59-Momente

3.2K 231 92
                                    

Es gibt die Momente, in denen dein ganzes Leben nochmal an dir vorbeizieht, du alle Erinnerungen wie einen Film vor deinem Auge ablaufen lässt, du die alten Gefühle und Schmerzen spürst, dein Bauch sich durch die Trauer zusammen zieht, deine Herz vor Glück zu klopfen beginnt.

Ich sehe die Tage an denen ich weinte, die Tage, welche ich unter meiner Decke verbrachte, an denen ich Angst vor der Schule und Harry hatte. Ich sehe die Nacht, in der man mich aus meinem Bett holte und mir die grauenhafteste Nachricht in meinem Leben verkündete. Stunden sehe ich, die ich eingeschlossen irgendwo verbrachte, das Grün, vor dem ich solch eine Heidenangst hatte.

Gedanken an mein ständiges Flüchten vor Harry erscheint, die Demütigungen auf dem Schulflur, meine Tränen, meine Angst.

Lange sehe ich die dunklen Tage, denke ich breche gleich in mich zusammen, weine hier vor dem Mann, dessen Hand sanft auf meinen Wangen liegt, mich an sich zieht, an seine klopfende Brust.

Doch aus der Schwärze, der Trauer wird mit einem Mal Licht, pures Glück.

Vor meinem Auge erscheinen Momente, in denen ich lachen konnte, mit Sky, Nathan und Ethan. Mein Herz beginnt zu klopfen, als ich wieder an den Tag zurückgebracht werden, an welchem Sky und ich zusammen im See baden waren, wirkliche Freunde wurden. Ich erkenne die helle, warme Sonne, Tage im Wald, wo wir uns gemeinsam versteckten, sehe ihr Lachen.

Verbleibende Fetzen von Späßen mit meinen beiden Freunden treten in Erscheinung, lautes Lachen höre ich im meinem Kopf, Witze von Ethan und lustiges Bocken von Nathan. Sie brachten mich zum Lachen, was ich nun alles wieder sehe.

Mein Herz klopft vor Glück, Freude, obwohl ich weiß, dass es dunkle Schatten gibt. Aber ich schaffe es, bei den Lichtern zu bleiben.

Irgendwann werden diese Momente durch andere ersetzt, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob sie gut oder schlecht sind.

Harry, wie ich ihn an meinem ersten Tag im Kindergarten wiedersah, er mich anmotzte und es gleich schaffte, dass meine Gedanken nur noch um ihn kreisten. Der zweite Arbeitstag und der dritte, wo ich grimmige, unfreundliche Blicke erhielt, als dumm und naiv bezeichnet wurde, er mir sagte, dass ich mich von ihm fernhalten soll. Die Stunden in welchen wir das Bad putzten, gemeinsam aufräumten oder der Abend, an dem ich ihn mit Olivia im Kindergarten fand.

Es erscheint das Bild von dem Mann, wie er abends in mein Zimmer kletterte, mich anflehte mit ihm zu kommen, worauf wir beide bei dem Grab seiner Schwester landeten. Mein Weinen auf dem Friedhof, bis zu Harrys Vertrauen zu mir, als er mir einiges erzählte. Sein Streit und die fast Prügelei mit dem Mann, der mich bedrängt hat und als er wieder anders in meinem Zimmer wurde, erneut befahl, ich solle mich von ihm fernhalten.

Harrys Auftauchen bei uns, da er die Kaffeemaschine meiner Mom reparierte, die Fragen über Nathan und dessen Sprüche, die Situation im Keller, bis hin zu dem Fest. Noch genau erinnere ich mich an die intensiven Blicke im Musikzelt, mein Tanzen mit Nathan. Wie oft ich damals versucht habe uns so zu drehen, dass ich Harry in die Augen blicken konnte, obwohl sie mich beunruhigten.

Kurz wird es schlecht, als Nathan das erste Mal bei dem Mann mit der Glatze zu haut, ich auf dem Boden lande und nur Harry die Rettung ist, da er einschreitet, Nathan beruhigt.

Das Essen mit ihm erscheint, die wunderbaren Worte meines Vaters, seine und Moms unangenehmen Fragen. Ich sehe Harry, wie er verschwindet und ich ihm aus irgendeinem Grund folge, wir beide uns auf der Straße anschreien, ehe ich auch schon bei ihm im Wohnzimmer stehe. In einem seiner Pullis.

Wie ich diese Teile liebe, wegen dem Geruch, diesem süßen Duft, der mich immer an Lavendel erinnert, doch es ist mehr der Punkt, dass ich denke, selbst wenn er tausende Meter entfernt ist, dass ich denke Harry steht direkt neben mir, sieht mich mit seinen durchdringend grünen Augen an.

Little FreaksWhere stories live. Discover now