32-Fehler

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Schweigend sehe ich zu Harry, schaue zu ihm und warte, dass er mir antwortet, bis er sich mit einem Mal umdreht, mir den Rücken zu kehrt und verzweifelt mit seiner Hand durch die braunen Locken fährt.

"Es war ein verdammter Fehler, dich hier her zu bringen", zischt er, bevor er mit einem Mal nach meiner Hand greift, mich grob mit sich zieht, weg von dem Grab.

Mein Handgelenk schmerzt, an dem er mich stark hinter sich her schleift, offensichtlich zurück will. Zappelnd versuche ich mich von ihm los zu reißen, zu zeigen, dass ich endlich Antworten will, weil das der Grund ist, wieso ich mit ihm mitgegangen bin.

Antworten auf all meine Fragen brauche ich endlich, da ich sonst vielleicht erneut an Harry zu Grunde gehen werde, immer wieder seine Worte in meinem Kopf höre und stundenlang über diese nachdenke.

Wegen Harry habe ich Kopfschmerzen, tausende wirre Gedanken und schlaflose Nächte.

Er zieht mich hektisch durch einen der Büsche, bei dem mir kleine Äste ins Gesicht schlagen, Tränen sich in meinen Augen bilden und ich kleine Kratzer auf meinem Gesicht spüre, die etwas brennen, als die erste Träne über die verwundete Haut läuft.

Wieso muss er so etwas tun?

Wieso muss er erst mitten in der Nacht in mein Zimmer kommen, mich dann zu etwas bringen, dass ich sonst niemals getan hätte und dann auf diesen düsteren, dunklen und unheimlichen Friedhof bringen?

Wieso tut er das, frage ich mich und denke mir dazu, dass er die Zeit von früher nicht bereut, wenn er mir weiterhin weh tun kann.

"Harry", rufe ich, damit er stehen bleibt. Doch er bleibt nicht stehen, läuft unbeirrt weiter, wobei er mich immer noch mit sich zieht. Unbeholfen stolpere ich fast immer, kann mich gerade noch so auf den Beinen halten, doch spüre den Schmerz von der schwindenden Kraft.

Es ist viel zu spät, dass der Mann mich einfach so grob durch die Nacht ziehen kann.

"Bleib stehen", flehe ich, ziehe an seiner Hand, um ihn zu stoppen, aber er bleibt nicht stehen. Weiter zieht er schmerzhaft an meinem Handgelenk, achtet nicht auf mich, als wir erneut durch ein Gebüsch laufen, bei denen Dornen an meinen Beinen stechen und die Haut aufkratzen.

Ich hätte ihm nicht in Schlafhose folgen sollen.

Ich hätte ihm allgemein nicht folgen sollen, sondern in meinem warmen Bett bleiben, anstatt jetzt hier draußen in der Kälte, einer kurzen Hose und seinem Pulli zu frieren. Einiges in meinem Leben hätte ich doch besser machen können.

"Harry, bitte bleibt stehen", rufe ich aus voller Kehle, zerre erneut vehement an seinem Arm, worauf er kurz stoppt, ich gegen seine Brust knalle, da er sich umdreht, mich abwartend ansieht. Keine Emotion kann ich erkennen, wie vor ein paar Minuten noch, als er die Gravur des Steines lass. Die pure Leere starrt zurück, was mir einen Schauer über den Rücken laufen lässt.

"Ich bring dich nach Hause", erklärt er grimmig. "Und danach lässt du mich in Ruhe, gehst mir nicht mehr auf die Nerven und wirst mir keine Fragen mehr stellen!"

Gerade will ich antworten, sagen, dass ich ihn nicht verstehe, da er wollte, dass ich mit ihm mitkomme, als er mich auch schon wieder am Handgelenk fest zieht und weitergeht.

Wir laufen erneut über Äste, bei denen ich fast stolpere, durch Büsche, bei denen Blätter und Rinde der Bäume in mein Gesicht peitschen. Der Wind weht um meine Ohren, weshalb ich mein Gesicht in dem Pullover verstecke, den Lavendelgeruch erneut rieche.

Immer weiter, gröber und schneller zieht er mich über den Friedhof, achtet scheinbar gar nicht auf mich, während wir immer weiter laufen, zurück in Richtung Ausgang.

Little FreaksWhere stories live. Discover now