44-Honor Princess

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Traurig sehe ich in die blauen Augen, welche von lila Flecken umrahmt werden, mustere nochmal Nathans geschwollene Nase, mit der er gestern viel Glück hatte -laut der Sanitäterin, die sich unsere Verletzungen genauer ansah.

"Noch ein Schlag und sie wäre eindeutig gebrochen", meinte sie mit einem ernsten Gesicht, wobei sie schon das Pflaster auf Nathans Nasenrücken drückte, was ihn auf zischen ließ.

Seufzend fällt mein Blick zu der Uhr, hier am Bahnhof, die viertel nach fünf anzeigt. Ich will nicht, dass er geht. Mit Vorsicht ziehe ich ihn an mich heran, worauf er seine Tasche auf den Boden sacken lässt, schlinge meine Arme um meinen Hals und umarme ihn. Auch wenn ich weiß, dass es etwas schmerzt, möchte ich ihm mit dieser Umarmung einfach meine freundschaftliche Liebe zu ihm zeigen.

"Du wirst mir fehlen", nuschele ich in seine Halsbeuge, fahre mit meinen Fingern durch die blonden Haare, welche er heute früh lustlos gekämmt hat. Nicht mal etwas Haarspray wollte er rein machen, worauf ich ihn neckend fragte, ob er krank sei.

"Mir tut nur alles weh und ich will dich am liebsten in meinen Koffer stecken", hatte er mir geantwortet, ehe wir uns zum ersten -aber nicht letzten- Mal an diesem Tag umarmt haben.

Sanft streicht er mit seinen Händen über meinen Rücken, die gestern noch viel schlimmer aussahen, als heute. Gestern Abend, als er und ich auf dem Sofa saßen, nachdem jeder schnell duschen war, erhaschte ich immer wieder einen Blick auf seine roten, aufgeschürften Knöchel. Mir drehte sich jedes Mal der Magen um, bei dem schmerzhaften Anblick.

"Du wirst mir auch fehlen", ertönt es dann von ihm. Langsam löst er sich tritt einen Schritt zurück und ich weiß, höre es, dass sein Zug hinter mir langsam in den alten Bahnhof von Corby fährt. Das Verlangen hier bleiben zu können, funkt in seinen Augen auf, während das rote Transportmittel langsam neben uns zum Stehen kommt.

"Wer weiß, ob deine Mom dich überhaupt nochmal zu mir lässt", versuche ich etwas diese betrübte Stimmung auf zu heitern, finde aber persönlich, dass ich gescheitert bin. Nathan kann das besser als ich.

Er schafft es in wenigen Sekunden, dich zum Lachen zu bringen, sorgt für ein großes, breites, zufriedenes Grinsen auf deinen Lippen. Wie oft musste ich schon wegen ihm die Hände vor meinen Mund schlagen, um nicht laut im Unterricht los zu lachen?

Zu oft auf jeden Fall, aber jedes Mal liebe ich.

Außer vielleicht, wenn er darüber redet, dass unsere Physiklehrerin schon wieder ihren BH vergessen hat und er verrückte Ideen aufbringt, wieso dies nun so ist. "Sie besitzt nur einen und den hat ihr kranker Mann jetzt an seine Brust gepresst", war mal einer seiner sehr krankhaften Witze. Oder er sagte mal: "Wer weiß, was die Lehrer wieder im Lehrerzimmer getrieben haben."

Ein Lächeln bildet sich auf seinen Lippen. Ein kleines, feines, sanftes Lächeln, das er versucht zu halten. Immer noch verspürt er Schmerzen im Gesicht, bei einer einzigen Emotion.

"Du redest gerade von deiner Mom", entgegnet er mir.

"Ich würde mich nicht so prügeln." Ich schmunzele neckisch, da er derjenige von uns beiden ist, dem man ganz schön eine verpasst hat.

"Auch egal", winkt er dann ab, feixt. "Aber ich hab dem doch ganz schön fertig gemacht, diesen Regenwurm. Oder?"

"Natürlich!", versichere ich ihm, drehe darauf meinen Kopf nach links, wo sich die Zugtüren öffnen und mir immer mehr klar wird, dass Nathan wirklich wieder nach Leeds zurückfährt.

"Du wirst mir wirklich fehlen." Erneut umarme ich ihn, schniefe leicht, wenn ich daran denke, wie lange es nun wahrscheinlich dauern wird, bis ich wieder mit ihm durch die Gegend ziehen kann, wir einfach lachen werden und dies nicht nur durch einen Computerbildschirm, Kilometer voneinander entfernt.

Little FreaksWhere stories live. Discover now