26-Einbrecher

3.5K 222 30
                                    

Müde im Bett liegend, starre ich an meine dunkle Decke, erinnere mich zurück, wie ich von meiner Mutter empfangen wurde, nur weil ich meine Jacke vergessen hatte und dadurch die Sache mit Harry raus fand. Und Olivia!

Mit einem Kochlöffel stand sie bedrohlich, die Beine hüftbreit auseinander da, Hände in die Hüfte gestemmt und ein finsterer Blick. Die Schürze konnte ihren sauren Blick und die grantige Ausstrahlung nicht retten, weicher wirken lassen.

Sie schrie mich an, wo ich gewesen bin, was mir einfällt so spät nach Hause zu kommen und wofür ich überhaupt ein Handy besitze, wenn ich es nur in den falschen Momenten nutze. Ich verstehe sie ja -ein Bisschen, jedoch muss sie mich nicht so anschreien und weiterhin bin ich kein Kleinkind mehr.

In vielleicht zwei oder drei Monaten bin ich achtzehn, volljährig und trotzdem brüllt meine Mutter so, als wäre ihr sechzehnjähriger Teenager betrunken durch die Haustür gestolpert.

Aber ich war nicht betrunken, nur total überfordert mit allem, was Harry betrifft.

Wieso ist er einfach abgehauen, ohne auf meine Frage zu antworten, stand auf und nahm sich Olivia? Ich verstehe ihn nicht. Wieso bat er Grandpa nicht um Hilfe? Harry ist ein Hausmeister und keine qualifizierte Erzieherin! Wieso muss er so grimmig sein, dann kurz alles knapp erzählen, ehe er wieder gehässig über mich lacht? Wieso, frage ich mich die ganze Zeit, seit dem Heimweg, seit ich ihn das erste Mal wieder sah, und ich bekomme einfach keine Antwort.

Nicht von meiner Mutter, die nun wahrscheinlich unten sitzt, mit meinem Vater diskutiert oder eine ihrer Zeitungen liest, nicht von meinem Vater, der heute von einem Kind gebissen wurde, nicht von Grandpa, Grandma, meiner Decke, die mich nicht mal entschuldigend ansieht und schon gar nicht von Harry.

Ich könnte ausflippen, würde so gerne meine Kissen wutentbrannt durch mein Zimmer werfen, irgendwas treffen, mich kreischend in meinem Bett wälzen, zappeln bis meine Decke auf dem Boden landet.

Vor vier Jahren wollte ich jeden Tag weinen, in meine Kissen schluchzen, mich verstecken -wegen Harry. Und heute?

Unbedingt brauche ich Antworten, doch weiß nicht, wie ich diese bekommen soll, ob er überhaupt nun noch mit mir reden wird. Ich weiß es schließlich, weshalb ich denke, dass er nun einen großen Bogen um mich rum gehen wird, kein Wort mehr mit mir wechselt, sofern er dies nicht dringend muss.

Stundenlang denke ich über seine Worte nach, seine Art, sein Handeln, seinen Blick, Ausdruck in den Augen, Stimmlage, Körperhaltung, Atmung. Ich denke einfach über alles an ihm nach, suche nach einem versteckten Hinweis.

Und ich komme mir so dumm, krank dabei vor.

Wieso sollte er mir einen Hinweis mit seiner Körperhaltung geben? Vor allem mir? Wieso? Wieso denke ich über so etwas nach.

Er hat es nun endgültig geschafft, ohne große Mühe. Innerhalb von vier Tagen, stelle ich mir nicht nur Fragen zu Harry, grübele endlos lange über ihn nach, sondern verstehe mich selbst nicht mehr, überlege wieso ich so denke, mich so darum kümmere.

Eine Antwort finde ich nicht, weshalb ich mich seufzend ruhig in meinem Bett auf die Seite lege, so, dass das Mondlicht, welches durch meine Vorhänge scheint, sanft auf mein Gesicht strahlt, ich durch die kleinen Löcher des Stoffes blicke, nach mehr als nur dem Mond suche. Ich muss jedoch feststellen, dass heute ein sehr bewölkter Tag ist, da ich den Mond selbst nur schwach hinter einer Wolke hervor luken sehe.

Perfekt spiegelt das Wetter meine Seele wieder. Betrübt, dunkel, grau und verzweifelt, da mich die Fragen und Gedanken zerfleischen, egal wie sehr Harry meint, dass ich dumm bin über ihn nachzudenken.

Little FreaksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt