G912oc (2)

60 8 2
                                    

Was für eine tragische Geschichte. Äußerlich gab es ein paar kleine Flüchtigkeitsfehler, aber nichts weiter Schlimmes.

Worüber ich mehr gestolpert bin, ist der Schreibstil. Er ist gehoben, fast schwülstig. Und das ist das, was mir Probleme gemacht hat. Ich habe nichts gegen eine Gehobene Ausdrucksweise, sie passt zur Geschichte, bei manchen Sätzen ist es aber zu viel des Guten.

Beispiel: „Ich kann nicht mehr, halte erdrückende Gefühl nicht mehr aus, das mir meine Schuld zuschreibt.“

Abgesehen davon, dass hier ein „das“ fehlt, finde ich es etwas umständlich formuliert. Besser hätte mir etwas in die Richtung gefallen: „… halte das erdrückende Gefühl meiner Schuld nicht mehr aus.“

Mit knapp über 1500 Wörtern ist diese Geschichte eher kurz, was nichts Schlechtes sein muss, in meinen Augen hätte ihr etwas mehr Hintergrund aber gutgetan. Wir erfahren zum Beispiel nie, wann genau die Handlung spielt. Aufgrund des lateinischen Titels sowie der lateinischen Namen hätte ich sie grob ins alte Rom verortet, was aber einen ziemlich großen Zeitraum umfasst. Daraus ergab sich für mich auch die Frage, welche Religion denn gerade vorherrscht. Befinden wir uns im römischen Reich vor Christi Geburt, so passen all die Anspielungen auf die christliche Religion nicht ins Bild, kurze Zeit danach war das Christentum auch noch nicht weit verbreitet und führte zu Verfolgung und Hinrichtungen.

Valerian sagt selbst von sich, dass er keiner bestimmten Religion angehört, verwendet mit dem Bild des Engels aber ein Motiv, das im Christentum beheimatet ist. Einen gewissen christlichen Einfluss muss er also haben.

Was die ungenaue zeitliche Einordnung ebenfalls als Problem mit sich gebracht hat, war die Verwendung von Papier. Eine schnelle Internetrecherche hat ergeben, dass Papier erst im 11. Jh. in Europa ankam und sich erst ab dem 14. Jh. von Spanien und Süditalien aus auf dem Rest des Kontinents ausbreitete. Das passt dann aber nicht mehr mit dem alten Rom zusammen. Und selbst wenn wir das außer Acht lassen, wie kommt ein zum Tode Verurteilter im Gefängnis an Papier und Tinte? Hier hätte eine genauere zeitliche Einordnung dabei geholfen, diese wichtigen Details zu klären.

Auch die Erwähnung mancher Gegenstände und Konzepte hat für mich zeitlich nicht ganz gepasst. Valerians Mutter soll zum Beispiel von „Trauerphasen“ gesprochen haben. Diese sind aber eher ein Konzept aus der moderneren Psychologie. Auch das „Küchenmesser“ fand ich etwas fehl am Platz, da ich das Gefühl habe, dass die Zuordnung von einem Messer zu bestimmten Zwecken eher eine Erfindung der Moderne ist. Einen Dolch oder ein einfaches Messer hätte ich da passender gefunden.

Da die Geschichte noch den Raum gehabt hätte, wären auch weitere Informationen zu Valerians und Arias Beziehung interessant gewesen. So hätte ich als Leserin an ihrem Schicksal noch mehr Anteil nehmen können. Was mich auch etwas verwundert hat, war die Tatsache, dass Aria sich in den Armen ihres Verlobten das Leben nimmt, obwohl sie weiß, dass die Wachen ihr folgen. Ihr muss doch klar gewesen sein, dass sie ihn damit zum Tod verdammt. Das passt nicht mit ihrer angeblichen Liebe für ihn zusammen. Läge ihr sein Wohlbefinde wirklich am Herzen, wäre sie allein geflohen oder hätte sich schnappen lassen, um ihn zu schützen.

Insgesamt ist die Geschichte gut, sie würde in meinen Augen aber sehr von einer Vertiefung der Details und Hintergründe profitieren.

Gesamtpunktzahl:  438 von 555

In der Regel kann für einen Unterpunkt bis zu 10 Punkte vergeben werden (mindestens 1!). In wenigen Fällen sind nur vorgebene Punktzahlen möglich (z.B. 0 oder 10; 0, 5, 10 oder 15)

Sprache (jeweils max. 10 Punkte bzw. max. 80 bei Rechtschreibung)

Rechtschreibung

Werden die Regeln der Deutschen Rechtschreibung eingehalten? 

Ideenzauber 2022 - KritikbüchleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt