Kapitel 8

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Die ersten Tage erkundete ich mit Alice das Universitätsgelände. Wir lernten uns in der kurzen Zeit immer besser kennen und ich wusste schon nicht mehr, wie es ohne sie war. Es fühlte sich an, als würden wir uns schon unser ganzes Leben lang kennen.

Es war Mittagszeit und ich hatte mich nach der Einschreibung in die Wahlpflichtmodule mit Alice in der Mensa verabredet. Leider studierten wir nicht dieselbe Fachrichtung, sodass ich sie nur während der Essenszeit zu Gesicht bekommen würde. Alice hatte sich wie ihre beiden Geschwister für das Jurastudium entschieden. Ich konnte sie mir richtig gut als knallharte Staatsanwältin vorstellen, wie sie die Verteidigung in Grund und Boden redete.

Während ich den Gang Richtung Mensa entlanglief, überkam mich wieder dieses Gefühl beobachtet zu werden. In den letzten Tagen war mir dies öfters passiert. Alice war der Meinung, dass ich viel zu paranoid wäre.

Aufmerksam beobachtete ich die umstehenden Personen, drehte mich mehr als nur einmal um, konnte jedoch niemanden ausmachen. Ein mulmiges Gefühl überkam mich, als ich plötzlich eine dunkle Aura hinter mir wahrnahm. Ich spürte ein Prickeln im Nacken und eine ungewöhnliche Wärme breitete sich in meinem Körper aus. Ein herber Duft strömte mir in die Nase, doch gerade als ich mich umdrehen wollte, war das Gefühl auch schon wieder verschwunden. Hinter mir war niemand.

Hatte ich mir das gerade nur eingebildet?

Wenn das so weiterging, würde Alice mich bald offiziell für verrückt erklären.

Kopfschüttelnd führte ich meinen Weg fort, blieb aber weiterhin aufmerksam. Jedem Menschen, der an mir vorbeikam, sah ich kurz in die Augen. Seit dem Unfall wurde das eine Angewohnheit von mir. Denn noch immer hielt ich Ausschau nach dem Jungen mit den leuchtend grünen Augen, der mir damals mein Leben gerettet hatte. Ich wusste selbst, dass es unwahrscheinlich war, ihn ausgerechnet hier zu finden, doch ich suchte schon so lange nach ihm. Ich wusste nicht, warum, doch jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, fühlte ich, wie eine wohltuende Wärme meinen kalten Körper einnahm.

Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, versuchte ich verzweifelt, den Jungen mit den grünen Augen ausfindig zu machen, aber ohne Erfolg. Er hatte keine Kontaktdaten hinterlassen und verschwand kurz nachdem meine Großeltern eingetroffen waren. Niemand wusste, wie sein Name war, und so musste ich meine Suche erst mal auf Eis legen. Doch ich schwor mir, dass ich ihn irgendwann finden würde.

Als ich schließlich vor der Mensa ankam, musste ich mir wieder einmal eingestehen, dass er nicht hier war. Das würde er auch nie sein, weil es solche Zufälle nun mal nicht gab. Was hatte ich auch gedacht? Die Wahrscheinlichkeit, dass er ausgerechnet hier an dieser Universität studierte, wir uns zufällig trafen und er mich überhaupt erkannte, ging gegen Null.

Ich schüttelte den Kopf und musste über meine eigenen Gedanken lachen. Ach Aza, du und deine Fantasie.

Der Fakt stimmte mich traurig und mir verging der Appetit. Ich betrat betrübt die Mensa und schaute mich nach Alice um. Diese saß freudestrahlend mit einer riesigen Portion Pasta an einem großen Tisch in der Mitte des Raumes. Als sie mich erkannte, winkte sie mir überschwänglich zu. Da ich keinen Hunger mehr hatte, ging ich schnell zu meiner Freundin und setzte mich mit einem Stöhnen auf den Platz ihr gegenüber.

,,Puh, bist du heute morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden? Deine schlechte Laune stinkt drei Meter gegen den Wind. Und warum hast du dir nichts zu essen geholt? Bist du etwa krank?''

Daraufhin klatschte sie mir ihre flache Hand gegen die Stirn, um zu fühlen, ob ich Fieber hatte. Ich strafte sie mit einem bösen Blick, da ich wusste, dass sie sich nur über mich lustig machte.

,,Alles gut, ist einfach nicht mein Tag heute. Du könntest mich ablenken, indem du mir etwas Schönes erzählst.''

,,Gut, dass du mich hast. Dann werde ich dich mal über den neusten Klatsch und Tratsch aufklären'', rief sie euphorisch und rieb sich dabei freudig die Hände. ,,Du musst wissen, auch an unserer Uni gibt es so etwas wie eine High-Society. Da unsere Schule so klein ist, hat sich wohl schnell eine kleine Elite herausgebildet. Siehst du dort drüben die Mädchenclique?''

Someday we'll see each other againOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz