> Part 99

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Es kam, wie ich es erwartet hatte: Der Arzt hielt mir eine Predigt. Zwar eine sehr geduldige, freundliche, dennoch eine Predigt.

Er hatte meinen Dad über alle Möglichkeiten informiert. Eine davon war, mich in eine Klinik zu stecken. Ich war schließlich noch nicht volljährig, deshalb konnte er letztendlich entscheiden, was zu meinem Wohl war. Dann bat er mich, ihm zu erklären, wieso ich es als notwenig empfand zu Hungern. Ich zuckte nur mit den Schultern und schaute ihm nicht in die Augen. Es ging ihn schließlich nichts an. Daraufhin seufzte er und sagte: ,,Ich hoffe, du weißt jetzt, dass es gefährlich ist. Dein Körper braucht Nahrung. Kalorien. Vitamine und so weiter. Ohne diese Dinge überlebt er nicht lange. Gerade wenn man noch mitten in der Entwicklung steckt, so wie du, ist das sehr wichtig. Du hattest Glück, Aria, doch dein Körper hätte wirkliche Schäden davon tragen können. Versau dir deine Zukunft bitte nicht, okay?"

Ich nickte erneut und lächelte. Dann schüttelte er mir die Hand und ließ mich mit der Krankenschwester - Mary - alleine. Sie war gerade dabei das Bett neben meinem zu beziehen, da heute Mittag eine neue Patientin das Zimmer beziehen würde. Bis dahin war ich jedoch schon weg: Dad würde gleich kommen, um mich mit nach Hause zu nehmen.

Ich war gerade dabei mir meine Haare zu einem unordentlichen Zopf zu binden, als Mary sagte: ,,Er hatte Recht. Versau dir deine Zukunft nicht. Auf schlechte Zeiten folgen Gute."

Während sie sprach, kam sie näher bis sie direkt vor meinem Bett stand. Sie war noch sehr jung, vielleicht um die fünfundzwanzig und sehr hübsch. Doch das war nicht das, was mich einen weiteren Blick auf sie werfen ließ. Sie trug die typische Krankenschwesterkluft, doch sie hatte ihre Ärmel hochgekrempelt, da es zugegebenermaßen sehr warm hier drinnen war und so konnte ich die verblassten, dennoch gut zu sehenden Narben auf ihren Handgelenken sehen konnte.

Sie war meinem Blick gefolgt und meinte: ,,Ich weiß, wovon ich rede."

Als ich sie weiterhin leicht sprachlos anschaute, redete sie weiter. ,,Ich kenne deine Geschichte nicht und sie geht mich auch nichts an. Sicherlich hattest du deine eigenen Gründe dafür, es so weit kommen zu lassen. Aber bitte pass auf dich auf, okay?"

Ich lächelte sie an. ,,Okay." Was sollte ich auch sonst sagen?

Kurz bevor sie gehen wollte, drehte sie sich nochmal um. ,,Ah, und gestern Abend kam so ein Typ in dein Zimmer. Um die drei Mal. Aber du hast geschlafen, also sagte ich ihm, dass er dich lieber in Ruhe lassen sollte. Er war ziemlich groß, dunkelhaarig und echt gutaussehend." Sie lächelte mich an.

,,Oh. Okay. Danke fürs ... Bescheid geben."

Sie nickte und dann ging sie.

***

Zuhause erwarteten mich bereits alle, was irgendwie komisch war. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen, auch wenn es nur bei meiner ... Familie war. Sally war die Erste, die mich umarmte kaum hatte ich die Türschwelle überquert. Sie sagte irgendwas, doch ich hörte kaum zu, da ich Damian sah, der ein paar Schritte hinter ihr stand und mich anschaute. Als Sally mich losließ kam er auf mich zu und ich war erleichtert (es war schwer zuzugeben), dass er mich tatsächlich in den Arm nahm. Ich hatte ihn so vermisst und ich tat es immer noch. Schließlich war noch immer nichts gut zwischen uns, doch ich erlaubte es mir, das kurz zu vergessen und ihn einfach nur zu umarmen.

,,Gehts dir gut?", fragte er mich leise ohne mich loszulassen. Ich konnte nur nicken. Jetzt im Moment jedenfalls schon. Als ich ihn schließlich losließ, drehte ich mich sofort zu Dad und Sally um, die mich anschauten. Ich wollte mir nichts anmerken lassen und sagte lachend: ,,Schaut mich doch nicht so an. Ich lebe schließlich noch." Bis auf den halbgroßen Pflaster auf meiner Stirn ließ hatte ich keinen Schaden davongetragen. Jedenfalls keinen körperlichen.

Our Little SecretWhere stories live. Discover now