51-Date

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"Bis wann musst du heute arbeiten", fragt Harry mich nach einer Weile, in der ich ihm einfach träumend dabei beobachtet habe, wie er an einem Roller rumbastelt. Die Ironie des Schicksals wollte es wahrscheinlich so.

"Wahrscheinlich bis um fünf. Also wie immer", antworte ich, wobei mein Kopf sich schwer auf meiner Hand anfühlt, deren Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt ist. Unauffällig verfolge ich, wie Harry den Schraubenzieher in der Hand hält, sich seine Muskeln anspannen, wenn er das Gerät dreht und wie ihm immer wieder die Haare ins Gesicht fallen.

"Du solltest dir einen Zopf oder so machen", sage ich schmunzelnd, stelle mir gerade den Mann vor, wie er mit zwei geflochtenen Zöpfen vor mir steht, wie es einige der kleinen Mädchen haben. Es sieht allein in der Vorstellung so lustig aus.

"Sehe ich aus, wie einer dieser alten Männer, die meterlanges Haar haben?", erkundigt er sich, wobei er seine Augenbrauen etwas zusammenzieht, als würde ihn meine Frage nerven. Doch auf seinen Lippen befindet sich ein Lächeln und seine Augen strahlen, was das Gegenteil bedeutet.

"Also", beginne ich, richte mich vom Stuhl auf. Langsam gehe ich auf ihn zu, weshalb er aufhört an dem Kinderfahrzeug zu schrauben, den Schraubenzieher auf den Tisch legt und mich abwartend musternd ansieht. "Die Ähnlichkeit ist vorhanden. Vor allem mit deinen grauen langen Haaren", lache ich, wobei meine Hand schnell und neckend durch seine Locken wuschelt, die dadurch nur noch mehr in alle Richtungen verteilt sind.

"Werde jetzt nicht frech", mahnt er mich und greift schnell nach meiner Hand, mit der ich wieder durch seine weichen Haare wuscheln wollte. Sie sind so weich, lockig und fühlen sich richtig gut an, dass man den ganzen Tag mit seinen Fingern durch die einzelnen Strähnen gehen möchte.

Mit einem Ruck zieht er an meinem Handgelenk, da ich mich wehren wollte, wodurch ich stolpere, gegen seine Brust falle. Gerade noch so schafft er es, mich vor einem Sturz zu fangen, hält mich fest und befindet sich nur noch Zentimeter von mir entfernt.

Wiedermal geht meine Atmung viel zu hektisch und stockend, überwältigt blinzele ich, schaue geschockt zu ihm auf, während mein Herz mir aus dem Brustkorb, direkt gegen Harrys Brust springen möchte.

Sanft befindet sich seine Hand um mein Handgelenk und die andere an meinem Rücken, weshalb ich gerade stehen kann. Sein heißer Atem prallt auf mein Gesicht und sein Geruch setzt sich in meine Nase.

Viel zu oft, befinden wir uns so nah, dass ich keine Ahnung mehr habe, was ich tun soll.

Mir kommt es so vor, als wäre der Raum in den paar Minuten viel kleiner geworden, die Luft stickiger und die Atmosphäre zwischen uns, hat sich so plötzlich einfach geändert. Von unbeschwert und lachend, zu ernst und unbekannt.

Ich weiß wirklich nicht was ich jetzt tun soll, oder was ich von Harry erwarten kann, habe keine Ahnung, wie ich handeln könnte, was man überhaupt in so einer Situation machen könnte.

"Wann hast du denn heute Schluss?", traue ich mich ihn zu fragen, worauf er sich verlegen räuspert, einen Schritt von mir weg tretet und sich vollkommen löst.

Irgendwie denke ich nun, dass ich etwas anders hätte machen sollen, als ihn zu fragen, wann er Schluss hat. Und genau deshalb fühle ich mich so dumm, schuldig und blicke beschämt von Harry weg, der mir antwortet: "Um halb sechs."

"Achso", murmele ich leise, fummele mit meinen Fingerspitzen an dem Bund meines blau-weiß gestreiften Shirts.

Ich hab es echt versaut. Keine Ahnung was genau, aber nun schweigen wir beide so bedrückend, reden kein Wort miteinander und der Druck in meiner Brust schmerzt unerbittlich, da mein Körper mir natürlich klar machen muss, wie sehr ich es gerade verbockt habe.

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