Kapitel 43

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Der Großteil unseres Lebens besteht aus einer Aneinanderreihung von Bildern. Sie ziehen an uns vorbei wie Städte an der Autobahn. Doch manchmal gibt es einen Moment, der uns überrascht und wir wissen, dass dieser Moment mehr ist als nur ein flüchtiges Bild und dass dieser Moment und jedes Detail daran für immer Bestand haben."

-       One Tree Hill


Raven

Mit zittrigen Händen fummelte ich meine Schlüssel aus der Hosentasche. Ich war nervös. Immerhin war es das erste Mal, dass ich ein Mädchen, das ich wirklich mochte, mit zu mir nach Hause brachte. Meine Mom hatte mir schon gestern Abend zahlreiche Nachrichten geschickt, in denen sie mich fragte, was Aza gerne aß, welchen Kuchen sie am liebsten mochte und wie sehr sie und Lilia sich freuten, sie kennenzulernen.

Ich liebte meine Mom. Wirklich. Doch jetzt in diesem Moment, als Aza und ich vor unserer Haustür standen, war ich mir nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war, Aza mitzubringen. Meine Mom konnte manchmal ein wenig stürmisch sein, besonders wenn sie aufgeregt war. Ich hoffte, dass Mom sie nicht gleich in den ersten Minuten überforderte.

Ich warf Aza einen kurzen Seitenblick zu und bemerkte, dass sie nervös auf der Unterlippe kaute. Als sie meinen Blick bemerkte, schenkte sie mir ein kleines Lächeln, was ihre Augen allerdings nicht erreichte. Stattdessen spiegelte sich in ihnen eine Spur von Angst und Unsicherheit.

Vielleicht war das ganze doch keine gute Idee gewesen. Was war, wenn sie eigentlich gar nicht hier sein wollte und es nur mir zuliebe tat? Ich hatte gestern Abend nicht daran gedacht, dass dieser Besuch alte Erinnerungen an ihre eigene Mom wieder aufwühlen könnte.

,,Aza, wir müssen das hier nicht machen, wenn du nicht willst.''

Meine Finger spielten noch immer mit dem Schlüsselbund, während ich jede Veränderung ihrer Gesichtsmuskeln genaustens beobachtete.

Denn Aza versuchte in den meisten Fällen ihre wahren Gefühle vor mir zu verbergen, doch ihre Augen verrieten sie. Sie hatte den Mund leicht geöffnet und ihre Augen strahlten Verwunderung aus. Die Augenbrauen hatte sie fragend nach oben gezogen, als ob sie über meine Aussage verwirrt wäre.

Gerade als sie zur Antwort ansetzen wollte, wurde die Tür aufgerissen und das breite Lächeln meiner Mom strahlte uns mit so einer Wärme entgegen, dass ich nicht anders konnte als ebenfalls zu lächeln.

,,Wie lange wollt ihr eigentlich noch hier draußen stehen? Wir haben euch schon vor fünf Minuten kommen sehen'', verkündete sie und deutete mit einem breiten Grinsen Richtung Küchenfenster. Ich verdrehte nur die Augen, bevor ich sie in eine herzliche Umarmung schloss. Meine Mom war deutlich kleiner als ich. Sie reichte mir gerade einmal bis zur Brust. Ihre halblangen kastanienbraunen Haare wippten immerzu hin und her, als sie sich von mir löste und sich Aza zuwandte. Ehe Aza reagieren konnte, war sie schon in einer stürmischen Umarmung gefangen.

,,Mom'', stöhnte ich auf und tippte ihr leicht auf die Schulter. ,,Bitte überfalle sie doch nicht gleich so.''

Ich wusste, dass es Aza schwerfiel, jemanden zu umarmen. Sie versteifte sich und schien nicht zu wissen, was sie mit ihren Händen machen sollte.

,,Halt die Klappe, Raven. Lass mir diesen kurzen Moment mit meiner Schwiegertochter'', erwiderte sie und drückte Aza noch fester an sich.

,,Mom, sie ist nicht...'', begann ich den Satz, wurde aber von ihr mit einer wegwerfenden Handbewegung unterbrochen, nachdem sie sich schweren Herzens von Aza gelöst hatte.

Aza schenkte meiner Mom ein zaghaftes Lächeln, ehe sie sich ihr vorstellte.

,,Hallo, Miss Silver. Ich bin Aza und ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.''

Someday we'll see each other againKde žijí příběhy. Začni objevovat