Our Little Secret

By xLittleButterfly

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"Scheiße", murmelte ich erschrocken, als ihn sah. "Aria, das ist Damian.. und er wird bei uns einziehen", ver... More

Our Little Secret.
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Epilog
Danke! <3

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By xLittleButterfly


Einen Moment später kam er aus seinem Zimmer und ich tat schnell so, als würde ich auch gerade aus dem Bad kommen.

,,Oh, hi", sagte er und blieb vor seiner Tür stehen. ,,Sind die endlich weg?"

,,Ja", sagte ich. ,,Wenn Sally sich mal dazu überwunden hat, sie gehen zu lassen." Ich grinste schwach.

,,Ich muss los", sagte er, grinste und war schon die Treppe runtergegangen. Ich war ein bisschen verwirrt; sein wann hatte er denn wieder was mit Leah zu tun? Und wieso hatte sie mir davon nichts erzählt?

Ich ging in mein Zimmer und schmiss das nasse Handtuch aufs Bett. Am Besten, ich machte mir darüber überhaupt keine Gedanken. Und das konnte ich am Besten, wenn ich was zu tun hatte. Ich zog mir also eine  vernüftig aussehende Sporthose und ein T-Shirt über und beschloss joggen zu gehen - auch wenn die Dusche vorhin somit völlig unnötig war.

Ich war mit Lily jedes Wochenende joggen gegangen und ich musste zugeben, dass es anfangs sehr schwer war, sich an das ganze Laufen zu gewöhnen, doch mit der Zeit wurde es immer vertrauter und irgendwann machte es mir tatsächlich Spaß. Ich hätte schon viel früher damit anfangen sollen, denn es war auf jeden Fall wirkungsvoller als den ganzen Scheiß, den ich vor Deutschland gemacht hatte. Naja ... es war ja nicht so als wäre mir das auch damals nicht bewusst gewesen. Ich wusste, dass Sport wahrscheinlich helfen würde, doch ich wollte schnell und aufeinmal abnehmen, und nicht erst in zwei, drei Jahren meine Traumfigur bekommen, denn so lange konnte ich es nicht aushalten. Doch mir wurde erst in letzter Zeit bewusst, dass man für das, was man haben will, arbeiten und sich anstrengen muss.

Also ging ich joggen. Das Wetter war schön, die Sonne schien, auch wenn ein leicht kühler Wind durch die Luft zog. Jedoch wurde mir schnell warm und ein paar Schweißperlen befanden sich auf meiner Stirn. Ich überlegte bald wieder Kickboxen zu gehen; es hatte mir wirklich Spaß gemacht. Aber das musste ich mir nochmal überlegen. Ich lief eine Runde um den Block und beschloss, dass es dann genug Sport für heute war. Wieder zuhause angekommen, hörte ich Sallys laute Stimme schon an der Haustür.

,,Toby, wir müssen das zusammen entscheiden! Du musst mich doch nicht gleich so anschreien!"

,,Wer schreit hier? Ich habe normal mit dir geredet", hörte ich Dads deutlich ruhigere Stimme. Ich stellte mich in die Tür zum Wohnzimmer, doch sie schienen mich zu sehen.

,,Weil du immer alles entscheiden willst", sagte sie.

,,Wie bitte? Ich habe dich alles planen lassen, wie du es willst, aber ich hab wohl auch noch 'n Wörtchen mitzureden", protestierte Dad und warf die Hände in die Luft. ,,Du verhältst dich wie 'ne Zicke, Sally."

Sally machte den Eindruck als würde sie die Diskussion aufgeben, denn sie sank ein wenig in sich zusammen, stürzte jedoch einige Sekunden später wütend aus dem Raum, an mir vorbei.

,,Sie wirkt echt gestresst", sagte ich und Dad schaute mich zum ersten Mal an, seufzte dabei.

,,Oh ja."

,,Worum ging's?", fragte ich ihn, doch er wank nur mit der Hand ab.

,,Ach, das war nur was bezüglich der Ringe", sagte er. ,,Sie wird sich schon wieder einkriegen. Du bist ja ganz rot im Gesicht, hast du Fieber?" Mit gerunzelter Stirn schaute er mich an.

,,Nee, ich war 'ne Runde laufen", sagte ich.

,,Seit wann gehst du Laufen?"

,,Seit einiger Zeit", gestand ich. ,,Ich hab auch überlegt wieder Boxen zu gehen."

Nun schaute er mich wirklich besorgt an, und ich konnte in seinen hellen Augen sehen, was er dachte. ,,Dad", sagte ich schnell. ,,Guck mich nicht so an. Mir geht es gut. Sport ist doch immerhin viel besser als Hungern, richtig? Und ich esse normal, wie du siehst."

Dabei fiel mir irgendwie ein, dass er gar nicht wusste, dass ich mich damals zweimal übergeben hatte. Von dem ersten mal wusste auch nur Damian und das sollte auch so bleiben. Ich würde es am liebsten vergessen.

,,Du kannst mir ja nicht vorwerfen, dass ich mir Sorgen mache und zweimal hinschaue, Spätzchen", sagte Dad und lächelte väterlich.

,,Du solltest dich lieber mal um Sally kümmern. Sonst seid ihr geschieden, bevor ihr überhaupt verheiratet wart." Das sollte eigentlich ein Scherz sein und Dad lächelte auch etwas bekümmert.

,,Ja ja, aber erst, wenn sie sich ein bisschen beruhigt hat. Die ganzen Hochzeitsvorbereitungen stressen und erfreuen sie gleichzeitig. Frauen." Er verdrehte die Augen und verließ den Raum. Da mir langweilig war, nahm ich mein Handy und meinen Laptop und legte mich damit auf das Bett. Dann begann ich, meine ganzen Fotos, die ich auf meinem Handy habe, auf den Laptop zu verschieben. Viele waren aus Deutschland, vieles war aber auch nur Unnötiges, sodass ich erstmal ausmisten musste.

Schließlich schaute ich mir die ganzen übriggebliebenen Bilder auf dem Laptopdisplay an. Als Erstes wurden die angezeigt, die ich unter einem Ordner namens 'Germany' eingeordnet hatte. Ich bekam unheimlich Sehnsucht als ich mir das alles anschaute. Ich vermisste meine Freunde dort; Lily, Candice, Anna, Jonas ... selbst Olli vermisste ich, obwohl ich mit ihm nie wirklich was zu tun hatte.

Eines der Bilder fand ich besonders schön. Candice, Lily und ich standen irgendwo am Hamburger Hafen und grinsten glücklich zu Jonas, der das Bild gemacht hatte. Dort stank es unheimlich und es war auch sehr voll gewesen, doch irgendwie war der Tag etwas Besonderes gewesen. Wir vier hatten so viel Spaß gehabt und deshalb fand ich dieses Bild vielleicht auch so toll.

Ich beschloss, gleich ein paar Bilder entwickeln zu gehen und vielleicht könnte ich sie dann ja in ein Fotoalbum oder an meine Wand kleben.

Doch zunächst schaute ich mir die Restlichen an. Viele waren von Leah und mir, und es gab auch ein paar von Lily und mir, wo sie noch in England gelebt hatte. Ich musste lachen, als ich eines von Dad und Leah fand, wo sie heftig am Diskutieren waren. Ich glaube, da ging es um Dads Lieblingsfußballmannschaft.

Als ich eines von Justin und Leah auf dem Schirm hatte, hielt ich kurz inne und zückte mein Handy, um es Leah auf WhatsApp zu schicken. Ich hatte es gemacht als ich vor kurzem bei Leah zuhause und Justin gerade dabei gewesen war, Leah ein Stück Schokolade an den Kopf zu werfen und beide hatten den Mund weit offen vor Lachen.

Schließlich kamen ein paar Bilder von Damian, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie besaß. Ich erinnerte mich, dass ich einmal ein paar Bilder von ihm gemacht hatte als wir unten im Wohnzimmer saßen und ich mich gefragt hatte, wieso er immer und überall so gut aussehen musste. Außerdem waren noch ein paar wenige von uns beiden, die Damian mal aus Spaß gemacht hatte. Ich fragte mich, ob ich davon auch vielleicht ein paar ausdrucken sollte. Würde das nicht komisch kommen? Andererseits musste er davon ja auch nie erfahren, oder?

Eine halbe Stunde später stand ich also in der nächstliegenden Drogerie vor dem Fotodruckautomaten. Das Teil war lahm wie eine Schnecke und so stand ich zehn Minuten davor, nur um zwanzig Bilder zu entwickeln. Während ich mich aufregte, ging ich zur Kasse, wo natürlich auch eine total lange Schlange war. Nicht aufregen, Aria, sagte ich mir. Nicht aufregen.

Bei meinem Glück musste natürlich genau die Person vor mir stehen, die ich überhaupt nicht sehen wollte.

Bitte dreh dich nicht um. Bitte dreh dich nicht um. Bitte. Dreh. Dich. Nicht. Um.

Natürlich drehte sie sich um. Erst beiläufig und dann nochmal, als sie bemerkte, dass ich es war, die hinter ihr stand.

,,Oh. Hi." Sophie hatte sich seit dem letzten Mal, wo ich sie gesehen habe, kaum verändert. Noch immer war sie so dünn, noch immer gingen ihr ihre blonden Haare bis zu den Schultern und noch immer war sie so hübsch.

,,Hey", sagte ich und versuchte zu lächeln. Mir war es echt unangenehm sie hier zu sehen. War ihr bewusst, dass Damian sie sozusagen wegen mir verlassen hatte? Wusste sie, dass sie der Auslöser dafür war, dass ich nach Deutschland gezogen war? Hasste sie mich?

,,Du bist also wieder da", erwiderte sie und ich sah, dass auch sie sich um ein freundliches Lächeln bemühte. Es hätte mir eigentlich klar sein sollen, dass sie mich nicht ignorieren oder runtermachen würde, denn so ein Mensch war sie nicht.

,,Ich bin also wieder da", bestätigte ich. Die Schlange wurde ein bisschen kürzer.

,,Deine Haare sind kürzer. Das steht dir."

Komplimente hätte ich echt nicht erwartet, sodass ich mich unwillkürlich fragte, ob sie es überhaupt ernst meinte. Trotzdem bedankte ich mich.

,,Und wie geht's dir? Bist du froh, wieder hier zu sein?", fragte sie nett.

,,Es geht. Hier hab ich zwar meine Familie, aber da hab ich meine ganzen Freunde", gab ich zurück.

,,Hier hast du doch auch Freunde. Diesen einen Jungen. Leah. Damian."
Sie sprach seinen Namen aus als wären sie nur alte Bekannte; ganz beläufig und ohne irgendwelche tiefgründigen Emotionen. Plötzlich fragte ich mich, ob sie schon über ihn hinweg war oder ob sie nur so tat, als wäre sie es. Ihr war bestimmt klar, dass ich von ihrer Beziehung und Trennung wusste und vielleicht wollte sie ihre Gefühle ja vor mir verbergen. Es wäre verständlich.

,,Ja, das stimmt", sagte ich einfach und fragte dann: ,,Wie geht es dir? Irgendwas Besonderes passiert? Etwas außer - scheiße, ich meine - also - " Ja super. Worein hab ich mich da nur geritten? Jetzt konnte ich es eigentlich auch genauso gut aussprechen. ,,Ich meine, außer das Ding mit Damian. Ich hab davon gehört." Meine Wangen färbten sich leicht rosa, doch ich ließ mir nichts anmerken. Sophie schaute mich ein wenig zu lange an und ich wusste nicht, ob sie sauer oder sowas war - glücklich über das, was ich gesagt hatte, war sie jedenfalls nicht.

,,War mir eigentlich klar. Ist ja nicht so, als würde ich nicht wissen, dass du der Grund für unsere Trennung warst." Sie klang bitter, doch auch etwas Anderes lang in ihrer Stimme. Bedauern. Traurigkeit. Sie tat mir leid, denn ich wusste, durch was sie schon alles in ihrem Leben gehen musste.

,,Ich? Ich wollte nicht, dass ihr - ich hatte damit doch gar nichts zu tun gehabt", versuchte ich mich dennoch zu verteidigen. War ja nicht so, als hätte ich Damian dazu gezwungen, sie zu verlassen. Ich war ja nicht mal im selben Land wie die beiden.

Nur noch eine Frau stand vor uns.

,,Nicht direkt. Aber wieso sonst hätte er mich verlassen sollen?"

Ich überlegte mir eine gute Antwort aus, doch dann war Sophie mit dem Bezahlen dran. Da sie mehrere Dinge hatte, war sie gleichzeitig mit mir fertig, sodass wir zusammen aus dem Geschäft gingen.

Sie sprach weiter. ,,Ich hab bemerkt, dass er nach einer Zeit immer abwesender wurde. Erst als es dann aus war, hab ich mehr darüber nachgedacht ... mir war klar, dass es wegen einem Mädchen war. Und mit wem war er vor mir zusammen? Mit dir."

,,Wir waren nicht zusammen", murmelte ich vor mich hin.

,,Aber sowas Ähnliches", sagte sie und strich sich beiläufig eine Haarsträhne aus ihren Augen. ,,Ich gebe dir ja gar nicht die Schuld daran, auch wenn es sich so anhört. Ich bin nur ein bisschen ... neben der Spur. Sorry."

Als ich sie anschaute, konnte ich erkennen, dass ihre Augen ein wenig glänzten. Hoffentlich würde sie nicht anfangen zu weinen, denn ich wusste ich nicht, wie ich die Ex meines Stiefbruders trösten sollte, die sich darüber beschwerte, dass er wegen mir mit ihr Schluss gemacht hatte.

,,Ich kanns verstehen. Ich würde bestimmt auch so reagieren, vorallem wenn man bedenkt, wie er mit dir Schluss gemacht hat." Ich merkte erst ein paar Sekunden später, was ich da wieder gesagt habe und schlug mir eilig die Hand vor den Mund. ,,Oh Gott, sorry."

Beschämt schaute sie zur Seite. ,,Das hat er dir also auch erzählt. Schon erniedrigend, wenn man mit jemanden Schluss gemacht wird, nachdem man eine gemeinsame Nacht miteinander verbracht hat, nicht wahr?"

,,Das war nicht richtig von ihm." Ich versuchte gar nicht ihn zu verteigen, denn er war ein Arschloch gewesen. Mal wieder.

,,Vieles war nicht richtig von ihm." Sie zögerte. ,,Seid ihr jetzt zusammen?"

,,Nein", sagte ich schnell und schlicht.

,,Oh. Okay. Ich hatte es irgendwie erwartet."

,,Wieso das?" Ich runzelte die Stirn.

,,Er liebt dich. Und ich denke, dass er dir auch nicht egal ist."

Wieso sprach sie darüber? Mir würde es unglaublich weh tut, sowas an ihrer Stelle zu fragen ... doch sie war schon immer ein offener Mensch gewesen, der halt das aussprach, was er wissen wollte.

,,Es ist viel passiert", war meine Antwort. Um das Thema zu wechseln und weil es mich auch interessierte, fragte ich: ,,Geht es dir gut? Ich kann verstehen, wenn du jetzt sagst, dass es mich einen Scheiß angeht, aber ich frage trotzdem."

Einen Augenblick lang schaute sie mich von der Seite an, musterte mich. Dann sagte sie, mit einem kleine Seufzer, der kaum zu hören war: ,,Ich weiß, in welcher Hinsicht du es meinst. Also ja, mir geht es gut."

Beinahe war ich erleichertet. Ich hätte unbeschreibliche Schuldgefühle gehabt, wenn sie nun wieder depressiv geworden wäre oder erneut angefangen hätte, sich zu schneiden.

,,Okay", sagte ich. ,,Das ist gut."

,,Find ich auch. Ich hatte ehrlich gesagt Angst, es könnte wieder soweit kommen, dass das ganze von vorne anfängt. Ich meine, Damian hat mir damals so sehr geholfen und mich so glücklich gemacht ... doch wenn jemand einen so glücklich machen kann, hat er auch die Macht dich sehr unglücklich machen."

,,Ich weiß, was du meinst", murmelte ich und das wusste ich tatsächlich.

,,Damian ist ein komplizierter Mensch. Das sage ich nicht, weil er mich so verletzt hat, das sage ich, weil ich ihn kenne. Und du kennst ihn auch, deshalb weißt du, wovon ich spreche. An einem Tag ist er so und an dem anderen wieder so. Bei mir war es nun mal eben so, dass er an einem Tag mit mir schläft und an dem anderen plötzlich verschwindet. Die Frage ist, ob du mit seinen Launen klarkommst."

,,Wieso erzähst du mir das?"

,,Das weiß ich selber nicht genau. Ich will ihn nicht schlecht reden, denn er ist weiß Gott kein schlechter Mensch."

,,Das weiß ich. Doch wieso redest du so locker mit mir über ihn, obwohl du mich hassen solltest?"

,,Ich muss zugeben, ich mag dich nicht besonders. Was aber nicht an dir liegt, aber du bist nun mal das Mädchen, die mir Damian weggenommen hat. Bewusst oder unbewusst ist ja egal." Wenigstens war sie ehrlich. ,,Und ich weiß auch nicht, ob du die Richtige für Damian bist, doch obwohl ich ihn gerade im Moment hasse, wünsche ich es ihm. Er könnte sich eine Scheibe von deiner Zurückhaltung abschneiden und du könntest auch einiges von ihm lernen. Kaum zu glauben, dass ich das wirklich gesagt habe. Ich bin verrückt."

Ich musste beinahe lachen und war gleichzeitig wirklich gerührt. Sowas hätte ich von ihr überhaupt nicht erwartet. Es musste sie große Überwindung gekostet haben.

,,Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Sowas hätte wirklich nicht jeder gesagt. Ich versteh es nicht."

Sie lächelte matt. ,,Ich verstehe mich auch nicht immer." Plötzlich ging sie ein wenig langsamer. ,,Ich muss jetzt da lang."

Ich nickte und hob die Hand, um zu winken. ,,Ach und Sophie, es tut mir leid, dass es so ... gelaufen ist."

Erneut lächelte sie schwach und drehte sich dann um, um über eine grüne Ampel zu gehen. Ich blieb kurz stehen, um das zu verdauen, was sie gesagt hatte. Das war echt eine komische Begegnung.

Sie mochte mich nicht, weil ich ihr 'indirekt' Damian weggenommen hatte, hoffte aber, dass ich mit ihm zusammen kam? Sie war echt herzensgut und ich kam nicht umhin, sie ein bisschen zu bewundern.

***

Mike ist da. Er sieht aus wie er immer ausgesehen hatte, kein Stück hatte er sich verändert. Auch Mira war an seiner Seite zu sehen, was mich verwundert. Ihre Haare sind wieder genauso lang wie damals.

Aufeinmal sitze ich in der Caféteria unserer Schule und überall laufen Schüler umher. Vor mir liegt ein aufgeschlagenes Chemiebuch, was mich jedoch nicht sonderlich interessiert, da Mira und Mike in dem Moment auf mich zu kommen.

,,Das kleine  fette Schweinchen ist mal wieder am lernen", sagt Mira voller Hass, während Mike sie mit seinen spöttischen Blicken unterstützt. Ich sage nichts, schaue nur weg, höre nur noch die Worte ,,keine Freunde".

Dann verschwimmt die Situation und ich befinde mich in Mrs Wieherts Unterricht wieder. Ich sitze neben Mike, der mich lauthauls auslacht und mit ihm noch der Rest der Klasse.

,,Aria weinte und schrie vor lauter Frust laut auf. Was sollte sie tun? Ich darf nicht aufgeben, sagte sie sich. Ich bin stark! Trotzdem sagte ein kleines Stimmchen in Arias Kopf, das sie genau das, nicht war", liest er von dem Stück Papier vor, was Mrs Wiehert ausgeteilt hat. Nur, dass da mit Sicherheit nicht mein Name stand.

Ich fing an zu weinen und mein Herz wurde schwer wie Blei.

Erneut wird alles unscharf und ich sehe mich aus der Vogelperspektive auf der Straße laufen. Ich sehe, wie ich mir die Tränen aus dem Gesicht wische und dann, wie ich plötzlich zuhause in unserer alten Wohnung sitze.

,,Sally, du und ich - wir werden umziehen", verkündet Dad mit strahlenden Augen, während ich nur noch Mums enttäuschtes Gesicht vor mir sehe. Was passiert gerade mit mir?

,,Mum", flüstere ich flehend. ,,Bitte sei nicht sauer auf mich - "

Doch noch während ich das sage, krieche ich plötzlich auf dem Schulboden in der Caféteria herum. Mein Tascheninhalt liegt quer im Raum und keiner macht Anstalten mir zu helfen, stattdessen starren mich bloß alle an und lachen. Entsetzt schaue ich in Miras lächelndes Gesicht; ihre vollen Lippen bewegen sich zu den Worten 'Miss Piggy'. Ich presse meine Lippen zusammen und versuche, meine Sachen möglichst schnell zurück in meine Tasche zu stopfen, was ich jedoch nicht schaffe, da sich meine Sicht wieder verschwimmt.

,,Das ist Damian und er wird bei uns einziehen", sagt Dad, der aufeinmal vor mir steht und auf einen großen, braunhaarigen Jungen vor mir zeigt. Damian. Doch obwohl ich ihn alles andere als hasse, empfinde ich gerade viel Wut und Entsetzen. Einziehen? Ein fremder Junge? Es ist komisch, dass er mir gerade so vertraut und wildfremd zugleich vorkommt.

Ich beobachte ihn nochmal ganz genau. Verwuschelte, braune Haare, strahlendblaue Augen, ein leicht trotziger Gesichtsausdruck, perfekt von Natur aus geformte Augenbrauen, eine Nase, die nicht zu groß, aber auch nicht zu klein ist ... ja, so kenne ich Damian. Kaum habe ich den Blick von ihm abgewendet, finde ich mich in Unterwäsche und mit einer Zahnbürste im Mund im Badezimmer vor. Ich schaue mit großen, panischen Augen zu Damian, der plötzlich hereingestürmt kommt.

Dann verschwimmen die Situationen immer schneller.

Damian, wie er mit Mike und Mira im Auto wegfährt, mich alleine im Regen stehen lässt - ich stehe nachts in der Küche mit einer erneuten Fressattacke - dann bin ich aufeinmal über und über mit Quark bedeckt, während mich die gesamte Schülerschaft auslacht, insbesondere Mike und seine Freunde. Damians Augen, die mich geschockt anschauen. Meine Faust die Mikes Gesicht trifft.

,,Schweinchen Dick", höre ich von allen Seiten. ,,Fette Sau! Miss Piggy!"

Ich hocke vor unserer Toilette und übergebe mich. Es fühlt sich gut an.

Wieder wechseln die Situation schneller. Es fühlt sich alles so verdammt echt an.
 Wie Mr Glints Hände mich überall berühren. Wie ich mir die Seele aus dem Leib zu schreien scheine.  Wie Mira zugibt, dass die Beinah-Vergewaltigung ihre Schuld ist. Wie ich Damian und Leah im Bett erwische. Wie ich dabei zusehe, wie Leah sich langsam immer mehr in ihn verliebt, genauso wie ich ...

Mike, wie er mich immer wieder aufs Neue bloßstellt. Wie er mich an die Wand drückt und mir droht, mich fertig zu machen. Wie er vor seinen Freunden aus meinem Tagebuch vorliest. All die Beleidigungen, all die Aktionen. Das Tafelbild mit Schweinchen Piggy. Der Eimer Wasser, der über meinen Kopf geschüttet wird. Die ständige Angst vor Mike.

Mira, wie auch sie mich verspottet bishin zu dem Moment, wo sie mir von ihrer Vergewaltigung erzählt.

Leah, die mich mit ihren grünen Augen anschaut und ich nur tiefe Enttäuschung darin erkennen kann. ,,Du bist ein Miststück und keine beste Freundin", sagt sie zu mir und ich weiß, sie hasst mich. ,,Ich will dich nie wieder sehen."

Lily, wie sie mit Tränen in den Augen vor mir steht und sich verabschiedet.

Dad, wie er an dem Tag von Mums Beerdigung vor ihren Grab steht, zusammengesunken und  gefährlich ruhig, während ich hinter ihm stehe und nichts zu sagen wusste. Wie er mit plötzlich seine neue Freundin vorstellt.

Mum, wie sie mir in ihrem letzten Momenten immer wieder sagt, dass sie mich überalles liebt, meine kleine Hand hält und mir verspricht, dass sie mich beschützen wird. Ich sehe die Ungewissheit in ihren kranken Augen.

Damian, wie er mit all diesen Mädchen flirtet, ihnen hinterher schaut. Ich weiß, dass er mit ihnen schläft. Dann sehe ich, wie er Leah anschaut. Wie er Sophie anschaut, sie küsst. Unsere ständigen Streitereien. Wie er mich erwischt als ich mich das erste Mal übergebe. Wie er sich jedes mal aufs neue wie ein Arschloch verhält und meine Sturheit, die darauf folgt. Wie er mich gehen lässt, nachdem ich mich am Flughafen von allen verabschiede.  Wie er sich für Sophie entscheidet.

Diese ganzen Dinge stürzen nacheinander auf mich ein.

Und dann sehe ich mich. Ich schaue in den Spiegel und ich sehe, dass ich weine. Ich weine, weil ich mich anschaue und weil mir nicht gefällt, was ich sehe. Es zereißt mir selber mein Herz mich so verzweifelt zu sehen. Ich schaue auf meine dicken Oberschenkel mit ein paar Dehnungsstreifen, auf meinen speckigen Bauch, meine breiten Oberarme, auf mein rundes, unförmiges Gesicht an dem ich nichts hübsch fand. Ich will schreien. Von allen Seiten kommen irgendwelche Gefühle, irgendwelche Erinnerungen und ich will nichts lieber als schreien, in der Hoffnung meinen Kopf dadurch leeren zu können.

Schließlich tue ich es auch. Ich schließe meine Augen, um nicht mehr in den Spiegel schauen zu müssen und schreie. Doch es hilft nichts.


Irgendwer schüttelte mich kräftig an meinen Armen, sodass ich wach wurde. Sofort schreckte ich hoch und sah in die entsetzen Gesichter von Dad, Sally und Damian, der mich wach gerüttelt hatte. Ich wusste diesmal sofort, warum sie hier waren - ich hatte im Traum geschrien. 

,,Aria, im Gottes Namen - was ist los?", fragte Dad mit einem ziemlich besorgten Gesichtsausdruck und kniete sich neben mein Bett, um meine Hand in seine zu nehmen, während Sally mit großen Augen hinter ihm stand.

,,N-nichts", schluchzte ich und wischte mir meine Tränen von den Wangen. Jedoch strömten sie erbarmungslos weiter. Die ganzen Szenen spielten sich immer noch vor meinen Augen ab. Es sollte aufhören, verdammt.

,,Du hast so geschrien, dass ich dachte, dich würde jemand versuchen zu ermorden", meinte Dad und das war wirklich sein Ernst. ,,Außerdem weinst du. Was hast du geträumt?"

,,Ich weiß nicht mehr", log ich, da ich wirklich nicht mit Dad oder Sally darüber sprechen wollte. Mit einem flehenden Blick schaute ich zu Damian, der mich für einige Sekunden innig anschaute, bevor er nickte und sich an unsere Eltern wandt.

,,Ich mach das, okay? Geht ihr wieder ins Bett ... ich - ich mach das", sagte er.

,,Damian, nichts zu ungut, aber sie ist meine Tochter, ich denke, es ist besser, wenn ich - "

,,Dad, bitte", murmelte ich und drückte fest seine Hand. ,,Bitte nicht."

Dad presste seine Lippen zusammen und er sah aus, als würde ich ihm sein Herz brechen. Er sorgte sich wirklich und deshalb bemühte ich mich um ein Lächeln. ,,Geh mit Sally wieder schlafen. Ich habe nur scheiße geträumt."

Er sah zu Damian und dann wieder zu mir, bevor er nickte und seufzend aufstand. ,,Na schön." Er drückte mir noch einen Kuss auf meinen Scheitel, bevor er seinen Arm um Sallys Taille legte und sie herausgingen. Damian ging zu meinem Schreibtisch und griff nach der fast leeren Taschentuchpackung, bevor er sich neben mich in mein Bett setzte und mir ein Taschentuch gab, damit ich mir die Tränen wegwischen konnte. Doch immer, wenn ich an den Traum zurück dachte, kamen sie erneut.

,,Willst du darüber reden?", fragte Damian zaghaft und schaute in mein tränennasses Gesicht.

,,Das wäre zu viel", sagte ich krächzend. ,,Ich hasse diese Träume. Sie kamen schon lange nicht mehr."

,,Vielleicht kommen wieder alte Erinnerung hoch, jetzt, wo du wieder hier bist."

,,Es war so als hätte ich meine gesamten letzten Jahre erlebt." Ich schaute auf meine Hände und sah, dass sie leicht zitterten. Da bemerkte es auch Damian und nahm sie in seine, hielt sie einfach nur fest und das ließ mich ein wenig besser fühlen.

,,Erzähl mir davon", sagte er. Es war keine richtige Aufforderung, eher eine Bitte und ich erzählte ihm nur das Gröbste, obwohl ich noch jedes Detail wusste.

,,Es waren all die Gründe, die mich kaputt gemacht haben", erzählte ich am Ende. ,,All die Menschen, all die Sachen, die passiert sind."

,,Und ich war auch dabei", schlussfolgerte er ohne dabei direkt zu Fragen.

,,Ja", gab ich trotzdem die Antwort. ,,Aber hauptsächlich Mike und ... die anderen. Bei dir war es anders als bei ihm."

Für einen langen Augenblick war es sehr still im Haus. Als er etwas sagte, schaute ich ihn genau an. Er hatte seine Augenbrauen leicht zusammengezogen, sodass sich eine Falte zwischen ihnen gebildet hatte und ich erkannte, dass er sich gerade viele Gedanken machte. Sein Daumen strich unbewusst über meinen Handrücken.

,,Die meisten Menschen sind oberflächlich und machen sich gar nicht erst die Mühe, dich kennenzulernen, wenn du auf den ersten Blick ihren Idealen nicht entsprichst. Wenn du nicht so bist, wie sie es gerne hätten, grenzen sie dich aus und machen dir mit all ihren Blicken und Worten auch genau das klar - dass du nicht zu ihnen gehörst. Ich verstehe dich sehr gut, Aria. Es hat nur ein bisschen gedauert."

,,Und wenn du all diese Blicke, all diese Worte jeden Tag zu hören bekommst, dann hasst man sich irgendwann für das, was man ist. Dann ist es auch nicht mehr so einfach, dieses Gefühl loszuwerden. Auch, wenn ich gedacht habe, dass diese Zeiten vorbei sind."

,,Du entscheidest, wann diese Zeiten vorbei sind. Du bist stark, Aria. Und das sage ich nicht, weil ich dich damit trösten will, dass sage ich dir, weil ich es so meine. Auch wenn ich nicht von Anfang an dabei war, habe ich gesehen, was sie mit dir gemacht haben. Ich habe dir angesehen, wie sehr dich das mitgenommen hat, doch trotzdem hast du nicht aufgegeben. Du bist jeden verdammten Tag zur Schule gegangen, obwohl du genau wusstest, was das für ein Ort ist. Und jetzt bist du wieder hier, du bist wieder zurückgekommen und ich finde, sowas benötigt Stärke."

Mit feuchten Augen schaute ich ihn an und bemühte mich, nicht laut aufzuschluchzen. ,,Ich habe einfach so eine Angst."

,,Wovor?", fragte er mich direkt, sodass ich darüber erstmal nachdenken musste. Ja, woher habe ich eigentlich Angst? Da war so vieles.

,,Vor mir", sagte ich dann. ,,Davor, dass ich das nicht schaffen werde. Davor, dass ich nicht die Kraft habe und es wieder von vorne anfängt."

,,Ich glaub, es ist gesund, Angst zu haben. Du musst einfach nur lernen, damit zu leben und das Beste daraus zu machen. Lass sie nicht dein Leben kontrollieren."

,,Wovor hast du denn Angst?", wollte ich wissen. Ich war mir sicher, dass es da auch etwas gab, denn selbst Damian war nur ein Mensch.

Er dachte lange nach, doch dann sagte er: ,,Ich glaube, ich hab Angst davor, irgendwann alleine zu sein. Ich weiß schließlich, wie ich bin und dass ich oft Menschen von mir stoße und deshalb hab ich Angst."

,,Wirklich?", fragte ich erstaunt. ,,Aber wieso? Bei dir schaut doch jeder ein zweites Mal hin und du hast so viele Freunde, so viele Mädchen."

Er lächelte leise, vielleicht über mich, weil ich so überzeugt sprach. ,,Was nützen mir Mädchen, wenn sie beim 10000. Blick genug von mir haben? Weil ich nach einer Zeit nun mal unausstehlich werde."

,,Finde ich nicht", sagte ich gedankenlos. Obwohl er tatsächlich oft unausstehlich war, war es für mich nicht genug, dass ich mich von ihm fernhalten würde.

Wieder lächelte er und ich war plötzlich so früh darüber, dass er bei mir gelieben war. Mir sollte einfach klar werden, dass mein Traum mir nur die schlechten Seiten gezeigt hatte. Es gab auch gute Seiten in meinem Leben, auch wenn es einem nicht immer gleich bewusst wurde und man sie erstmal suchen musste.

Der beste Beweis saß schließlich gerade neben mir.

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