Kapitel 54

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If I was dying on my knees

You would be the one to rescue me

And if you were drowned at sea

I'd give you my lungs so you could breathe

I've got you brother

-

Kodaline -Brother


Die Wanduhr im Beratungszimmer von Dr. Lewis schritt stetig in einem regelmäßigen Takt voran. Die Zeiger würden nicht aufhören, sich zu bewegen, egal was auch passierte. Denn die Zeit ließ sich nicht aufhalten. Sie verging jeden Augenblick, auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst waren.

Während für einige Menschen die Zeit normal weiterlief, als hätte nichts ihre kleine, heile Welt zum Einsturz gebracht, blieb meine für wenige Augenblicke stehen.

Ich war gefangen in einem schwerelosen Raum. Nichts hatte eine Bedeutung. Die Zeit würde mich hier nicht finden. Denn an diesem Ort war ich sicher vor ihrer Beständigkeit. In diesem luftleeren Raum konnte ich atmen und doch drohte ich zu ersticken.

Denn obwohl meine Zeit stehen blieb, änderte es nichts an der gegenwärtigen Situation.

Meine Gedanken entfernten sich von dem mit Pflanzen und Auszeichnungen dekorierten Besprechungszimmer, das mir in diesem Moment zu eng erschien. Die Atmosphäre erdrückte mich.

Ich blendete das Wimmern meiner Grandma aus, die sich krampfhaft die Hände vors Gesicht gehalten hatte.

Ich ignorierte die Tränen meines Grandpas, die still über seine Wange liefen, während er meine Grandma tröstend in den Arm nahm.

Weil ich es nicht ertrug, sie so zu sehen.

Nur Ravens warme Hand, die er fest um meine geschlungen hatte, half mir, in der Realität zu bleiben. Er war meine Rettungsleine, wenn ich drohte zu ertrinken. Und obwohl ich mit meinem Körper in den hohen Fluten versunken war, half er mir, mich über Wasser zu erhalten. Damit ich atmen konnte.

Die Gespräche um mich herum erschienen mir wie durch einen Filter. Es war mehr als flüsterten sie. Wenn ich mich anstrengte und weiterhin diese verdammte Uhr anstarrte, konnte ich vielleicht überhören, was sie miteinander sprachen.

Doch ich vernahm die Worte, die Dr. Lewis sagte, obwohl ich sie nicht wahrhaben wollte.

Ich spürte das Rauschen meines Blutes, als ein Beben mich erfasste. Halt suchend klammerte ich mich an Ravens Unterarm fest und hinterließ dort tiefe Furchen, wo meine Fingernägel sich in seine Haut spießten. Ich zitterte.

Und doch hielt ich meinen Blick auf die neongelbe Wanduhr gerichtet, als könnte sie all das aufhalten.

,,Mr. und Mrs. Davis, Aza. Das, was ich Ihnen gleich sagen werde, wird für Sie schwer ertragbar sein'', begann Dr. Lewis seine Rede, während er seine Hände ineinander für alle sichtbar auf dem Tisch gefaltet hielt. Ich löste meinen Blick von der Uhr, die mich nur verhöhnte und konzentrierte mich auf seine Hände, die er nun unruhig knetete.

,,Evan hat vergangene Nacht hohes Fieber bekommen. Zudem hat er seit den frühen Morgenstunden einen starken Husten.''

Er machte eine Pause. Sein Zeigefinger trommelte unruhig auf den Tisch. Wenn man genau hinhörte, erkannte man in seiner Stimme ein leichtes Zittern. Seine innere Nervosität war förmlich greifbar und erfüllte den Raum um uns herum.

Someday we'll see each other againWhere stories live. Discover now