... und was machen wir Beide da überhaupt?

"Ich will es nicht", sagt mein Ich und wendet den Blick von Damian ab. Selbst ich kann hören, dass in ihrer (meiner) Stimme keinerlei Überzeugung mitschwingt.

Damian beugt sich runter und drückt seine Lippen auf die ihrer. Das ganze sieht so zärtlich aus, dass ich fast weiche Knie bekomme, wenn ich welche hätte. Ich kann mich in dem Raum nicht sehen und auch Damian und mein Ich scheinen mich nicht zu bemerken.

Dann richtet Damian sich wieder auf und sieht in das erhitzte Gesicht meines Ichs. "Bist du sicher, dass du es nicht willst?", fragt er und hebt leicht amüsiert eine Augenbraue. Scheinbar kann er sich die Antwort schon denken.

Ich kann die Rädchen in ihrem Kopf förmlich drehen sehen. "Scheiß drauf", murmelt sie und zieht Damian wieder zu sich herunter und presst ihre Lippen etwas unsicher auf seine.

Damian scheint kein bisschen überrascht zu sein und er küsst sie zurück. Und wie.

Am liebsten würde ich jetzt gehen, einfach durch die Tür herausgehen, weil das alles so.. intim ist. Aber ich kann weit und breit keine Tür sehen und ein kleines Stimmchen in meinem Kopf erinnert mich daran, dass eigentlich ich ja da stehe und mit Damian rumknutsche.

Damians Hände streichen über ihre Seiten und die Hände meines Ichs graben sich in Damians Haar. Dann erreichen sie den Punkt, an dem der Kuss sich verändert, fordender und wilder wird.

Ich will nicht zuschauen, will wo anders hinschauen, aber ich kann nirgendwo anders hinsehen. Damian streicht nun über ihre Haut unter dem Pulli, das Gleichte tat mein Ich bei ihm. Dann zieht er ihr T-Shirt aus und spätestens jetzt will ich wiklich nichts mehr sehen. Ich will mich nicht sehen, will das, was ich am Meisten an mir hasse, nicht anschauen müssen. Doch Damian scheint sich an ihrem (meinen) Körper nicht zustören, er küsst sie sogar noch intensiver. Dann drückt er seine Lippen an ihren Hals entlang bis zu ihren Schlüsselbein und kurz bevor er an ihrer Oberweite angekommen ist, zieht er sein schwarzes T-Shirt auch aus. Ich sehe, wie mein Ich ihn anstarrt, seinen Körper, seine Muskeln.

"Aria?", fragt er. "Aria!"

"Aria, wach auf!" Erschrocken schreckte ich hoch und wusste zunächst gar nicht wo ich war. Ich sah mich in dem Raum um und mir fiel die Nacht wieder ein, der Kuss mit Damian und der Streit und das ich an der Kellertür eingeschlafen sein musste. Jetzt lag ich komisch verdreht am Boden. Ich musste von der Tür abgerutscht sein.

"Aria, was ist hier los?", fragte diese Stimme wieder und es war nicht Damian. Langsam drehte ich mich zur Tür und bemerkte es jetzt, dass sie auf war. Mein Blick wanderte von den Schuhen die vor meiner Nasen waren weiter rauf, zu dem teils entsetzten, teils wütenden und teils fragenden Gesicht meines Dads. Verdammter Mist!

Schnell rappelte ich mich auf und strich über den Staub auf meiner Hose, der vom Kellerboden aufgekommen war. "Dad, was macht ihr denn schon hier?", fragte ich und hörte selbst wie krächzig meine Stimme klang. Sollte ich froh sein, dass er uns endlich gefunden hatte oder sollte ich Angst haben, weil es gleich ganz sicher Ärger geben wird?

"Die Frage ist wohl eher, was ihr hier macht? Nein, halt. Die viel wichtigere Frage ist: wieso sieht unser Haus aus wie ein Schlachthof?"

Bevor ich mich rechtfertigen oder es ihm erklären konnte, ertönte von unten aus dem Keller Damians Stimme. "Endlich! Ich dachte schon, ich würde für immer mit dieser Irren hier eingesperrt sein!"

Die Miene meines Vater wurde immer fragender, während er Damian die Treppe hochsteigen sah, der mich keines Blickes würdigte. "Jetzt mal im Ernst, was ist hier eigentlich los? Was ist passiert?"

Wieder übernahm Damian das Wort. "Ich war die ganze Nacht hier eingesperrt."

"Und was ist mit unserem Haus passiert?"

"Wir haben 'ne Party gefeiert", gab er zurück. Aha, jetzt also wieder wir.

"Du hast eine Party gefeiert! Deswegen wurden wir doch erst da eingesperrt!", erwiderte ich sauer.

Er warf mir einen kurzen, kalten Blick zu. "Hättest du diese Scheiß-Tür nicht so wenig angelehnt, wären wir da wieder rausgekommen! Und wir hätten alles aufräumen können, bevor sie nachhause gekommen wären! Aber nein, du bist einfach zu dämlich!", giftete er.

"Woher sollte ich denn bitteschön wissen, dass irgendein Vollidiot die Tür zuknallt? Schieb mir mal nicht die ganze Schuld in die Schuhe, du wolltest diese Party feiern, also trag du auch die Verantwortung für das ganze Chaos!"

"Weißt du was, mir wird das zu blöd hier mit dir!" Er wandt sich an meinen Dad. "Ich weiß nicht, wie du es mit der all die Jahre ausgehalten hast, eine Nacht ist ja schon grauenhaft."

Und ohne ein weiteres Wort trat er durch die Tür in das helle Licht des frühen Morgens.

"Hey, Damian hier geblieben! Wir haben das noch nicht geklärt", rief mein Dad ihm hinteher, aber er ignorierte ihn.

Im gleichen Moment rief ich: "Geh doch wieder dahin, wo du hergekommen bist! Du ignorantes Arschloch!"

Er öffnete die Haustür und ohne sich umzudrehen, zeigte er mir (oder auch uns) den Mittelfinger, bevor er die Haustür hinter sich zu knallte.

Mein Dad sah mich merklich verdattert über unseren Ausbruch an und zog eine Augenbraue hoch. Dann seufzte er, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: "Na, Sally wird sich freuen."

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