Inbetween

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Was hatte er getan? Was hatte er getan...letzten Endes war es egal. Es war alles zu spät. Irgendwie hatte er doch gewusst, dass er das Glück das er sich erarbeiten wollte nicht von Dauer sein sollte. Kiranas Blick war besorgt, wie konnte er auch nicht. Sie sagte nichts, als er die Schuhe und das Hemd noch vor der Wohnungstür auszog.

Kirana schaltete das Licht an, doch zu ihrer Verwunderung ging ihr Mann nichts ins Bad, er ging in den kleinen hellen Raum, in dem sie den Familienschrein hatte. Nie hatte sie ihn in den zehn Jahren dort gesehen, es sei denn ein hoher Feiertag wollte mit Prija gefeiert werden. Rahul betete nie. Bis auf das eine Mal in Akshardam. Ihr lag eine Frage auf den Lippen, aber sie verstummte, als sie es sah.

Rahuls Hände zitterten als er die Räucherstäbchen entzündete und es wagte Ganesha und Lakshmi ins Gesicht zu sehen. Lakshmi. Die Glücksgöttin. Hatte sie ihn verlassen? Oder war sie nie bei ihm gewesen, außer als sie ihm seine Frau geschickt hatte? Ganesha...so ausgeglichen, dass er gar auf einer Maus reiten konnte. Alles was Rahul bis jetzt gelernt hatte, war dass er sein Schicksal akzeptieren sollte. Musste. Sonst hatte er keine Wahl. Wieder einmal wünschte er sich Sadhi würde noch leben. Schweigend faltete er die Hände. Vergebung. Er brauchte Vergebung. Für all das, was geschehen war. Er wollte Befreiung für all die Seelen. Für Sadhi, für Krish, für seine Mutter, sogar seinen Vater. Denn er würde ihnen vergeben. Er wollte all die Liebe seiner Ma und seinem Pa zurückschicken, die sie ihm in den kurzen Jahren gegeben hatten, die er mit ihnen hatte. Verdammt, er wollte vor allem, dass sein kleiner, hilfloser Bruder Frieden fand. Immer noch konnte er nicht glauben, dass es sein Blut war, dass auf seiner Hose verschmiert war.

Rhuksar kam mit Chai aus der Küche, sie war hundemüde, aber sie hatte mit Kirana wache gehalten, so lange, wie ihr Schwager gebraucht hatte um herzukommen. Sie würde die beiden nie im Stich lassen. "Was tut er?" flüsterte sie fast tonlos, als sie ihrer großen Schwester den Tee in die Hand drückte. "Er...betet. Ich weiß nicht wo Krish oder wo ihre Mutter ist." "Ich denke er hat es für schlauer gehalten, sie erstmal nicht mitzunehmen. Sieh dir mal seine Kleidung an...ich glaube er hat Krish offensichtlich richtig krass geprügelt." "Befürchte ich auch. Es kann auch sein, dass er im Krankenhaus ist und Nandini bei ihm." Rhuksar musterte ihren Schwager. Sie hatte ihn noch nie beten gesehen. Nicht mal als seine beste Freundin gestorben war. Als er sich erhob sah er nur Kira an. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf. Irgendwas war hier komplett falsch. Absolut falsch. Sie musterte ihn. Sein Blut war es nicht, bis auf das in seinem Gesicht, dass angetrocknet war. "Ich wäre dankbar wenn ihr mich heute in Ruhe lassen könntet. Ich muss noch einiges für eine Präsenation vorbereiten." das war alles was er sagte und sich abwandte. Kirana hielt ihre Schwester zurück. "Wenn er sowas sagt, dann solltest du darauf hören, das weißt du doch." "Aber ich mache mir solche Sorgen." "Denkst du ich nicht?" Also ließen sie ihn ziehen.

Rahul stand unter der kalten Dusche und versuchte sich den Schmutz wegzuwaschen. Aber es fühlte sich an als wäre seine Seele ein Sumpf. Es war ein absoluter Witz, dass der Pyjama den er jetzt trug weiß war. Lustig. Seufzend setzte er sich an seinen Laptop und begann das Skript für den Vortrag bei den Chinesen aufzusetzen, der in zwei Monaten anstand. Seine Geschäfte liefen so gut, wie sein Privatleben beschissen lief. Unglaublich. "Ra-" "RAUS!! VERSCHWINDE!!" seine Stimme ließ den Raum erzittern und es entsetzte ihn eine Minute, dass er jetzt wohl klang wie sein eigener beschissener Vater. Als er sich umdrehte stand eine Kirana vor ihm, die keinen Zentimeter zurückgewichen war. Sie sah wie seine Schultern sich hoben und senkten, wie sein Puls schneller pumpte als er sollte. Sie schenkte ihm ein Lächeln. Es passierte nie, dass er ausfällig wurde oder laut. Es war der Situation geschuldet. "Komm zu mir wenn du soweit bist. Egal wann." sie tat keinen Schritt auf ihn zu aber er wusste, in solchen Momenten genau, für was er seine sogenannte Familie aufgegeben hatte. "Entschuldige. Mach ich. Danke." "Nicht dafür."

Aber sein Kopf wollte nicht mehr funktionieren. Er starrte in die Nacht, bis er sich Stunden später entschloss zu Kirana ins Schlafzimmer zu gehen. Sie schlief natürlich. Leise setzte er sich auf den Polstersessel ins Eck und ließ den Kopf gegen die Lehne sinken. Wartete, bis die schwarze Nacht ihn gefangen hielt. Heute brauchte er mehr Selbstbeherrschung als sonst nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen. Wie zum Teufel sollte er das seinem Therapeuten erklären, wenn er nächste Woche wieder drei Termine hatte? Das würde lustig werden.

Tbc.

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