57-Currywurst

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"Ja", antworte ich, räuspere mich kurz. "Also ich habe ja schon hier gewohnt, bis ich vierzehn war."

"Oh, ihr seid also umgezogen und nun wieder hierher?"

Ich nicke, muss kurz schlucken, als ich mich an die Zeit vor dem Umzug erinnere, doch schiebe es gekonnt in meinem Kopf weg.

"Genau. Mein Vater hat das Angebot bekommen, hier seine eigene Praxis zu eröffnen, weshalb wir wieder hier hergezogen sind, nachdem ich meinen Abschluss hatte", erkläre ich ihm, bevor unser Kellner mit Getränken zurückkommt und diese auf unseren Tisch stellt.

"Wissen Sie schon, was sie zu essen haben wollen?", fragt er uns.

In der Zeit, in der ich mit Leo gesprochen habe, habe ich noch keinen einzigen wirklichen Blick auf die Karte geworfen, weshalb ich nicht einmal annähernd weiß, was ich möchte.

"Ich nehme die Nummer vier", bestellt der Mann für sich. Sein Blick fällt dann zu mir. "Du solltest die Vier auch essen, die ist einfach köstlich", empfiehlt er mir, worauf ich einverstanden nicke.

"Also zweimal die Nummer vier", wiederholt der Kellner, auf dessen Namensschild in roten, schön geschriebenen Buchstaben 'Ross' steht.

Etwas schweigen Leo und ich, nachdem der Kellner wieder gegangen ist und ich mir nun Gedanken darüber mache, was es bei der Nummer vier wohl zu essen geben wird. Ich hasse Leber, sowie Rosenkohl, finde beides einfach wirklich ekelhaft.

Von dem Tisch, an dem der kleine Junge mit seine Eltern sitzt, hört man eine hohe, weinende Stimme quengeln und als ich mich umdrehe, muss ich mit ansehen, wie dem Jungen die Gabel mit etwas komisch, glibberigen drauf vor die Nase gehalten wird, weshalb er seine Lippen fest zusammen presst, angewidert den Kopf schüttelt.

Seine Eltern sind schon ganz rot, da ich nicht die einzige bin, die sich zu ihnen umdreht, beobachtet, wie sie ihren, das Restaurant vollkreischenden Sohn versuchen dazu zu zwingen leise zu sein und gleichzeitig endlich mit den Essen zu beginnen.

Aber ich kann ihn voll und ganz verstehen, denn das auf der Gabel sieht nicht sehr genüsslich aus.

"Weißt du denn schon, als was du später einmal arbeiten möchtest?"

Über die Frage von Leo denke ich angestrengt nach, so wie gestern Abend. Ich habe wirklich keinen Plan, was ich aus meinem Leben machen soll, doch das möchte ich auch nicht so zu geben. Ein Job irgendwo im Büro wäre nichts für mich. Stundenlanges sitzen, schreiben und nachdenken kann ich nicht.

"Nicht wirklich, nein. Und was ist mit dir?"

"Mein Vater besitzt ein Ingenieursbüro, wo ich später anfangen könnte", beantwortet er meine Frage, mit einem stolzen Lächeln. "Irgendwann werde ich das dann auch übernehmen."

Es wäre eindeutig nichts für mich. Aber wenn es ihm Spaß macht und er das möchte, dann freue ich mich für ihn. Und er sieht dabei wirklich glücklich aus, was ich auch gerne bei meiner Antwort wäre, wenn ich denn eine sinnvolle hätte.

Doch ich weiß nicht, womit ich später mal mein Geld verdienen soll.

Seufzend murmele ich kurz, dass ich mich für ihn freue und das doch super klingt, bevor ich meinen Blick auf meine in meinem Schoss zusammen gefalteten Hände lege, an denen ich sogar einen Ring trage, der leicht schimmert.

Vielleicht habe ich mir zu viel Mühe gegeben, aber irgendwie fühle ich mich gerade nicht mehr so wohl. Oder es ist die Tatsache, dass Leo und ich doch etwas verschieden sind.

Er fährt mit einem Mercedes, den er zum Geburtstag einfach so bekommen hat. Ich besitze nicht mal mehr ein Auto, geschweige denn eines dieser super Fahrräder.

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