G512fr (2)

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Writers Challenge: "Beginne Deine Geschichte mit jemandem, der ein Geheimnis erzählt. Beende sie mit jemandem, der lügt."

Dein Schreibstil ist gut und zieht einen gleich in die Geschichte. Für meinen Geschmack arbeitest du ein bisschen viel mit Vergleichen ("sah sie wieder aus wie ein Kind, das gerade einen ganzen Eimer Eiscreme geschenkt bekommen hatte", "Kichernd wie ein Schulmädchen", "Wie auf Knopfdruck schien Julia sich wieder zu entspannen...". Das wirkt zum Teil etwas aufgesetzt, so dass ich mich mit der Emotionalität etwas schwer tue. Bei den Dialogen würde ich dir raten, immer einen Absatz zu machen, wenn der Sprecher wechselt. Das erleichtert den Lesefluss. Dabei ist der Aufbau deiner Dialoge wirklich gut und es liest sich auch wie ein tatsächliches Gespräch.

In Bezug auf Show, don't tell zeigst du schon einiges. Verliere aber bei Einschüben wie "Aufrichtig lächelte sie Julia an, die bei ihrer Frage fast zusammenzuzucken schien." nicht die Perspektive aus den Augen. Aufrichtig könntest du weglassen, weil Luise wird sich die Art und Weise ihres eigenen Lächelns in der Regel nicht bewusst machen, da ihre Aufmerksamkeit bei Julia liegt. Das diese "fast" zusammenzuckt ist faktisch inkorrekt, denn "fast" würde ein "vorher stoppen" beinhalten, was Luise wohl nicht aufgefallen wäre. Ich würde dir hier raten, den Fokus nur auf Luises Sicht zu legen. Versuche dich ganz auf diese Situation, ein Gespräch zwischen Freundinnen, einzulassen. Einerseits ist Julia absolut verknallt, allerdings auch etwas schuldbewusst, weil sie Luise bislang nichts erzählt hat. Luise wiederum merkt ja auch schnell, dass nicht alles so großartig läuft. Sie kennen sich gut, d.h. Luise kann ihre Freundin lesen. Nehmen wir einmal den Kaffeebecher. Den könntest du sinnbildlich für die Unannehmlichkeiten einsetzen. Sprich, immer wenn eine Frage kommt, die Julia nicht gefällt, greift sie zum Becher, pustet (um über die Antwort nachzudenken oder sie hinauszuzögern). Wenn sie in ihren Augen von tollen Neuigkeiten erzählt, beugt sie sich vor. Bei negativen Fragen würde sie sich im Sessel zurück lehnen. Per se wirkt Julia sehr emotional und direkt, wobei sie das Geheimnisvolle auch gut ausspielt. Situative Verzögerung im Gesprächsfluss wäre wohl ein interessanter Bruch.

Zur Verdeutlichung hätte ich den folgenden Teil einmal lektoriert (ich will dir nicht reinpfuschen, aber ich finde, anhand von Beispielen sind manche Dinge einfacher zu zeigen):

Genüsslich leckte Julia den Milchschaum von ihrem Löffel. "Also, er heißt Jannis und ist siebenunddreißig."

Luise riss die Augen auf. "Wow! Er ist fünfzehn Jahre älter als du? Krass. Das nenn ich mal einen Altersunterschied."

Obwohl die anderen Besucher im Cafe Abstand hielten, huschte Julias Blick durch den Raum. Sie legte den Löffel zur Seite und griff nach ihrer Tasse, die sie langsam zwischen den Händen drehte.

"Und wo habt ihr euch kennengelernt?" Luise ertappte sich, wie sie sich ebenfalls verstohlen umsah.

Noch während sie ihre Kaffeetasse zurück stellte, kehre das leuchtende Strahlen auf Julias Gesicht zurück. "..."

Ich hoffe, das Beispiel kann verdeutlichen, was ich meine. Wenn du dich quasi immer auf Luises Schulter setzt und den Leser durch ihre Augen nur das sehen lässt, was Luise wahrnimmt, kann er seine eigenen Schlussfolgerungen finden und gleichzeitig werden die beiden Protagonisten lebendiger und du baust mehr Spannung auf. Am eigentlichen Dialog habe ich dabei nichts verändert, es ist nur die Aufteilung mit den Absätzen und die Fokussierung der Informationen. Hinterfrage daher deine beschreibenden Adjektive. Sind sie tatsächlich nur beschreibend oder gleichzeitig auch wertend. Ist es denn eine Wertung, die deine Protagonistin in dieser Situation auch vornehmen würde oder kann man sie weglassen?

Inhaltlich hat mir gefallen, wie du etwas eigentlich schon banales - die Geliebte, die sich einbildet den Mann zu gewinnen - aufgepeppt hast und die Art und Weise, in der du am Ende die Lüge präsentiert hast. Mein einziger Kritikpunkt dazu wäre, dass du den Teil auf knapp einer Seite präsentierst. Das hättest du ruhig mehr auskosten können, ihn noch dreister skizzieren können. Gut war, das du sein Anmachverhalten wiederholt hast, das machte ihn noch schmieriger.

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