10-andere Gedanken

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Langsam laufe ich die Treppe runter, bereite mich schon seelisch auf das vor, was jetzt kommen wird. Tief hole ich Luft, bleibe aber im Türrahmen stehen, als ich die Leute sehe, die an unserem Tisch sitzen und mit meinen Eltern essen.

Obwohl, mir fällt nur eine einzige Person auf.

Sie sitzen alle da, essen und unterhalten sich angeregt, doch er befindet sich richtig im Gespräch und dies nur, da er uns so lange nicht gesehen hat. "Sie könnte bei uns arbeiten. Natürlich nur wenn sie will, versteht sich", höre ich ihn und verfolge, wie er eine Handbewegung macht, sich darauf das nächste Stück Kuchen in den Mund schiebt.

"Ich weiß nicht", beginnt Mom. Ihr Blick gleitet zu Dad. Bezweiflung und Skepsis liegen in diesem sanften Blick, doch Dad nickt ihr aufmunternd zu. "Eure Tochter ist alt genug!"

Irgendwie... Ich will nicht, dass sie sich streiten, was sie wegen so einem kleinen, harmlosen Thema schaffen können. Denn Mom und Dad, haben andere Ansichten, als andere Leute. Meistens. Aber auch erst, seitdem ich vor vier Jahren den Unfall hatte. Und dieser Unfall änderte wirklich alles.

Mein Selbstbewusstsein veränderte sich drastisch. Ich lasse mir jetzt nicht mehr so viel vorschreiben und naja... Ich habe mich einfach geändert. Zu einem besseren Menschen. Einem selbstbewussteren, aufgeschlosseneren Menschen. Hoffe ich...

"Fragt sie doch einfach." Mein Kopf schwenkt zu Grandma, die mir lächelnd zuwinkt, dass ich näher kommen soll. Alle Augen liegen auf mir, was mich hart schlucken lässt, als ich in den Raum trete und mich neben der neue Person auf den Stuhl fallen lasse.

"Keine Umarmung für deinen Grandpa, kleine Ruby?"

Kurz verdrehe ich die Augen. "Klein bin ich nicht mehr!" Dann drehe ich mich zu ihm und schlinge liebevoll meine Arme um seinen Hals. "Du wirst immer meine kleine Enkelin bleiben", flüstert Grandpa mir trotzdem leise ins Ohr.

Lange verharren wir in dieser Position, in der ich seinen Geruch aufnehme, der nach Desinfektionsmittel und Garten riecht. Lange lasse ich meine Nase in seinem grauen Oberteil, das nach dem frischen Waschpulver und Rosen riecht, hängen. Und die alles nur, da die Anwesenheit von meinem Grandpa mich immer beruhigt hat. Mich immer beruhigt.

"Also. Ich habe im Angebot. Sechs Wochen Kindergarten, süße Kinder, die alle nur auf meine Enkelin warten, eine heiße Köchin, die die besten Gerichte kocht und sich meine Frau nennen darf. Dazu kommen ein paar Erzieherinnen, die ihr Lieblingskind wiedersehen wollen." Grandpa lacht kurz auf, sieht mich dann fragend an. "Wie klingt das?"

Wie klingt das? Sechs Wochen, die wirklich meine gesamten Ferien sind, in einem Kindergarten verbringen, der schon immer zu einem meiner Lieblingsorte gehörte, aber voller Kinder ist. Kinder, die alle laut sein können, Unfug machen und Sachen schneller kaputt bekommen, als man Veni, Vedi, Vici sagen kann. Erzieherinnen, welche sich immer mit einem kleinen, schüchternen, trotzdem anstrengenden Kind namens Honor abgequält haben.

"Klingt gut", antworte ich nach einer Weile. "Aber", beginne ich, worauf Grandpa eine Braue hebt, mich abwartend ansieht und dabei die Luft anhält. Denkt er, dass ich viel Geld bekommen will? Oder absagen?

"Könnte ich, also wenn ich schon in meinen Ferien arbeite, vielleicht ein oder zwei Tage auch mal frei machen? Die Jungs wollen für mindestens ein paar Tage hier her kommen und ich würde diese gerne mit ihnen verbringen."

Zwei Jungs, die mir wirklich so sehr geholfen haben. Neu an einer Schule, schüchtern und nicht gerade redewillig, kamen plötzlich zwei Jungs auf mich zu, der eine verdonnert von der Schulleitung, der andere von seinem Freund zum Begleiten gezwungen. Die ersten Worte waren nicht so das Wahre, aber gehören mit zu den schönsten.

Little FreaksWhere stories live. Discover now