G127me (2)

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Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch zu deiner Geschichte! Dafür, dass du dir kein leichtes Thema ausgesucht hast, schreibst du sehr einfühlsam darüber. Das ist nicht einfach. Aber dazu später mehr.

Der Reihe nach: Bis auf ein paar Fehler im Bereich Sprache ist deine Geschichte wirklich gut erzählt, hier und da haben sich allerdings trotzdem Unstimmigkeiten eingeschlichen, die mich vor allem anfangs oft aus dem Lesefluss gezogen haben. Ein paar Beispiele:

·        „nix“ — besser wäre „nichts“

·        du verwendest sehr oft „sollte“, zu Beginn gleich dreimal in drei aufeinanderfolgenden Sätzen, oder auch den Ausdruck „unter dem Herzen getragen“ zweimal kurz hintereinander (da war ich kurz verwirrt, weil ich dachte, das bedeutet, dass das Baby gestorben ist — mein Fehler)

·        „[…] wo eigentlich überquellende Liebe, Freude und unfassbares Glück sein sollte“ — richtig ist „sollten“ (Plural)

·        „?!?“ — das ist mir insgesamt mehrmals aufgefallen, ein Fragezeichen reicht vollkommen aus

·        „Das würde sie sich auch gerne erklären können“ — da es sich hier um einen inneren Monolog handelt, brauchst du das „auch“ nicht (sie ist ja hier die einzige Person, die sich das fragt)

·        „wenn sie ihr ein Fläschchen gab“ — ich würde hier „das Fläschchen“ oder „die Flasche“ bevorzugen

·        „Sie hatte […] sich mühsam daran erinnert, was das Protokoll war“ — da ist mir nicht ganz klar geworden, was du damit meinst: Wie sich etwas gehört? Wie die Situation abgelaufen ist?

Einige Stellen haben mir aber auch besonders gut gefallen, zum Beispiel:

„So machte man das doch, oder nicht? Man war hingerissen und völlig aus dem Häuschen, vergab Kosenamen und strahlte, als würde alles Gute der Welt genau in diesem Moment über einen hereinbrechen, ungeachtet vom ekelerregenden Krankenhaus-Desinfektionsmittel-Mief."

Allerdings kamen dann erneut Absätze, bei denen ich leider immer wieder stocken musste, etwa durch Wortwiederholungen oder den Satzbau (im Folgenden fett gedruckt):

„Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sich ihr Gedankenkarussell sich weiterdrehte: Es war einfach nicht richtig.

Wie sollte sie sonst ihrem Mann jemals wieder und die Augen treten, fragte sie sich und hörte auch schon, wie er eintrat.“

Damit endet das erste Kapitel. Bisher hat die Protagonistin noch keinen Namen, was an sich auch gut funktioniert, aber da sie später ja Ella genannt wird, frage ich mich, warum du das nicht von Anfang an tust. Stilistisch könnte ich diese Entscheidung verstehen, aber dann hättest du meiner Meinung nach trotzdem andere Synonyme für Ella benutzen müssen als immer nur „sie“, wenn du ihren Namen nicht erwähnst (zum Beispiel „die junge Mutter“, „die ausgelaugte Frau“). 

Ab dem zweiten Kapitel gibt es Dialog, der mir jedoch an den meisten Stellen etwas erzwungen und wenig realistisch vorkam („Na ja, die Formulare sagen etwas anderes. Du weißt schon, die, die ich unterschrieben habe, während sie dich in den OP gebracht haben, um Lara zu holen“). Da der innere Monolog in deiner Geschichte aber deutlich überwiegt, habe ich auch nach diesem Raster bewertet.

Im weiteren Verlauf der Geschichte benutzt du ab und zu dann doch Synonyme, was ich gut finde, manchmal hast du es dann aber doch zu gut gemeint. Über eine „Medizinerin“ stolpere ich grundsätzlich eher als über eine wiederholte Ärztin. Aber gerade zum Ende hin gefällt mir deine Geschichte immer besser. Schade, dass es am Anfang so „ruckelnd“ vorangeht.

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