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Der Bastard

Es war einer der wenigen Tage in meinen Leben, an denen meinen Eltern mich nachhause riefen. Seit sie mich bei meiner Tante zurückließen, kam ich nur dann zurück, wenn es offizielle Angelegenheiten verlangten.

Solange ich denken kann werde ich als Bastard bezeichnet. Meine Mutter hatte eine Affäre, ich kam zur Welt und wurde von Herzog Eberhart – den Mann meiner Mutter – fortgeschickt. Schon als Säugling wurde ich Ulrike übergeben, die selbst nie ein Kind bekommen konnte. Ulrike und ihr Mann Jacob waren wirklich gut zu mir. Ich musste immer hart arbeiten, aber es machte mir nie etwas aus. Denn wenn ich nachhause kam, hörte ich schon das laute lachen von Jacobs Männern, die an unseren Tisch aßen, ehe sie mit ihm zum nächsten Wirtshaus schlenderten.

Hier auf Colores, den Hof meiner beiden Zieheltern, lernte ich laufen, reiten, nähen und wie man Felder bestellte.

Doch das wichtigste lernte ich nebenbei. Ich lernte wie wichtig Liebe war. Die Arbeiter von Jacob beachteten selten ihre Frauen oder Kinder. Scherten sich nicht ob sie gebraucht wurden. Doch in unserem Haus spürte man das Jacob Ulrike liebte. Das erste was er tat, wenn er nachhause kam, war das er sie küsste und umarmte. Danach fiel er manchmal schlafend ins Bett oder verschwand die ganze Nacht. Doch diese kleine geringe Geste, bedeutete Ulrike die Welt.

Mit einem tiefen Seufzer, erinnerte ich mich an unseren Abschied. Sie sahen zornig aus, wie immer wenn mich Eberharts Kutsche abholte. Sie wussten, ich wurde für einige Tage verschleppt um wie eine stumme Marionette alles zu machen was meiner Mutter gefiel. Ganz besonders Ulrike fluchte am lautesten über diese Tatsache.

Ich vermisste die beiden.

Als ich aus den Fenster blickte, fiel mir auf das Eberharts Burg schon in Greifbarer Nähe gerückt war. In wenigen Augenblicken würden wir durch das Burgtor fahren und in den Innenhof der Burg gelangen.

Die Bewohner des kleinen Dorfes, waren eigentlich gestresst Unterwegs. Doch als sie die Kutsche wiedererkannten, ließen sie alles stehen und liegen und versuchten mich durch die nun zugezogenen Vorhänge zu erkennen. Wie jedes Mal, wenn ich hier ankam.

Einige neugierige schmutzige Jungs liefen ein Stück neben uns her und riefen mir nach; „Bist du nicht der Bastard aus der Burg?"

Immer wenn ich in Dorington ankam, erinnerte man mich daran, dass ich nur ein ehrenloser Beweis der Untreue meiner Mutter war. Und jeder wusste, das Eberhart mich nur immer wieder holte, um jeden vorzugaukeln, wie großzügig er doch war. Um sein fehlendes Talent als Burgherr auszugleichen - mit falscher Herzensgüte. „Seht! Den Bastard meiner Frau, und doch gewähre ich ihr Zuflucht in meiner Burg! Bin ich nicht ein Mann von Ehre?"

Lange hatte dieses Spiel funktioniert.

Nur deshalb musste ich immer wieder hier her. Weg von zuhause, von meinen Eltern und Freunden.

Als wir durch das Burgtor fuhren, mussten die Jungs wieder zurück. Ich wäre am liebsten mit weggelaufen.

„Nun steig endlich aus!" hetzte eine genervte Stimme vor der Kutsche, noch ehe wir richtig angehalten hatten.

Die Stimme gehörte Florenz, meiner eigentlichen Mutter. Sie zerrte die Kutschentür ungeduldig auf und fixierte mich mit ihren blass grünen Augen. Ihre braunen Haare waren ordentlich hochgesteckt. Ihr Kleid war mit den aufwendigsten Stickereien besetzt und sie trug ihr aufdringlichstes Parfüm. Alles in allen war sie eine schöne Frau gewesen. Leider kam ich eher nach meinem unbekannten Vater. Das betonte sie immer ganz besonders, wenn ich hier war.

Hasste sie mich deshalb so sehr? Weil ich sie an ihm erinnerte? An ihren Fehler? Oder vielleicht gar an eine verlorene Liebe?

Florenz schnalzte mit ihrer Zunge. „Wirst du endlich aussteigen oder hier verwurzeln? Wenn ich dich so ansehe bin ich mir gar nicht so sicher ob sich die Arbeit lohnen wird."

Die Arbeit. Sie meinte mein Bad, das schrubben bis meine Haut ganz rot war, das schmerzhafte Kämmen und das Korsett. Das Gott verdammte, Korsett! Nicht zu vergessen die tausend Schichten an Ölen und Cremen und Düften. „Wenn du wenigstens nach etwas aussiehst, können sie nicht verlangen, das du sprichst!"

Denn Frauen haben nicht zu sprechen. Oder sonst etwas aus eigenen Willen tun oder wollen. Gott schütze uns! Wobei, eigentlich durften Frauen sprechen, nur ich nicht. Nicht dass etwas Falsches dabei herauskommen könnte.

Bockig sah ich an mein feines braungrünes Kleid herab. Mein Haar war gekämmt, meine Nägel sauber und auch meine Schuhe waren sauber.

Unwirsch packte mich Florenz an meinen Ellenbogen und zerrte mich schlussendlich aus meiner Zornes Starre in den Innen Hof der Burg. Sie begann Befehle zu Bellen und an meinen Haaren zu ziehen, damit ihre Zofe sehen konnte, was für ein Hoffnungsloser Fall ich war.

„Wirst du endlich Schneller Laufen, Elain! Wir haben anscheinend eine Menge zu tun!"

***

Arin trank den letzten Schluck Wein aus und sah sich genauer um. Nichts in diesen Raum schien ihn wirklich zu beeindrucken. Alleine schon deshalb, weil Eberhart den Rittersaal so ausgestattet hatte, damit man beeindruckt sein musste. Teuerste Holzschnitzereien an den Tischkanten und Stuhllehnen, Goldverzierte Silberbecher und Schalen voller Obst und gebratenen Fleisch auf Brot.

Arins stolz verbat ihn auch nur daran zu denken, einen Bissen davon zu nehmen. Er würde sich nicht kaufen lassen.

„Was denkt Ihr werden diese Leute zu besprechen haben?" Syman, sein kleiner Cousin der gleichzeitig sein Knappe war, war hingegen mehr als beeindruckt. Arin hatte ihn als Schüler aufgenommen, als er acht war. Nun war Syman zehn Jahre alt und konnte endlich sein eigenes Schwert ohne Hilfe tragen.

Arin scherte es nicht was diese Leute wollten. Eberhart kam ihn jetzt schon vor wie ein Arschkriecher. Doch Syman redete unbeirrt weiter.

„Werden wir hier länger bleiben?" Er griff über den Tisch zu einen der Schalen, doch Arin schlug seine Hand sofort weg. Syman sah ihn beleidigt an. „Mylord!"

„Wir bleiben nicht länger als nötig."

Nun war der Junge still und starrt beleidigt auf die duftenden warmen Fleischschalen. Sie aßen schon seit zwei Tagen nichts, da sie kaum Geld und keine Gelegenheit zum Jagen fanden. Und nun verbat Arin sowas verlockendes ohne jeden Grund. Verdammt soll er sein...

„Ich bin hungrig Arin."

„Syman..."

„Mylord..." verbesserte er sich grimmig und ahnte, dass jeder weitere Protest und jedes weitere Flehen, Zeitverschwendung war. Würde es Arin sogar noch Spaß machen. Nein, das musste anderes gehen...

„Mylord? Müssen Sie nicht austreten? Seit heute Morgen gab es keine Gelegenheit dazu." Fragte der Knappe mit großen unschuldigen Augen.

Arin verkniff sich ein grinsen. Wenn es um seinen Bauch ging, verlor der Bengel jede Disziplin. „Musst du etwa?"

„Nein, Mylord. Und Sie?"

„Nein." Arin glaubte ein leises verdammt gehört zu haben. Er könnte Syman erzählen das er vor dem Dorf Wildschweinspuren gesehen hatte und er nachher eins jagen würde. Entschied aber dagegen. Soll ruhig er sich ein bisschen ärgern.

Der schwarze Ritter Where stories live. Discover now