen. Ich meine - ich lag halb in Damians Armen!  Und dann drückte er mich auch noch näher an sich, sodass mein Kopf an seiner harten Brust lag. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Hände auf seinen Rücken zulegen.

Ich konnte gar nicht sagen, wie aufgeregt ich war. Obwohl es dafür ja eigentlich gar keinen Grund gab, schließlich waren wir hier in der Kälte eingesperrt und er wollte mich bloß wärmen. Aber ich konnte nicht klar denken, mein Gehirn war vernebelt. Ich hörte nur Damians Herz leise unter meinem Ohr pochen und das half mir mich zu beruhigen, auch wenn ich noch ein wenig zitterte. Irgendwann war ich dann fast so weit, dass ich eingenickt wäre, als ich seine warme Hand an meiner kalten Wange spürte. Ich sah auf und starrte geradewegs in Damians Augen, die auf mich blickten.

"Ich muss das jetzt einfach tun", sagte er und schien eher mit sich selber zu reden, als mit mir. Und dann beugte er sich so schnell zu mir runter, dass ich nicht wusste, wie mir geschah.

Our Little SecretOnde as histórias ganham vida. Descobre agora