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Diese Geschichte habe ich mit der Faszination des Grauens gelesen. Der Titel verheißt Urlaubsidylle, aber ziemlich schnell ist es mit dieser vorbei.

Die zweiteilige Geschichte beginnt mit einer Verfolgung. Leider gelingt es nicht, die Angst der Protagonistin rüberzubringen. Sie denkt an ihren Freund, die Waldluft, dies und das – ach und übrigens, da verfolgt mich ja jemand. Wird schon nicht so gefährlich sein, diese Person. Ich kann ihr den Schauer, der ihr über den Rücken läuft leider nicht so richtig abkaufen. Ihn erst recht nicht fühlen.

Was helfen würde – ein wenig Innensicht. Gefühle. Gedanken. Kurz gesagt: ein wenig mehr „Show“, mehr Ängste, mehr Gedanken daran, was passieren könnte.

Was da ist: Beschreibungen der Handlung und Gedanken über die Umgebung.

Für mich ist es zu wenig Dramatik. Zu wenig Gedanken über den Verfolger, den sie nur riecht und hört, aber nicht sieht. Mir fehlen die Gedanken, die man sich in so einer Situation macht: Wer ist das? Ist das vielleicht nur ein harmloser Wanderer? Was wenn nicht? Soll ich rennen? Soll ich einen Stock, Stein aufheben? Vielleicht ist es der Jäger? Der Förster? Was aber, wenn nicht?

Gedanken, die ich nicht hätte in dieser Situation: Die Vögel zwitschern aber schön.

Du verstehst, was ich meine, hoffe ich. Es könnte viel mehr Spannung aufgebaut werden.

Dann kommt es zur Begegnung. Die Spannung steigt. Ein Gedanke der Protagonistin geht mir hier zu schnell: Jemand hält ihr einen Gegenstand in den Rücken und im nächsten Augenblick überlegt sie, was sie getan hat, um den Tod zu verdienen? In meinen Augen ist das ein wenig unlogisch. Der Verfolger hat nichts in der Richtung gesagt. Glaubwürdig wäre für mich eher ein Gedanke in die Richtung: Hilfe, ich tu alles was du sagst, aber tu mir nichts, ich will nicht sterben. Aber gut, wer weiß schon, wie rational man in so einer Situation denkt.

Sprachlich bewegt sich die Geschichte auf einem hohen Niveau, auch bei der Rechtschreibung und Grammatik fallen nur ein paar Flüchtigkeitsfehler auf: zwei Mal fehlen die Leerzeichen zwischen zwei Wörtchen und zwei typische Tippfehler: ausgetrockene Waldluft; Paketklebenand

Hin und wieder gibt es unnötige Wortwiederholungen, wie zum Beispiel im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels das Wörtchen „entlang“ in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen. Im vorletzten Absatz häufen sich Sätze, die mit „Doch“, „Dann“ und „Dort“ beginnen.

Die personale Erzählerstimme wirkt oft sehr sachlich, passt manchmal auch nicht so recht zum Inhalt.

Ein Beispiel: Der Täter nimmt ein Tuch, das „schon einige merkwürdige dunkle Flecken hatte“

Der Erzähler kennt die Gedanken und Taten des Täters, somit weiß er, was das für Flecken sind und der Leser kann es sich denken. So merkwürdig sind sie also nicht.

Manche Beschreibungen sind unnötig und führen dazu, dass die Handlung ausgebremst wird.

Ein Beispiel: Er (Der Sack) war ziemlich schwer. Mühsam hievte er ihn über die Bordkante. -> Mühsam hievte er den (schweren) Sack über die Bordkante.

Auch das Erzähltempo könnte man durch unterschiedlich lange und kurze Sätze ein wenig variieren.

Der Sprachstil und die gewählte Erzählform erzeugen Distanz. Der Leser bekommt eine Geschichte erzählt und genau beschrieben, was Schritt für Schritt passiert. Diese nüchterne Sachlichkeit finde ich bei so einer Geschichte ein wenig schade. Gedanken des Opfers, Gedanken des Täters zur Tat oder zum Grund, Erklärungen, Hintergründe, Stimmungen fehlen (Verzweiflung, Genugtuung, sadistische Freude).

Auch der Spannungsaufbau ist nicht das, was er sein könnte. Dem Opfer kommen wir nicht nahe, wir können nicht mitfiebern, wer sie da verfolgt, ob sie entkommt – da die Begegnung zu schnell stattfindet.

Ideenzauber 2022 - KritikbüchleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt