Vierundfünfzig

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" Junge Dame... hören sie mich... hallo?" Ich wurde an meiner Schulter gerüttelt, was mich aufwachen ließ. Vor mir erschien ein älterer Herr. Seine hellen Augen musterten mich eingehend. " Ist alles in Ordnung bei Ihnen?" Ja, ich..." Ich schaute mich um und sah überall nur Grabsteine. Ich war auf dem Friedhof. Habe ich hier geschlafen? " Haben sie hier die ganze Nacht verbracht?" Der Mann hielt mir eine Hand hin, die ich dankend entgegennahm und mich aufstellte. " Ich denke schon." Ich hatte garnicht gemerkt, dass ich eingeschlafen war. " Geht es Ihnen wirklich gut? Sie sind völlig durch gefroren. Ich rufe Ihnen einen Rettungswagen."                " Nein, das brachen sie nicht. Mir geht es gut, wirklich. Ich werde mich auch jetzt gleich auf den Heimweg machen. Danke noch mal fürs wecken." herzlich bedankte ich mich bei dem Gärtner bevor ich mich auf den Heimweg machte. Die Stadt war nun voller Passanten und die Sonne stand hoch am Himmel. Leute in Anzug, elegantem Kleid oder in normaler Jeans und Basic T-Shirt kamen mir entgegen und beachteten mich nicht. Jugendliche standen Schlange an dem Kleinen Kiosk an der Ecke, es war wohl große Pause und sie besorgten sich etwas zum frühstücken. An der Kreuzung raste ein Rettungswagen entlang und zog mit der grellen Farbe, dem Blaulicht und der Sirene Aufmerksamkeit an. Mir war kalt und ich fühlte mich Schwach. Vor einem Schaufenster einer kleinen Boutique blieb ich für einen Moment stehen. Vor schreck hätte ich laut aufschreien können. Meine Haare waren nass und hingen mir in unordentlichen Zotteln herab. Ich war blass und an meinem Gesicht hing etwas Erde, was ich entfernte. Dunkle und tiefe Augenringe zeichneten sich unter meinen Augen. Ich sah einfach nur schreckliche aus. Wie ein Geist der durch die Straßen geisterte. Ein wunder, dass die Passanten keinen Bogen um mich machten. Ich beeilte mich nach Hause zukommen mit der Hoffnung, dass Alex noch keinen Suchtrupp mit Hundestaffel los geschickt hatte. Was rede ich da, Alex hatte bestimmt noch nicht ein mal mitbekommen das ich nicht zu Hause war. Von weitem sah ich schon unsere Straße und lief das letzte Stück bis zu unserem Haus. Blöder weiser hatte ich meinen Schlüssel liegen gelassen und war nun gezwungen zu klingeln. Zögernd drückte ich auf den kleinen vergoldeten Knopf über dem unser aller Nachname stand. Da in der Einfahrt der Audi von Alexander fehlte ging ich davon aus das er nicht da war. Dadurch entspannte ich mich etwas. Getrampel war aus dem inneren des Hauses zu vernehmen und die weiße Eingangstür wurde geöffnet. Jegliche Entspannung wich von mir und ich stand da wie ein begossen Pudel. Alex war zu Hause. " Elisa, ich... wo warst du verdammt!" Er war sauer. Seine Stimme war höher als normal und seine Ader auf der Stirn war gut sichtbar. " Ich rede mit dir." Noch immer stand mein Bruder unverändert am Türrahmen. " Schön, aber ich nicht mit dir." gab ich patzig zurück und stolzierte an ihm vorbei, hoch in das Bad. Sofort bereute ich die Wortwahl gegenüber meines Bruder, aber ich war zu Stolz um jetzt zu ihm zu gehen um mich zu Entschuldigen. Im Bad schloss ich die Tür zu um ungestört duschen zu können. Ich entledigte mich meinen kalten Klamotten und schmiss sie unachtsam in den Wäschekorb. In der Dusche drehte ich das Wasser auf eine angenehme Temperatur und stellte mich unter den Wasserstrahl. Das warme Wasser entspannte mich und ich merkte wie ich ruhiger wurde. Nach einer langen und erholsamen Zeit verließ ich die warme Duschkabine und hüllte mich in meinen Bademantel. Um Alex nicht über den Weg zu laufen, verbrachte ich so viel Zeit wie möglich im Badezimmer. Ich föhnte meine Haare, was ich eigentlich nie tat. Cremte meinen Körper mit Bodylotion ein und hatte anschließend meine bereits trockenen Haare zu Zöpfen geflochten. Zum Glück war mir eine Begegnung mit Alex erspart und ich kam ungesehen in mein Zimmer. Ich tauschte schnell den Bademantel gegen eine Jogginghose und ein T-Shirt. Danach fand ich meinen Platz auf meinem Bett und ich schaute nach langer Zeit wieder auf mein Handy. Keine Nachrichten. War ja irgendwie klar. Ich mein wer will mit mir schreiben oder telefonieren. Also war mein Handy nur von kurzer Dauer eine Ablenkung gewesen. 

Unangekündigt platze Alex in mein Zimmer. " Wie wäre es mit anklopfen?!" fuhr ich ihn an. Und es ärgerte mich tierisch, dass er nicht darauf reagierte sondern kommentarlos neben mir auf dem Bett platz nahm. Er saß schweigend neben mir und starrte gradeaus an die weiße Wand. Wieso ist er hier? " Es tut mir leid." war das einzige was er nach fünf Minuten Stille sagte. Wow, was soll ich damit anfangen? " Und jetzt?" in meinem Kopf schwirrten Fragezeichen. " Es tut mir Leid, dass ich gestern so reagiert habe." Alex schaute mich traurig und reuevoll an. Darum ging es also. " Schon gut" spielte ich die Situation runter. Es ist nicht gut! Ich hätte mir eine andere Reaktion meines Bruders erhofft. Ich hatte gehofft, dass er sich für mich freute und mich unterstützen wird. Das er hinter meiner Entscheidung stehen würde. Doch all das traf nicht zu. Alexander hatte mich damit wirklich verletz. Er war der Grund dafür, dass ich an meiner Berufswahl zweifelte und es noch immer tue. " Das ist es nicht Elisa. Nichts ist gut und ich sehe es dir an. Ich hatte in diesem Moment einfach nur Angst. Angst davor, dass du diesem Druck im Studium nicht standhalten kannst. Das Studium ist anspruchsvoll und verschafft dir viele schlaflosen Nächte. Du musst jede freie Minute lernen und ich habe es nicht geschafft. Ich bin unter dem Druck zerbrochen. Ich will nicht, dass dir das gleiche passiert." Alex liefen Tränen über die Wangen. Ich hatte ihn noch nie weinen sehen. " Alex, dass wusste ich nicht. Tut mir leid. Aber ich will das unbedingt machen. Ich habe gesehen wie es Papa Tag zu Tag schlechter ging und wie er den Kampf gegen Krebs verloren hat. Ich möchte andren Leuten mit der selben Krankheit helfen können. Ihnen helfen, dass sie noch ein Leben leben können." erkläret ich mich. " ich schaff das schon. Außerdem habe ich doch ein super Familie die mir helfen wird. Die mich unterstützt." Auch mir liefen nun die Tränen. Das Alex sich um mich sorgte war nichts neues. Das er denkt das Studium würde mich kaputt machen, machte mich umso trauriger. Er möchte einfach nur das es mir gut geht. " Ich möchte dich nicht verlieren Schwesterchen" flüsterte Alexander. " Du wirst mich nicht verlieren, versprochen. Ich werde immer bei dir sein, dich immer lieben und dich immer bewundern. Du hast so viel erreicht in deinem Leben Alex.  Du bist ein hervorragender Notarzt, der so viel Gefühl in seinen Job fließen lässt. Ich bin mir sicher, dass jeder Patient dir dankbar für deine Arbeit ist." ermunterte ich meinen Bruder. ich sah, dass meine Worte ihm gut taten. Sein Gesicht hellte sich auf und seine Augen strahlten wieder in dem selben braun wie sonst auch. Ich nahm ihn fest in den Arm und löste mich nicht von ihm. Alexander ist mir so wichtig. Er ist mein großer Bruder. Mein Fels in der Brandung. Meine Sonne, wenn es regnet. Er ist da, wenn es mir schlecht geht. Er kümmert sich um mich wie es noch nie jemand getan hatte. Er beschütz mich wie kein andere es gekonnt hätte. Er laß mich wie ein offnes Buch. Er ist für mich da. Ich kann ihm alles anvertrauen. Er ist derjenige der da war, als ich Panikattacken hatte. Er war da, als ich nicht essen wollte. Er hat mich in allem unterstütz. Ich bin froh ihn zu haben. Ohne ihn wüsste ich nicht, ob ich hier neben meinem großen Bruder sitzen würde. Ich danke dir Alexander Hetkamp für alles. Ich liebe dich großer Bruder.   

I' m fine! Where stories live. Discover now