"Wieso?", nuschele ich mehr für mich selbst, sehe aber auf den Hinterkopf des Mannes.

Es tut weh, dass er sich immer so ändert, mich so verletzt. Erst nur mit Worten und nun auch mit seinem Handeln, indem er so roh mit mir umgeht, ich ihm kaum hinter komme, immer wieder gleich fallen könnte.

Ich weiß nicht, ob der heutige Abend mehr schmerzt, als die Zeit früher, da ich wirklich irgendwo in mir gehofft habe, dass er sich geändert hat, wir uns besser verstehen könnten, aber scheinbar bin ich wirklich zu naiv und dumm, dass ich so etwas von ihm dachte, erwartet habe.

Harry scheint mit seinen Beschreibungen für mich scheinbar vollkommen Recht zu haben.

Dumm und naiv, mehr scheine ich nicht zu sein.

"Bitte bleib stehen", flehe ich schluchzend, als ich langsam das Tor in der Dunkelheit erkennen kann, Harry noch mehr an Tempo zu legt und verzweifelt sich wieder durch Haare fährt. "Harry, bitte!"

Tränen fließen öfters über meine Wangen und mein Körper möchte zittern, sich ausruhen, was ich aber verhindere, da ich weiterlaufen muss, sonst fallen würde. Meine Beine schmerzen von den Dornen, dem Laufen und der eisigen Kälte. Ich fühle mich so klein, verletzt, allein und unbedeutend.

"Es war ein verfickter Fehler", höre ich Harry murmeln, der weiter wie versessen auf das Tor zu läuft.

Mit einem Mal spüre ich einen Widerstand an meinem Bein, bleibe in einen Ast hängen, worauf ich stoppe, jedoch Harry mich weiter zieht, wodurch ich ins Schwanken gerate, kreischen auf den harten Boden falle und dort aufgelöst sitzen bleibe.

Meine Arme lege ich um meinen zitternden Körper, lasse die Tränen laufen und die Schluchzer meine Kehle hoch klettern, bis sie meinen Hals verlassen. Die schmerzenden Beine tuen weh, ebenso die Füße und mein Hintern, auf dem ich gelandet bin. An mir klebt ekliger Dreck.

Weinend schaue ich mit verschwommenem Blick auf zu Harry, der vor mir steht, in irgendeiner Art und Weise auf mich herabsieht, die schon wieder ein trauriges Gefühl zeigt. Nach einer Weile, in der ich weinend auf dem Boden sitze, auf zu ihm sehe und irgendwas von ihm erwarte, dass mich beruhigt, kniet er sich vor mir hin, greift nach meiner Hand.

"Ich bring dich nach Hause", erklärt er mir, will mir hoch helfen, worauf ich stur den Kopf schüttele.

"Nein!", motze ich, verschränke meine Arme, damit er mich nicht auf die Beine ziehen kann. "Du machst nichts", gebe ich ihm zu verstehen, füge dann hinzu: "Bis, du mir ein paar Fragen beantwortet hast, Harry!"

"Honor, nein!", kontert er sofort.

Ich bleibe weiterhin sitzen, weine und bocke ihn mit meinem wütenden Blick an.

Er hat mir so weh getan, mir bewiesen, dass ich ihm nicht vertrauen hätte dürfen, nun wahrscheinlich viel Ärger Zuhause bekommen werde, da ich dreckig bin, mitten in der Nacht mit einem Jungen aus meinem Fenster geklettert bin, dazu total aufgelöst und verheult bin. Meine Mutter wird toben, wenn sie das sieht, erfährt, dass ich einfach gegangen bin.

Vielleicht wäre es gut nach Hause zu gehen, aber ich habe Angst vor dem Ärger, den ich bekommen werde, nur weil ich so dumm war und Harry vertraut habe, dachte ich würde wirklich Antworten auf diese quälenden Fragen bekommen.

Doch ich habe mich in ihm getäuscht.

Was wenn er nur sein Plan war, dass ich ihm folge, mit ihm auf einen alten, dunklen Friedhof gehe, er das Grab des Mädchens nur ausnutzt, um mein Mitleid zu gewinnen, ehe er mich so fertig machen kann?

Er muss doch innerlich lachen, wenn er mich so verheult vor sich hat, nur weil er plötzlich seine Meinung ändert und ich dies nicht will.

Aber es ist nicht nur das. Die Art, wie er mich hinter sich herzog, mein Gelenk drückte und keine Rücksicht nahm verletze mich tief im Herzen. Wie viel Angst hatte ich seit dem ersten Tag auf der Arbeit, dass Harry mir erneut solche Schmerzen zufügen würde, bangte jeden Tag?

Little FreaksWhere stories live. Discover now