84-Tangas und Schlüpfer

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Vorsichtig hebt Nathan mich aus dem Auto von der Rückbank, auf der ich die gesamte Autofahrt lang mit Ethan saß, mein Kopf an seiner Schulter und die Kopfhörer in meinen Ohren.

Ich weiß, dass die beiden über mich und meinen Zustand gesprochen haben, obwohl meine Musik auf die höchste Stufe gestellt war und durchgängig lief. Nur kenne ich meine beiden besten Freunde seit vier Jahren und weiß, wann sie über was miteinander reden.

"Da wären wir", stöhnt Nathan, mich die Stufen der Veranda hoch tragend, wo sich auch schon die Haustür öffnet, meine Eltern zu uns eilen.

Mein Vater nimmt mich behutsam an sich, hält mich fest, wobei ich meinen Kopf an seine Brust drücke, mich wieder sicher und geliebt fühle.

Er trägt mich ins Wohnzimmer, Mom, Nathan und Ethan hinter uns. Langsam setzt er meinen Körper auf die Couch, auf der meine Mutter dann gleich neben mir Platz nimmt, seufzend meinen Kopf an ihre Schulter zieht, zärtlich über meinen Kopf streicht.

"Wir schaffen das", murmelt sie zuversichtlich, ruhig. "Gemeinsam, als Familie!"

Die warme Umarmung erwidere ich, versuche meinen schwachen Körper mehr zu ihr zu drehen, die Liebe zurückzugeben, welche sie mir schenkt.

"Es tut mir alles so leid, Mom." Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten, schluchze in ihre Bluse.

Meine Eltern müssen so viel meinetwegen durchmachen, gleichzeitig ihr eigenes Leben meistern und ich habe mich nie bei ihnen richtig bedankt -so fühlt es sich zumindest gerade an. Habe ich jemals danke gesagt, für ihre Geduld mit mir, ihr Verständnis und ihre Liebe? Nie habe ich erkannt, dass es nichts selbstverständliches sein muss, von jemandem geliebt zu werden.

Nicht jeder liebt dich, doch meine Eltern tun es, seit meiner Geburt, obwohl ich davor schon für Probleme gesorgt habe.

"Schon gut, Honor, schon gut", beruhigt die Frau mich, streicht dabei weiterhin über meinen Kopf. "Alles wird wieder normal."

"Und wenn nicht?", entgegne ich sofort. "Mom, was wenn ich meinen normalen Zustand vor zwei Tagen im Wald verloren habe?"

Immer noch nicht begreife ich ganz, sehe, erkenne was Harry alles mit sich genommen hat, als er mich einfach verließ, ruinierte.

"Wir werden sehen was die Zeit uns bringt", antwortet sie, schluchzt nun auch. "Aber du bist so stark, dass nichts dich runter bringen wird! Und du wirst nie alleine sein."

Schweigend nicke ich, bin ihr dankbar für die Worte und Liebe, Nathan, Ethan und Dad dafür, dass sie in diesem Moment ruhig waren, nur zusahen. Trotzdem frage ich mich, ob jemals alles wieder so werden kann, wie meine Mutter es beschreibt, wie mein Vater es sich sicherlich erhofft.

Ich bin nicht mehr die kleine Honor, auch wenn ich mich so verhalte, ständig wie damals weine. Etwas hat sich geändert, setzte irgendetwas in mir frei, das nun mehr und mehr ausbricht.

Es ist der ganz einfache Wunsch, hier wegzukommen, endlich auf meinen eigenen Beinen stehen zu können, sosehr ich die Hilfe, das Dach meiner Eltern auch liebe. Ich muss raus aus Corby, weg von diesem Ort, aufhören darüber nachdenken zu können, wie viele Meter er sich wohl von mir entfernt befindet und was er gerade macht.

In meinen Albträumen verfolgt er mich, da brauche ich ihn nicht auch noch tagsüber.

Albträume, schlechte Vorstellungen, in denen er mich anbrüllt, auslacht oder ich plötzlich, wie aus dem Nichts durch Emma ersetzt werde, der er so oft, ehrlich sagt, wie sehr er sie liebt. Die beiden liegen auf der Wiese vor dem See, kuscheln gemeinsam in meinem oder Harrys Bett, auf seiner Couch. Lachend kümmern Harry und Emma sich um Olivia, die die rothaarige Frau liebt. Olivias Mutter hört auf sie, hat sich Hilfe gesucht. Alles in meinen Träumen erinnert mich an alte Zeiten, wirkt gleichzeitig jedoch anders, besser.

Little FreaksWhere stories live. Discover now