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Bleiben oder Gehen

Ich ließ tatsächlich einen Schneider bescheid geben. Gerade ritt der Bote los. Nicht für Florenz, Nicht für Florenz, zumindest nicht in erster Linie.

Arin hatte mir in gewisser weiße den Startschuss erteilt. Denn er hatte gesagt, es wäre mein Zuhause. Also musste ich mich nicht zurückhalten.

Als wir zurück zum Burghof spazierten, nahm er meine Hand und zog mich näher an seine Seite. Die Sonne schien, es herrschte Leben. Anders als ich es von einer Burg unter Avans Führung vermutet hätte, war alles sauber und Lebensfroh. Der Hof von Eberhart glich einem düsteren Kerker.

"Ah, der Gemüse Wagen..." er war so überrascht, als sehe er ihn zum ersten Mal.

"Der war doch, schon vorhin hier." Ich musste dümmlich kichern als er mir einen vielsagenden Blick zu warf.

"Ich habe vorhin nicht viel auf meine Umgebung geachtet."

Wenn er so anzüglich lächelte, sah er so Jung aus wie er tatsächlich war. Manchmal machte er den Eindruck, als wäre der abgebrüteste Mann der Erde. Doch dann war er mit mir allein und ich bekam einen Einblick auf sein wahres Ich. Wenn er anzügliche Anspielungen machte, seinen Kopf verlor und um sich schlug, wenn er laut und von Herzen lachte.

Seit wir hier waren, war er so oft verschlossen und verbissen Still. Als fühlte er sich einfach nicht wohl. So als wäre die Burg der weißen Ritter, gar nicht sein Zuhause.

"An was denkst du?" murmelte er leise.

"Wie?"

"Du bist Meilen weit entfernt."

Arin hielt unter einem kleinen, schmalen, keltischen Tor, das abgelegen von dem Hof lag. Dahinter lag ein beinah magischer Bereich, mit einem Brunnen und Blumen. Die Sonne strahlte auf das kleine Fleckchen, das Wasser glitzerte während es aus einen steinernen Fischmaul schoss.

Blumen in allen Farben und jeder Art. In Holzkisten, alten Eimern und einer Kinderwiege. Es roch nach Erde und die Luft war erfrischend Kühl. Es war wunderschön.

"Es gefällt dir?" Verunsichert versuchte Arin mein Gesicht zu lesen.

"Arin... es ist Atemberaubend." Ich musste eine Hand an meinen Mund Legen, sonst währe er offen gestanden.

"Meine Mutter hatte ihn angelegt, als sie hergezogen waren. Sie mochte es, sich um die Pflanzen zu kümmern."

Mit einer Hand an meinen Rücken führte er mich in das Blumenmeer. Der Brunnen plätschert leise.

"In dieser Wiege lagen schon alle meine Brüder, einschließlich mir selbst. Unglaublich, das sie immer noch da ist."

Die Wiege war nicht größer als zwei Eimer neben einander, doch hier drinnen wuchsen mehr Blumen als wo anders. Besonders Veilchen.

"Mochte deine Mutter Veilchen?"

"Ich vermute schon. Ich kann mich erinnern, dass sie mir damals erzählte, sie würde neun Veilchen einpflanzen. Eine für jeden meiner Brüder. Wie so viele andere Blumen dazu kommen konnten ist mir auch ein Rätzel." Versonnen ließ er den Blick schweifen. "Ich war oft hier mit ihr."

"Vermisst du sie sehr?"

Arin lächelte und nickte. "Natürlich. Aber es schmerzt nicht mehr so sehr. Ich war damals eben noch sehr klein."

Eine Weile sachte er an sie, während er die vielen Blumenarten auf sich wirken ließ.

Dann setzte er sich an den Rand des Brunnen. "Schade, das sie nicht sehen kann, was aus ihrer kleinen Ecke geworden ist. Wie viele Arten es jetzt gibt. Sie wäre begeistert."

Bestimmt. Keine dieser Blumen konnten noch von ihr selbst eingepflanzt worden sein. Ob es ihn schmerzte das zu sehen? Oder war es schön zu sehen, dass ihre Leidenschaft weiter blühte?

Es fühlte sich wie eine Ehre an, das er mich hier her brachte. Arin sah au,s als wäre es seiner Mutter gerade besonders nahe, und hier brachte er mich her.

"Wer kümmert sich jetzt um die Pflanzen?"

Arin lachte und fuhr sich durchs Haar. "Taran und Ben. Sie können sich weit besser an Mutter und ihr Hobby erinnern als ich. Es war ihnen wohl ein wichtiges Anliegen es weiter zu führen."

Ben? Er war doch so viel älter als Taran und Arin. Hätte er nicht genug in der Burg zu tun?

"Ben?"

"Ben. Er vergötterte Mutter und kam zu ihr sobald er konnte. Und das war meistens hier. Als Avan ihn befahl sich um den Ort zu kümmern, sah ich ihn zum ersten Mal weinen."

"Wieso hatte er es befohlen?" Avan war einfach ein unverbesserlicher Wichtigtuer...

Arin zuckte beiläufig mit der Schulter. "Weil Ben nicht darum gebeten hatte. Und Avans damaliger Berater wollte veranlassen, den Ort anderweitig einzusetzen. Ben wäre daran wohl zerbrochen, und weil Avan davon gewusst hatte... Nun da führte eben eins zum anderen. Nachdem Avan es befohlen hatte, wurde dieser Ort zur unantastbaren Zone erklärt."

Doch nicht so ein Wichtigtuer. Ich setzte mich neben Arin, der sofort einen Arm um meine Hüfte legte.

"Er hat mir heute gesagt ich kann gehen."

"Das bedeutet wir reisen ab?"

"Könnte es..."

"Was ist mit den Leuten die dich suchen? Wegen denen er dich gesucht hat."

Eine verrückte Familie. Eindeutig. Aber was weiß ich schon? Florenz ist in gewisser weiße mein Stammbaum.

"Das hat er wohl schon geregelt. So wie ich ihm kenne, würde er mich sonst nicht einfach ziehen lassen."

Das war doch gut. Trotzdem schien Arin nicht erfreut.

"Arin? Willst du nicht gehen?"

Er seufzte. "Eigentlich will ich sofort hier weg. Aber nicht, wenn ich mich mit meinen Brüdern zerstritten habe. Das würde ich nicht schaffen..."

"Es war also kein angenehmes Gespräch?"

Arin lachte bitter. "Nicht wirklich."

"Warum hasst du es hier so sehr?"

Verbittert trat er ein Steinchen gegen einen Blumen Eimer und biss die Zähne zusammen. Sein schwarzes Haar fiel ihm in die Stirn.

"Ich bin so anders als die anderen. Ich habe noch nie das Gefühl gehabt hier her zu gehören... Sie denken es sei wegen Vater. Doch so ist es nicht." Ungehalten strich er durch sein dichtes Haar. "Seit ich mit Syman gegangen bin, fühlte es sich an als könnte ich Leben, Elain. Als wäre ich endlich ich selbst. Zu allem fähig und ungehalten."

"Warum geht das hier nicht?" Nicht das ich ihm zum Bleiben überreden wollte. Doch wenn er so darunter litt, mussten wir eine Lösung finden.

"Acht Brüder, Elain. Alle haben ihren Platz, ihr Leben. Und trotzdem. Ich bin der kleine Bruder. Der kleinste." Verärgert verzog er das Gesicht. "Ich verstehe, das sie das niemals ablegen können. Dennoch will ich nicht mein Leben lang auf einer Burg leben, wo ich immer der Kleine bin. Es hört sich dumm an, aber ich kann nicht mein Leben lang der Kleine sein."

Das würde ich sogar Wetten. Arin war ein so stolzer Mann, so stur und Willensstark. Immer acht Männern unterliegen zu müssen, einfach weil sie älter waren, musste hart für ihn sein.

"Weißt du" murmelte ich. "manchmal ist es ganz schön, einfach der Kleine zu sein."

"Wie bitte?" skeptisch hob er eine Augenbraue.

"Wärst du nicht der Kleine von Jemand, wären nicht acht große Brüder dich suchen gegangen um dich zu beschützen. Vor der Regierung. Sowas kann mir nie passieren."

Ich war kein Glückliches Einzelkind. Auf dem Hof meiner Eltern war ich immer viel allein. Arin wuchs so ganz anders auf als ich. Auch wenn es schwer ist, besonders in Arins Fall. Wenn er einsieht, was seine Brüder tun, oder zumindest warum... würde es nicht leichter werden sie zu lieben?

"Tja" er hob sanft mein Kinn an und lächelte. Das warme Funkeln seiner Augen war zurück. "Jetzt hast auch du acht Brüder und einen Ehemann. Lass mich wissen wie es dir in einem Jahr noch gefällt."

Der schwarze Ritter Where stories live. Discover now