92-Mistelzweig

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Verwirrt werfe ich einen Blick auf mein Handy, das um halb zehn klingelt und eine unbekannte Nummer zeigt.

Wer ruft um halb zehn an meinem freien Morgen an?

Ich muss erst nach dem Mittag im Kindergarten sein, da Mrs. Jenkins einen Zahnarzttermin -bei meinem Vater- hat und ich ab da, bis in den Abend auf alle aufpassen werde. Grandpa hatte mir dies zwar erst spät gestern Abend mitgeteilt, aber gestört hat es mich nicht wirklich, da ich so mich ausgelassen von meinen beiden Freunden verabschieden konnte.

Doch wer ruft mich so früh an?

Seufzend tippe ich auf den grünen Hörer, während ich meine Eltern alleine im Wohnzimmer lasse, mich in den Flur begebe, wo ich auf der zweiten Stufe der Treppe Platz nehme, meinen Kopf an die Wand lehne, ein 'Hallo?' in den Hörer spreche.

"Honor?", kommt es fragend, von einer mir bekannten Stimme durch den Hörer, bei der ich kurz entsetzt, verwirrt und durcheinander nochmal die Nummer betrachte, ehe ich antworte: "Leo?"

Woher hat er meine Nummer?

Peinlich berührtes Lachen ertönt und ich stelle mir den Jungen vor, wie er sich verlegen am Hinterkopf kratzt, wahrscheinlich in seinem teuren Wagen hockt oder Zuhause auf einem edlen Stuhl sitzt.

'Du hast vielleicht ein Bild von dem Kerl', motzt mein Unterbewusstsein empört, mit verschränkten Armen.

"Ja, Hi", spricht er nach einer Weile Stille wieder, räuspert sich darauf.

Ich mag ihn ja, er ist schließlich nett.

Jedoch bin ich immer noch der Meinung, dass wir beide in zwei unterschiedlichen Ligen spielen, er mir irgendwie zu sehr aufs Geld achtet, wofür ich mich nie interessiert habe. Seine Interessen sind so verschieden zu meinen und seine Meinungen zu bestimmten Themen ebenfalls, dass ich glaube, wir werden uns nie wirklich über ein Thema unterhalten können.

'Gegensätze ziehen sich an', summt die Stimme in meinem Kopf, worauf ich mich wirklich frage, wieso sie heute so munter und einfach vorhanden ist.

"Hi?", bringe ich es mit zusammen gebissenen Zähnen raus, klinge nicht so freundlich und begeistert, wie ich es eigentlich vorhatte. "Wie bist du an meine Nummer gekommen?"

"Durch deinen Freund", gibt er zurück, klingt sehr unsicher, als wäre er sich nicht sicher, ob er etwas Richtiges oder Falsches getan hat. Dabei bin ich mir selber noch nicht mal im Klaren, ob ich mich jetzt freuen oder einfach auflegen soll.

"Welchen?" Schließlich habe ich zwei. "Den Blonden oder den kleinen, nervigen mit den braunen Wuschelhaaren?"

Ethan ist im Vergleich zu Nathan klein, hat wirklich braune Wuschelhaare und ich kann mir nur ihn vorstellen. Nathan würde meine Nummer nicht einfach weitergeben, ohne mich nicht zehntausend Mal zu fragen, ob ich wirklich damit einverstanden bin. Ethan denkt sich nichts dabei, macht es einfach, wenn er es für das Richtige hält.

Und alles was er tut, stuft er als richtig ein.

"Den, mit den braunen Haaren", erzählt Leo mir, bestätigt meine Gedanken damit nur.

Am liebsten würde ich jetzt einfach auflegen und Ethan anrufen, da er meine Nummer ohne Erlaubnis weitergegeben hat, jedoch möchte ich Leo auch nicht verletzen.

Wieso wollte er überhaupt meine Nummer?

"Wieso hast du ihn denn nach meiner Nummer gefragt?", erkundige ich mich, hole kurz leise tief Luft, wobei ich mir nachdenklich über meine Schläfe an der rechten Seite reibe. Mein Kopf brummt etwas, was ich auf die Aufregung wegen der letzten Probe für morgen und dann den Auftritt für Übermorgen schiebe.

Little FreaksTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang