6-Marcel

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Alleine trete ich aus dem Raum raus auf den Flur, von welchem mir sofort der Geruch von Schweiß der Schüler und lautes Schreien entgegen kommt.

Ich mag diesen Geruch nicht, da er in meiner Nase, genauso wie schon in der Turnhalle zieht, und ich ertrage dieses Gebrüll nicht, da es laut in meinen Ohren wieder hallt.

Einige Schüler laufen wild an mir vorbei, in die Richtung aus der am meisten Lautstärke kommt. Einige pfeifen, klatschen oder wissen noch nicht so recht, was sich dort abspielt, genau wie ich.

Das einzige was ich sehe, ist ein großer Menschenhaufen, der sich scheinbar um die am lautesten brüllende Gruppe gebildet hat.

Warum müssen sich die Leute immer anbrüllen, Ärger machen? Ich verstehe es nicht. Kann man nicht ruhig und gesittet miteinander leben, nett zueinander sein und jeden respektieren?

Doch dies geht an unserer Schule, wo sogar die Toiletten und Lehrer in Klassen eingeteilt sind, nicht.

Es gab schon oft Streit, Situationen in denen Schüler nachsitzen mussten oder den Schulhof fegen. Ich erinnere mich auch noch gut, als Louis und Harry von Mr. Mellark die Aufgabe bekommen haben, alle Kaugummis, die sich seit Jahren unter den Tischen und an den Wänden befinden, ab zu kratzen. Sie saßen drei Wochen, glaube ich, an dieser Arbeit. Doch daraus gelernt haben sie immer noch nicht.

Vorsichtig gehe ich dichter an die Truppe ran, werde ab und zu von anderen zur Seite gestoßen, da ihnen der Freak im Weg steht, doch als ich langsam sehen kann, was dort los ist, möchte ich am liebsten sofort wieder umdrehen.

Als erstes fällt die braune Wuschelmähne von Louis in mein Auge, dann der Junge, welcher an seinem Kragen von Louis in die Luft gehalten wird. Ein paar Freunde von Louis stehen herum und feuern ihn wild an. Jedoch finde ich Harry nicht, der sich sonst nicht weit von Louis entfernt.

"Meine Hausaufgaben waren falsch, Marcel", fängt Louis an, den kleinen Jungen, der wimmernd in der Luft baumelt, an zu keifen. Wütend zieht er die Augenbrauen zusammen, wodurch sich zwei hässliche Falten auf seiner Stirn bilden. "Kannst du mir das erklären?"

Ängstlich schüttelt Marcel seinen Kopf, schnieft und zappelt leicht mit den Beinen, da er runter möchte, was Louis aber nicht interessiert. Es scheint ihn kein bisschen zu stören, dass dieser verzweifelte Junge hilflos da baumelt und bald keine Luft mehr bekommt, da der Kragen in seinen Hals schneidet und die Luft abschnürt.

"Was soll nur aus dir werden?", fragt Louis mehr als Frage an das Publikum gewandt und schüttelt den Kopf. Einmal schnalzt er mit der Zunge, zieht seinen Griff um den Kragen noch fester, worauf Marcel die Augen zu Schlitzen macht. Er leidet, dies sehe aber nur ich, die anderen stört seine missliche Lage nicht.

"Bitte...Louis!", meldet sich der Junge jetzt das erste Mal zu Wort. "Ich wusste nicht, dass Mr. White diese Fragen stellen wird." Flehend hebt er seine Hände und faltet sie.

Am liebsten würde ich ihm helfen, auf Louis zugehen, sagen, dass es feige ist einen Jüngeren so zu behandeln und, dass er ihn runter lassen soll. Doch diese Worte kommen von mir, einem Freak und Nichts, und nicht von Alex, dem stärksten Jungen der Schule, vor dem alle Angst habe. Aber auch er würde nichts gegen Louis sagen, da er ein Teil seiner Gruppe ist, die aufmunternd hinter ihm steht.

Doch immer noch fehlt jede Spur von Harry. Vielleicht hat er sich aber auch mit Emma oder Charlotte auf ein Klo oder in eine Abstellkammer begeben.

"Louis jetzt mach schon. Ich, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit." Mein Blick gleitet zu dem Mädchen, welches neben ihrer Freundin steht und desinteressiert auf ihre roten Nägel starrt. Emma und Charlotte.

Little FreaksWhere stories live. Discover now