22-Berge und Weißwürste

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Gerade fällt die Haustür hinter mir ins Schloss, klackt zu und ich ziehe meine Schuhe aus, als ich auch schon von meiner Mutter begrüßt werde, die zu mir in den Flur geeilt kommt. Mit ihrer Schürze um und dem Kochlöffel in der Hand, sehe ich sie erwartungsvoll an, wobei ich den Reißverschluss meiner Jacke öffne.

"Da bist du ja endlich", keucht sie. Erleichtert atmet sie aus, lässt ihre angespannte Hand, mit dem Küchengerät nach unten sinken, und entspannt ihre Schultern. Sie wirkt gereizt, was ich mir nicht erklären kann, da ich pünktlich bin.

Wir haben es gerade mal halb fünf.

Nach Arbeitsende bin ich schnell hoch in den Gruppenraum gelaufen, habe mir meinen Rucksack geschnappt, ehe ich mich auf den Weg nach Hause machte. Obwohl ich mich eventuell noch kurz umgesehen habe, ob Harry auch nach Hause muss.

Den ganzen restlichen Tag spürte ich immer dieses Verlangen, ihn einfach zu fragen, wieso ich nerve und mir endlich Antworten zu holen. Doch entweder habe ich mich dies nicht getraut, oder ich musste einem der Kinder einen Keks in die Hand drücken, vor einem Sturz retten oder einfach nur auf alle aufpassen, während Mrs. Jenkins sich einen Kaffee holte. Offensichtlich schlief sie die letzte Nacht auch nicht so gut.

"Ja", antworte ich verwirrt meiner Mutter, hänge meine Jacke in der Garderobe auf. "Aber ich bin pünktlich, Mom. Überpünktlich!"

Sie nickt, seufzt erneut, ehe sie sich die Schläfe massiert, ich eine Braue hebe und mich frage, ob alles in Ordnung ist. Sie sieht so abgehetzt aus, als wäre ihr jemand sehr auf die Nerven gegangen.

"Ist was passiert?"

"Sozusagen."

Entsetzt reiße ich die Augen auf, starre sie fassungslos so wie neugierig an. "Und was?" Ich weiß einfach nicht, was los sein soll, finde nichts, bis mir etwas auffällt. Dad ist nicht da und ich höre nicht einmal den Fernseher aus dem Wohnzimmer, was mich sofort beunruhigt.

"Mom, wo ist Dad?"

Eindringlich trete ich auf sie zu, lege meine Hände auf ihre Schulter. Wenn ihm was geschehen ist... Meine Mutter schüttelt den Kopf, was ich nun noch weniger verstehe, seufzt, ehe sie mir antwortet, dabei einen Schritt zurücktritt, sodass ich meine Hände von ihren Schultern nähme. "Deinem Vater geht es gut. Er ist nur schnell Wasser und Gewürze holen gefahren."

"Was ist dann dein Problem?", will ich wissen.

"Nathan und Ethan", stöhnt sie, bevor sie mich alleine im Flur zurücklässt.

Eilig laufe ich ihr nach in die Küche, wo sie in der Suppe rührt, ihre Hände an der Schürze abwischt und dann damit beginnt den Tisch zu decken, auf dem ein neuer großer Blumenstrauß steht, den sie scheinbar aus ihrem Laden mitgebracht haben muss.

Sie stellt die Teller und Gläser auf den Tisch, legt dazu ordentlich Löffel. Dann dreht sie sich zu mir, lächelt sanft und erklärt: "Deine beiden Freunde haben bestimmt schon sechs Mal hier angerufen und meinten: du möchtest doch bitte endlich mit ihnen skypen!"

Amüsiert, jedoch auch etwas beschämt atme ich schwer aus, kann mir schon vorstellen, was für einen Telefonterror die beiden veranstaltet haben, da ich dies auch schon öfters selber erleben durfte.

Einer der beiden ruft als erstes an und wenn man nicht abnimmt, versucht es der andere. Meistens ruft Nathan als erstes an, danach Ethan. Sollte man dann aber immer noch nicht ran gehen, sind die beiden so, dass Nathan wieder anruft und sobald er aufgelegt hat, da die Mailbox anging, ruft Ethan an. Und das führen sie solange durch, bis man genervt, mit Kopfschmerzen vom Klingeln abhebt. Was man dann erhält, sind keine Entschuldigungen sondern Ausreden.

Little FreaksWhere stories live. Discover now