Kapitel 51

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Er war nicht hier. Enttäuscht ließ ich den Kopf sinken, nachdem ich den ganzen Zug nach seinem Gesicht abgesucht hatte. Nach dem Gespräch mit Evan hatte ich die leise Hoffnung, dass er vielleicht am Bahnhof stehen würde, so wie das letzte Mal im November. Doch das tat er nicht. Vielleicht hatte sich Evan getäuscht oder er hatte Raven missverstanden?

Oder war er schon eher gefahren, um mich am Bahnhof in Kearny abzuholen? Wahrscheinlich nicht. Woher sollte er wissen, wann ich ankommen würde? Das war wieder dein blödes Wunschdenken. Mensch Aza, reiß dich endlich zusammen.

Der Zug setzte sich zockelnd in Bewegung. Beinahe wäre ich über meine beiden Reisetaschen gestolpert, die ich mitten im Gang abgestellt hatte, wenn ich mich nicht an einen der Sitze festgehalten hätte. Alice hatte recht. Ich war eine organisatorische Katastrophe und ein Unglücksrabe dazu.

Ich verzog das Gesicht zu einer angestrengten Grimasse, als ich die gefühlt zwanzig Kilo schweren Gepäckstücke über mir in der Ablage verstaute. Das musste so ein jämmerliches Bild abgeben, stöhnte ich in Gedanken entnervt auf. Wahrscheinlich war ich wieder rot wie eine Tomate. Wer kam auch auf die dämliche Idee, die Gepäckablage zwei Meter über den Boden zu installieren? Was sollte ich da mit meiner minimalen Körpergröße bitteschön ausrichten? Zwergenweitwurf? Oder sollte ich mir eine Leiter mitbringen? Auf diese dämliche Idee konnten nur große Menschen gekommen sein.

Wäre doch nur Raven hier...

Nein. Schluss damit. Selbst ist die Frau. Das sagt man doch so, oder?

Mit einem letzten Versuch manövrierte ich meinen Rucksack auf die Gepäckfläche und klatschte mir danach stolz in die Hände. Mit der Frage, wie ich all das Gepäck wieder herunterbekam, würde ich mich später beschäftigen. Jetzt setzte ich mich erst einmal in den gemütlichen Platz direkt neben dem Fenster und stellte mir wiederholt die Frage, wie ich Raven gegenübertreten sollte.

Aber auch nachdem der Zug nach einer einstündigen Fahrt zum Stehen kam, war ich nicht schlauer geworden. Wahrscheinlich musste ich es einfach auf mich zukommen lassen.

Ich war erschöpft von den letzten Wochen. Die Müdigkeit kratzte hinter meinen Augen und es fühlte sich an, als hätte ich tagelang nicht geschlafen.

Ich erhob mich mühselig von meinem gemütlichen Sitzplatz und schaute aus dem Fenster, wo sich eine kleine Gruppe von Menschen versammelt hatte. Ob mich jemand abholen würde?

Ich schüttelte den Kopf, um den lästigen Gedanken, der sich mal wieder in meinem Gehirn eingenistet hatte, zu vertreiben. Vergiss es. Er wird nicht da sein.

Tja, da werde ich wohl die vierzig Kilo Aufgabegepäck allein diesem verdammten Hügel hinauftragen müssen. Ich stöhnte erneut innerlich auf. Allein bei dem Gedanken bekam ich schlechte Laune.

Nachdem mir freundlicher Weise ein anderer Student geholfen hatte, mein Gepäck von der Ablage herunterzuholen, quetschte ich mich vollgepackt in Richtung Ausgang. Ich trat nach draußen und sog tief die kühle Luft ein. Die Sonne blendete mich und so erkannte ich im ersten Moment nicht die zwei Personen, die nur wenige Meter weg von mir standen und mir aufgeregt zuwinkten.

Nein. Nein. Nein.

Das konnte unmöglich deren gottverdammter Ernst sein.

Ich wandte schnell meinen Blick ab und hielt mir die Hand vors Gesicht.

Die sind doch verrückt.

Schau sie bloß nicht an. Geh einfach weiter.

Gott, merkten die nicht, wie die anderen Leute schon glotzten?

Someday we'll see each other againHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin