G148vt (2)

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Bei dieser Geschichte handelt es sich um die spannende Erzählung eines ungewöhnlichen Mordfalls. Inhaltlich eine schöne Geschichte, die ich gern und mit Spannung gelesen habe, auch wenn sie irgendwie Fragen bei mir aufwirft. Das liegt vermutlich daran, dass die fantastischen und übernatürlichen Elemente in der Geschichte nicht erklärt werden. Danke für die Informationen im Hintergrundkapitel, sie helfen ein wenig, den Durchblick zu bekommen. Auch das letzte Kapitel birgt eine echte Überraschung, die ich so nicht erwartet habe und verleiht der ganzen Geschichte eine Kehrtwende um 180 Grad.

Aber zu erst mal ein paar Dinge zur Sprache und dem Schreibstil. Denn hier fallen mir einige Punkte auf.

Sprache:

Drei Mal das Wörtchen “schien” in den ersten neuen Zeilen stellt eine unschöne Wortwiederholung dar. Vor allem das erste “schien” kann ersatzlos gestrichen warden (“…zu beobachten schien und etwas zu sagen schien”) und auch im weiteren Verlauf zeigt sich eine Vorliebe für dieses Wörtchen “schien”. Ab und zu mal ein Synonym könnte helfen: Es wirkte, als ob… vermutlich, wahrscheinlich, …Er glaubte… oder einfach darauf vertrauen, dass Dinge so sind, wie sie sind: Das Wörtchen “schien” nimmt dem Erzählten die Aussagekraft. Scheint es nur so oder ist es so? Meistens meint der Autor nämlich dass etwas so ist wie es scheint, will aber nur ausdrücken, dass es der Protagonist nicht sicher weiß.

Achte auf die Genitiv-Endungen bei Umschreibungen wie: die Haarfarbe des wunderschönen MädchenS, das Bild des sterbenden MädchenS, im Türrahmen seines ZimmerS…

Achtung, bei Namen, die nicht auf “s,x” oder ähnliche (Zisch-)Laute enden, gibt es im Deutschen keinen Apostroph um Besitz anzuzeigen: Annas Puppe, Sacrias Mutter,  aber Felix’ Mutter und Luis’ Vater, Moritz’ Zimmer usw.

Zweimal wechselt die Zeitform vom durchgängingen Präteritum ins Präsens, einmal um eine Hoffnung wiederzugeben. Schöner wäre es, immer in einer Zeitstufe zu bleiben und auch diese Hoffnung in der Vergangenheit wiederzugeben.

“M. hoffte, dass wenn er genau das tut was das Wesen sagt… (tat…/sagte…)”

Manchmal werden sprachlich unpassende Ausdrücke gewählt: “…damit schien sich der Polizist zufrieden *zu stellen.” (zu geben)

“Über zwielichtige Wurzeln stolpern” – wie muss ich mir zwielichtige Wurzeln vorstellen? So etwas wie Mafia-Wurzeln? ;-)

“in der weit entfernten Ferne” – das ist irgendwie dreifach gemoppelt, aber die Aussage wird klar, es ist ziemlich weit weg ;-)

Ähnlich doppelt auch: “dunkle Wolken verdunkelten den Himmel”

Mitten im Höhepunkt reißt diese Formulierung ein wenig aus dem Geschehen: “Schließlich schlug der Junge volle Kanne auf den Felsen auf…” ‘Volle Kanne’ klingt an so einer dramatischen Stelle viel zu umgangsprachlich.

Stilistisch schöner fände ich statt “rutsche dann langsam runter in den See” zum Beispiel “glitt langsam in den See hinab”. (runter, raus, rauf, rüber klingt für mich in geschriebenen Geschichten immer etwas unschön und ich würde es vermeiden).

Aber all das sind Kleinigkeiten, die schnell behoben werden können.

Schreibstil:

Sehr oft wird nicht beschrieben, sondern erzählt. Das schafft Distanz zum Leser, wir bekommen die Geschichte erzählt, erleben sie aber nicht mit den Protagonisten mit, und fühlen sie daher nicht. Das ist angesichts der spannenden Handlung schade.

Ein Beispiel von vielen: “Eigentlich hatte M.fast die ganze Nacht nur so getan, als ob er schlafen würde.” Diese Art zu erzählen nennt sich “Tell”. Der Autor sagt dem Leser, was passiert.

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