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Gleich beim ersten Lesen sind mir einige Fehler aufgefallen: 

-        Kasusfehler (z. B. „bei jedem Schritt“, „vor fallendem Totholz warnen“, etc.)

-        Flüchtigkeitsfehler („au“, statt „auf“, „Überfall“ statt „überall“, etc.)

-        Ein paar Rechtschreibfehler (z. B. „Esotherik“ statt „Esoterik“)

-        Kommasetzung (einfache Regel: Bei einem direkten Vergleich mit „wie“ oder „als“ darf kein Komma gesetzt werden. Wenn ein untergeordneter Nebensatz folgt (erkennbar an einem Verb), dann schon)

-        Später dann einmal das/dass: „Dabei ignorierte er das kalte Gefühl, dass sich wie ein dünner Schweißfilm langsam über seinen Rücken ausbreitete.“ (hier wäre „das“ richtig).

-        Ferner gibt es verschiedene Stellen, wo mir Probleme mit Getrennt- oder Zusammenschreibung aufgefallen sind (Regel: Wenn ein aus zwei Wörtern zusammengesetzter Begriff eine neue Bedeutung erlangt, ist es idR ein Wort und wird zusammengeschrieben, z. B. „wohlfühlen“ und nicht „wohl fühlen“).

-        Ab und zu gibt es Probleme mit Groß- und Kleinschreibung (z. B. „in Sekundenschnelle“, „zum Wachsen“, „Erbarmen“, müssen großgeschrieben werden).

 Es gibt auch ein paar Stellen, die ich stilistisch als holprig empfunden habe („durch den Wald“ und „querfeldein“ im selben Satz ist z. B. sehr unschön, außerdem der ein oder andere Bandwurmsatz, z. B.: „Doch das Schlimmste war, dass dem alten Wächter die Zweige und Wurzeln regelrecht auszuweichen schienen, während der Lehrling mit jedem Schritt stolperte oder irgendwo hängen blieb, als würde der Wald selbst ihn und seine schwere Aktentasche aufhalten wollen.“ Faustregel: Wenn man am Ende des Satzes noch einmal nachlesen muss, wie er begonnen hat, ist er zu lang. 😉 Aus einem solchen Satz könnte man besser zwei machen).

Bei der Zeichensetzung gibt es ein paar Dinge (z. B. fehlende Leerzeichen vor dem Dreipunkt, Bindestriche statt Gedankenstriche), aber nichts Großes.
Dann gibt es ein paar inhaltliche Sachen, über die ich gestolpert bin, z. B.: Erst kickt der Junge Steine gegen Fichten, dann sagt er „außer Kiefern ist hier nichts und niemand“, das zieht sich durch die Geschichte: Mal steht dort, dass überall nur Kiefern sind, einen Satz später plötzlich überall nur Fichten (ich nehme an, dort steht beides, weil es ein Nadelwald ist, aber dann müsste man das auch so schreiben).
Ein weiterer Satz, der mir aufgefallen ist, ist dieser: „Der junge Wächter folgte der Handbewegung des Alten, hoch hinauf in das Geäst der struppigen Kiefer.“ – Gemeint ist wohl eher, dass der Blick des Jungen dem des Alten folgt. 😉

Das Vogeljunge „kuschelt sich zwischen den Stoff“, auch diese Formulierung passt nicht ganz. „Zwischen“ impliziert, dass es mindestens zwei Dinge geben muss, man kann sich nicht zwischen eine Sache kuscheln. Du könntest das umgehen, indem Du z. B. „zwischen die Falten des Stoffes“ schreibst o. ä.
Irritiert war ich über den Vergleich mit dem Fußballrasen. Irgendwie hatte ich zuvor das Bild von so einem High-Fantasy-Mittelalter-Setting, einfach bedingt durch die Wortwahl, auch die der Dialoge (z. B. „Mit Verlaub, Meister“, „Unbillen“ o. ä.) und die Szenerie: Der Lehrling, der mit seinem Mentor/Meister durch den Wald streift. Der „pedantisch gestutzte Fußballrasen“ allerdings impliziert, dass wir uns in der Moderne befinden. Das hat mich stutzig werden lassen, weil es mir fehl am Platz vorkam. Später mit dem Fernsehbericht allerdings fügt sich das Bild, und dann hat es mir ganz gut gefallen – im Nachhinein finde ich, dass es ein ganz schöner Twist ist.

Etwas mehr Abzug gab es bei dem Punkt „Show don’t Tell“ (unter Emotionalität und das Einbinden verschiedener Sinneseindrücke). Das ist etwas, an dem Du noch arbeiten könntest, oftmals hast Du Empfindungen wie bspw. Ekel nur benannt, aber nicht/kaum gezeigt. Auch den Wald hätte man noch sehr viel deutlicher zeigen können (z. B. durch verschiedene Gerüche, Geräusche).
Jetzt habe ich sehr viel gemeckert, aber nur, weil wir unsere Punktabzüge gut begründen sollen. Ich hoffe, meine Anregungen helfen Dir weiter.
Insgesamt hat mir Deine Geschichte trotz der Schwächen wahnsinnig gut gefallen. Ich fand sie sehr originell, unterhaltsam, atmosphärisch und gut durchdacht.

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