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Irgendwie hat mich Deine Geschichte nicht so gefangen genommen. Ich habe lange überlegt, woran das liegen könnte. Sicher bin ich mir, dass es an folgenden Aspekten nicht liegt:

- sprachlich gehst Du weitgehend sicher mit der deutschen Sprache um; hin und wieder tauchen Schreibfehler auf, aber die Menge habe ich nicht als störend empfunden; die Wortwahl ist ausreichend differenziert; die Sätze finde ich stellenweise etwas abgehackt - in der Regel beschleunigen kurze Sätze den Erzählfluss, was aber durch die Beschreibungen ein Stück aufgehoben wird; Grammatik passt, Zeichensetzung ist völlig im Rahmen

- deutlich wird in jedem Falle, dass Du dir viele Gedanken gemacht hast über Deine Figuren. Du hast sie in meinen Augen interessant angelegt, vor allem so, dass nicht sofort klar wird, wie sie ticken - das ist in diesem Falle aber ein großer Makel, zusammen mit einem anderen Aspekte (siehe unten); alles in allem fand ich sie aber zu ähnlich und zu wenig differenziert, vor allem was ihre Emotionen und Wünsche angeht

- eine Spannungskurve ist da und gut sichtbar; da die Kapitel offen enden und Dinge geschehen, die recht merkwürdig sind, liest man weiter - irgendwann muss ja Licht ins Dunkel kommen

- die Beschreibungen sind durchweg ordentlich, stellenweise aber sehr ausufernd und teils ermüdend. Hier wäre stellenweise weniger mehr gewesen - ich hätte mehr Dialoge bevorzugt, weil über diese die Figuren eher charakterisierbar werden - über Beschreibungen gelingt das nur unzureichend

- die Grundidee finde ich recht reizvoll, mit der Setzung des Themas legst Du die Hürde aber enorm hoch an, zumindest meinem Empfinden nach - dissoziative Störungen finde ich schriftstellerisch enorm schwer umsetzen, weil eben niemand so genau weiß, wie sich das anfühlt - sie da hinein zu versetzen ist vorn vornherein, so behaupte ich, enorm erschwert. Ich glaube, dass es dem Wiedererkennungswert der Geschichte und der Figuren gut getan hätte, wenn die Charaktere unterschiedlicher, vielleicht weniger menschlich, zumindest aber auffälliger und eigenwilliger gezeichnet hätte - das vertieft die Kluft zwischen den Figuren, sorgt für Verwunderung und vielleicht auch dafür, dass man mit den Augen rollt - wenn das aber der Fall ist, bin ich involviert und verfolge das Geschehen gespannt

- Ich bin nicht sicher, aber es hätte sicher geholfen, wenn Du dich mit dem Krankheitsbild mehr befasst hättest, um dich in die Figuren mehr reinfühlen zu können - das dürfte in diesem Falle enorm schwer sein, ist aber deshalb auch so enorm wichtig: Du schilderst etwas bzw, möchtest das, was anderen Menschen schlicht verborgen bleibt und auch nicht nacherlebbar ist

- das letzte Kapitel war mir viel zu eindeutig und verabschiedet sich von den eher andeutenden und Atmosphäre bringenden Aspekten zuvor - alles ist am Ende klar, Psychologen klären auf und wir nicken ab; die Dialoge wirken statisch und fade - ich kann schlecht einschätzen, wie man in einer solchen Lage "professionell" mit Menschen spricht, die die genannte Erkrankung haben. Einfache Aufklärung, was mit dem Protagonisten ist, war mir da zu wenig.

Alles in allem empfand ich die Geschichte als durchaus gelungen - durch geschicktere Themenwahl und ausgiebigere Recherche hättest Du sicher noch Boden gut machen können. Sei mutiger und experimentiere mehr. Sprachlich ist sie schwer in Ordnung

Gesamtpunktzahl: 398 von 555


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