53-Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit

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Minuten vergehen wie Stunden. Fünfzig Minuten fühle sich für mich an, wie fünfzig Stunden, in denen ich auf die Kinder ungeduldig aufpasse, Brote verteile, Milch eingieße, mich fast mit Marmelade bekleckere und Rückenschmerzen spüre, da ich auf einen der kleineren Stühle sitze, um den jüngeren zu helfen, deren Finger ganz verschmiert sind.

"Willy, hör bitte auf zu Schmatzen", flehe ich den Jungen neben mir stöhnend an, da er nun zum keine Ahnung wievielten Mal in diesen Stunden mir ins Ohr schmatz, dabei summt und darauf wieder etwas Brot in den Mund schiebt. Diese Geräusche des Schließen und Öffnen des Mundes hören sich so eklig in meinem Kopf an, der dazu schmerzt.

Ich will raus!

Ich weiß nicht wieso oder warum ausgerechnet jetzt, aber mein Körper sendet mir eindeutige Signale, dass er raus an die Luft will, ich die Strahlen der Sonne auf meiner vergleichsweise blasen Haut spüren möchte, die warme Sommerluft in mich aufnehmen und einfach mal meine Ruhe haben.

Kein Gekreische, Gestreite um das letzte Stück Brot, keine runterfallenden Becher oder Messer, die klirrend auf den Boden fallen, kein Quietschen der Stühle, wie Nägel auf einer Tafel. Und vor allem, kein widerwärtiges Schmatzen an meinem Ohr.

Gestresst massiere ich mir meine Schläfen, seufze erschöpft und lehne mich nach vorne, um meinen angespannten Rücken etwas zu dehnen, dem der harte Holzstuhl nicht gut bekommt. Sehnsüchtig blicke ich durch das Fenster nach draußen auf den Spielplatz, in die blühende Natur, die von der hellen, orangen Sonne bestrahlt wird.

"Entschuldigung, Honor", kommt es von dem Jungen, der verlegen nun auf seinen Teller blickt, auf dem das halbe, angebissene Brot liegt. Seine Hände faltet er auf seinen Schoss, wobei sein Kopf eingezogen nach unten gerichtet ist.

Sofort fühle ich nicht mehr die Sehnsucht nach draußen zu kommen, sondern Schmerz, da ich so unfreundlich zu ihm war, nur weil ich solch eine schlechte Laune habe.

Mir selbst kann ich nicht erklären, wieso ich mit einem Mal so handele, mich nicht beherrschen kann, sondern die Sekunden mitzähle, anstatt ordentlich meine Arbeit zu machen, nett zu den Kindern zu sein.

Willy hat doch rein gar nichts damit zu tun, dass mein Kopf und Körper raus wollen, an die Luft und gerade nicht in diesem Raum hocken wollen, Geräusche und Gerüche wahrnehmen müssen, die draußen nicht existieren.

"Ich muss mich entschuldigen, nicht du", beruhige ich ihn, wobei ich sanft über seinen Kopf streichle, ihn entschuldigenden ansehe, als er seinen Kopf mit den kurzen, braunen Haaren hebt, mich seine kindlich braunen Augen anblicken, etwas strahlen, was mir sagt, versichert, dass er mir verzeiht.

"Schon o.k. Meine Mama meckert auch immer, wenn ich Schmatze", erzählt er mit einem kleinen Grinsen, wobei er sich schon wieder etwas Brot mit Käse in den Mund schiebt.

"Es klingt aber auch wirklich nicht schön", meine ich, worauf ich ein zustimmendes Nicken von Freddie erhalte, der zugehört haben muss. Eifrig nickt er mit seinen kleinen Kopf vor und zurück, bevor er sich an seiner Milch verschluckt, die er im Mund hatte. Lächelnd klopfe ich sanft auf seine Rücken, während er hustet, bis alles wieder in Ordnung ist.

"Geht es?", frage ich ihn aber zur Sicherheit trotzdem, schaue ihn etwas besorgt an, da eine Träne seine Wange runter kullert. Diese wische ich schnell weg, bekomme ein Nicken von ihm und dazu ein kleines Lächeln, das ich warmherzig erwidere.

"Mmmh."

Danach kümmere ich mich weiter um die anderen, rette Olivia vor einem Fall vom Stuhl, säubere die Tische und helfe allen beim Zähneputzen, bis ich auf dem Teppich mit Isla und Ava sitze, die schon wieder Frozen spielen wollen. Immer bin ich entweder dieser eine komische Typ, von dem ich jedes Mal den Namen vergesse, oder -was viel wahrscheinlicher ist- Olaf der Schneemann.

Little FreaksOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz