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Dein Einstieg gefällt mir sehr gut – kaum etwas eignet sich besser, um den Leser in eine Geschichte zu ziehen, als ein gutes Geheimnis. Gleich die erste Seite hält auch, was sie verspricht. Zunächst hält man den alten Mann für eine Art Betrüger, als die Protagonistin jedoch hellhörig wird und man erfährt, dass auch sie dieses Geheimnis nicht zu kennen scheint, steigert sich die Spannung noch. Die Anspielungen über die Schattenwalde und den Schattenjäger fügen sich gut ein und wecken zusätzliche Neugierde. Man kann bisher gut folgen, auch wenn noch nichts erklärt wird. Bereits hier fällt auf, dass Du Dein Handwerk sehr gut beherrscht. Ich konnte keine Fehler oder sprachlichen Mängel finden, höchstens ganz am Anfang, in dem es vielleicht ein bisschen mit Adjektiven übertrieben wird, es hält sich jedoch im Rahmen. Insgesamt schaffst Du es durch wenige Kniffe sehr gut, die Atmosphäre in der Schenke rüberzubringen.

Ab Seite zwei sind mir ein paar Fehler ins Auge gesprungen, an mehreren Stellen das/dass, ein anderes Mal eine unpassende Konjunktion oder fehlende Leerzeichen vor dem Dreipunkt, das sind aber nur Kleinigkeiten. Noch immer ist die Geschichte sprachlich top und obwohl High Fantasy eigentlich nicht so mein Ding ist, kann ich gut folgen und mich auch gut in die Protagonistin hineinversetzen. Auch im weiteren Verlauf wird die Spannung konstant gesteigert, dadurch, dass Keara die Worte des alten Mannes nicht versteht, dann beginnt, ihm heimlich zu folgen und sich schließlich seiner Truppe anschließt.

Allgemein fand ich den Spannungsaufbau und die Atmosphäre besonders gut gelungen, gerade in der Schenke. Letzteres lässt im weiteren Verlauf, auf der Reise in den Wald, leider ein wenig nach, aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau.
Punktabzug gab es bei der Idee – nicht, weil ich sie schlecht oder schlecht umgesetzt fand, sondern schlicht deshalb, weil die Sache mit dem Portal in eine andere, gefährliche Welt nicht wirklich neu ist.
Ein wenig mehr Punkte musste ich bei den Figuren abziehen. Der alte Mann ist relativ gut gezeichnet und hat auch Wiedererkennungswert, gerade bei der Protagonistin jedoch hätte ich mir ein paar mehr Einblicke gewünscht, sie bleibt insgesamt sehr unnahbar. Ein Ziel hat sie zwar, so ganz deutlich ist es für mich aber nicht geworden. Warum will sie in den Wald? Will sie ihren Vater wiederfinden? Aber sie muss doch davon ausgehen, dass er tot ist? Dazu kommt, dass mir das Anschließen an die Truppe und der Gang in den Wald ein wenig überstürzt und unüberlegt erscheint, was sich im weiteren Verlauf ja auch bestätigt. Hier musste ich auch bei der Glaubwürdigkeit der Handlung (Spannung) ein paar Punkte abziehen, da für mich das Verhalten der Protagonistin nicht ganz nachvollziehbar war.
Die Dialoge sind gut und das Verhältnis von Dialog zu Handlung auch größtenteils passend, nur an der Stelle, als der Junge in die Geschichte einsteigt, empfinde ich den Dialog als zu lang und wenig aussagekräftig. Hier könnte man bei einer etwaigen Überarbeitung auf jeden Fall ansetzen, um die Figuren noch ein bisschen besser zu charakterisieren.

Insgesamt hat mir Deine Geschichte gut gefallen, gerade gegen Ende hätte ich mir aber doch ein bisschen mehr Erklärung gewünscht.
Wer genau ist der alte Mann und in welcher Beziehung steht er zu Keara und ihrem Vater?
Was war es, das er den Fremden eingeflüstert hat?
Warum folgen so viele ihm in die Schattenwalde, wenn es doch eine so tödliche Falle ist?
Warum hat er den Stein, warum wollte er sie dort drin umkommen lassen?
Was verspricht sich Keara davon, dem Alten zu folgen?
Insgesamt wirkt die Geschichte, als wäre sie Teil eines größeren Universums. Das passt und ist voll in Ordnung, da die Kurzgeschichte aber für sich allein stehen können sollte und auch noch genug Zeichen übrig sind, wäre ein bisschen mehr Information kein Schaden.

Gesamtpunktzahl:  464 von 545

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