Geht es ihnen gut ?

13 0 0
                                    


  "Meredith?"
Mehrmals schrie ich in den Hörer,versuchte verzweifelt eine Antwort zu bekommen,obwohl sie schon längst durch das Tuten am anderen Ende der Leitung gegeben worden war.
Es hatte sowas endgültiges. Meine einzige Chance sie zu warnen,ihr zu helfen,war abgelaufen. Vorbei.
Immer wieder hörte ich mich selbst Schreien,obwohl es so sinnlos war. Ich würde keine andere Antwort bekommen.
Der dumpfe Knall und ihr schriller Aufschrei liefen immer und immer wieder in meinem Kopf ab und wurden irgendwann zu einem heftigen Dröhnen,von dem mir schier schwindelig wurde.
Ich bemerkte wie meine Knie nachgaben und ich mit einem weiteren Schrei zu Boden sank. Der Druck in meinem Kopf wurde immer größer,die Vorstellungen von Blut und meiner verletzten Familie auf der Straße übernahmen die Kontrolle über meinen Körper.
Befeuert von meinen eigenen Schreien und jedem Erzittern meines Körpers presste ich die Hände auf meine Ohren um das Dröhnen erträglicher zu machen und die Bilder verschwinden zu lassen.
Nur am Rande merkte ich wie mir das Handy,aus dem noch immer dieses unangenehme Piepen erklang,aus der Hand genommen wurde und der Ton abebbte.
Mein bebender Körper wurde in zwei Arme gezogen und eine Hand begann über meinen Rücken zu streichen.
Die Geräusche um mich herum wurden leiser und auch meine Schreie verloren an Kraft und Lautstärke.
"Shhh."
Josh's beruhigende Laute drangen zu mir durch und ich fühlte mich wie zurück geworfen zu unserem ersten Dreh,wo er damals als einziger da war,als ich eine Panikattacke bekam.
Wie damals schlang ich meine Arme um ihn und versuchte mich in seiner Umarmung vor allem anderen zu verstecken.
Doch wir waren nicht in der Vergangenheit. Unaufhaltbar liefen mir Tränen über die Wange und unerbittliche Schluchzer hatten ihren Platz eingenommen.
Verzerrt hörte ich zwei Stimmen diskutieren,doch das Dröhnen in meinen Kopf machte es unmöglich, darauf zu fokussieren.
Das einzige was sich kontinuierlich in meinem Kopf abspielte,waren die Vorstellungen von Bear,wie sein fröhliches Kinderlachen auf einmal erstarb und eine klaffende Wunde seinen kleinen Körper zierte. Blut durchtränkte seine blonden Locken und seine Augen waren leblos in den Himmel verrichtet.
Ich krallte mich an Josh fest,in der Angst von diesen Bilder übermannt zu werden.
"Miss?"
Mehr als einmal spürte ich eine große Hand auf meiner Schulter,doch ich wollte mich nicht aus den schützenden Armen lösen. Ich wollte nicht wissen,was die gerade so grausam wirkende Welt noch für mich zu bieten hatte.
"Ich wollte ihnen nur sagen,dass ich jetzt zur Polizei fahre. Wir können jetzt keine Rücksicht mehr auf ihren Job oder andere Dinge nehmen,dieses Mal wurde es auf die Spitze getrieben."
Ein paar Momente brauchte mein Körper um zu realisieren,was Gilbert da gerade gesagt hatte. Er würde zur Polizei fahren. Vielleicht konnten sie noch etwas ausrichten. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war es noch nicht zu spät.
Mein Kopf fuhr er herum und ich wischte mir beinahe aggressiv Tränen aus dem Gesicht,um klare Sicht zu bekommen.
Ein kleiner,erbärmlicher Funken Hoffnung blühte in mir auf. Vielleicht konnte ich ja doch noch etwas tun. Vielleicht war es noch nicht zu spät zum Handeln.
Krampfhaft versuchte ich aufzustehen,doch meine Beine reagierten nicht so,wie ich es wollte. "Ich muss mitfahren. Ich muss-"
Mit einem kleinen Schubser landete ich wieder in Josh's Armen.
"Nein,bleiben Sie hier."meinte Gilbert und mit meiner noch immer verschwommenen Sicht konnte ich ausmachen,dass er sich seine Jacke überstreifte.
"Die Polizei wird sich um alles kümmern,machen Sie sich darum keine Sorgen. In ihrem emotionalen Zustand würden sie sowieso keine große Hilfe sein können."
Ich versuchte erneut aufzustehen,doch wurde in einem festen Griff gehalten.
"Aber ich muss helfen.-"
"Miss."wurde ich zum zweiten Mal unterbrochen. Kurz spürte ich Gilbert's Hand auf meiner Schulter,die seine Worte zu unterstreichen versuchte. "Beruhigen Sie sich etwas und später werden sie dann nochmal angerufen um ihre Aussagen zu machen. Glauben Sie mir,Sie werden noch genug in alles eingebunden werden."
Erst wollte ich protestieren,darauf bestehen mitzukommen,doch letztendlich musste ich einsehen,dass er Recht hatte. Bäche von Tränen bannten sich ohne zu stoppen ihren Weg über meine Wange,mein schüttelnder Körper und die Schluchzer machten es schwierig auch nur ganze Sätze zu bilden.
"Okay."brachte ich schließlich heraus und keine Sekunde später verließ mich die Hand meines Bodyguards und ich hörte seine eiligen Schritten auf dem Boden.
"Wir werden Sie über alles informieren."rief er noch,worauf nur noch das Schließen der Tür zu vernehmen war.
Stumm liefen die Tränen weiter,während ich auf die geschlossene Tür starrte. Hätte ich nicht doch noch irgendetwas ausrichten können? Würde er recht zeitig kommen oder war es schon zu spät für jegliche Hilfe? War am Ende ich es gewesen,die uns alle ins Verderben gestürzt hatte?
Ohne es Aussprechen zu müssen,spürte ich kaum eine Minute später wie sich Josh's Arme sich wieder fest um mich legten und wie er seine Hand beruhigend über meinen Rücken streichen ließ.
"Alles wird wieder gut."flüsterte er in die Stille,die nur von Zeit zu Zeit von meinen Schluchzern durchbrochen wurde.
"Wer weiß das schon?"murmelte ich zurück und presste die Augen zusammen,um die heißen Tränen vom Fallen abzuhalten,was jedoch nur zu einer größeren Welle von Tränen führte.
"Ich fühle mich nur so schuldig. ."schluchzte ich,als nun auch Bilder von toten,ungeborenen Baby's in meine Gedanken auftauchten.
Josh wippte mich beruhigend vor und zurück ehe meine verzweifelten Laute wieder etwas abklangen.
"Du trägst keine Schuld. Wer auch immer das war,wer auch immer das alles getan hat wird zur Rechenschaft gezogen werden. Und das bist ganz sicher nicht du."
Ich nickte monoton,hoffte mich so selbst von seinen Worten überzeugen zu lassen.
Doch die Gedanken daran,dass ich nicht schon vorher gehandelt hatte,dass es erst soweit kommen musste,blockierten mich.
"Was ist wenn Meredith und Bear nun ernsthafte Schäden davontragen? Was ist wenn-"
Josh legte behutsam einen Finger auf meine Lippen. "Es wird nichts passiert sein."

Dennoch plagten mich noch Stunden später die selben Schuldgefühle und Ängste. So sehr Jena und Josh auch auf mich einredeten,so sehr sie mir Mut machten und versuchten mich zu beruhigen,hatte ich letzten Endes im Hinterkopf,dass sie es auch nicht wussten. Sie versuchten einfach nur mir zu helfen.
Trotzdem erzielten sie eine gewisse Wirkung. Mein Körper zitterte nicht mehr und auch die Schluchzer bauten sich langsam ab.
Jena schlug mir vor mich hinzulegen und versuchen zu schlafen,doch diesen Gedanken zog ich nicht einmal in Erwägung. Trotz der kompletten Finsternis draußen und der Tatsache,dass es schon tiefe Nacht war,hoffte ich gar nicht darauf,Schlaf zu finden.
Mein Körper war noch hellwach,wachgerüttelt von dem Adrenalin und all den Emotionen dieses Abends.
Und ehrlich gesagt wollte ich gar nicht schlafen. Der Gedanke an Alpträume von toten Babys und blutdurchtränkten Kindern ließ mich so schon Schaudern.
Stattdessen überprüfte ich alle paar Minuten mein Handy,um zu sehen,ob es schon Neuigkeiten gab. Und jedes Mal traten mir neue Tränen in die Augen,weil ich sah,dass es noch immer nichts Neues gab.
"Jen,so kann das doch auch nicht weitergehen."sagte Jena irgendwann,as ich zum wiederholten Mal meinen Kopf in meine Hände legte.
"Du hast noch immer deine Drehkleidung an und dein Make Up von heute ist komplett verlaufen. Geh doch hoch und mach dich in Ruhe etwas frisch. Vom alleinigen Starren auf dein Handy wird es auch nicht besser."
Ich nickte stumm und stand auf,kraftlos für jeglichen Widerstand.
"Wir passen auf."versicherte Josh mir und deutete auf mein Handy.
Wortlos drehte ich mich daraufhin um und stieg die Stufen zum Bad hoch.
Ohne jegliche Vorwarnung schienen mir verquollene,rote Augen im Spiegel entgegen,als ich den Lichtschalter betätigte. Geschockt starrte ich auf die Person,die ich sein sollte und erst jetzt wurde mir bewusst wieviel ich am heutigen Tag geweint haben muss.
Geradewegs öffnete ich den Wasserhahn,beugte mich über das Waschbecken und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Im ersten Moment seufzte ich auf,als ich merkte,was für eine beruhigende Wirkung es auf mich hatte.
Doch dann senkten sich meine Schultern wieder,als das kurze Gefühl,dass mir all die Last abgenommen hatte,wieder verschwand.
Ich richtete mich wieder auf,nur um von Bildern von Meredith im Spiegel empfangen zu werden. Ihr Gesicht war schmerzverzogen,über ihrem Bauch prägte eine riesige,rote Wunde.
Sofort zuckte ich zusammen,ehe ich realisierte,dass das nur meine eigenen Ängste waren,die dort wiedergespiegelt wurden. Ich schüttelte meinen Kopf und schaltete das Licht aus um kurz von der Dunkelheit umnebelt zu werden. Jetzt wo meine Ängste sich nur um meine Familie handelten und nicht mehr unbedingt um mich und Josh,löste sie keine Panik aus,sondern hatte eine erstaunlich beruhigende Wirkung auf mich.
Jena hatte Recht. So konnte es nicht weiter gehen.
Kurz verharrte ich noch in dem dunklen Raum,dann öffnete ich die Tür und steuerte auf unser Schlafzimmer zu.
Erst musste ich etwas herumwühlen und zahlreiche Schubladen öffnen bis ich endlich fand was ich suchte.
Ich legte die weiße,unscheinbare Tablettenschachtel auf meine flache Hand.
Ich hatte das Gefühl in meinen eigenen Vorstellungen und Emotionen zu ertrinken. Josh konnte mich zwar beruhigen,aber ich wusste,dass er mir nur die Oberfläche des Wassers zeigen konnte. Sie zu erreichen schaffte ich nicht alleine. Nicht dieses Mal.
Auch hier fühlte ich mich in meine Vergangenheit zurück geworfen. Ich hatte mich immer bemüht selbst aus meiner Krankheit auszubrechen,doch manchmal war sie eben stärker gewesen und ich hatte meine Mutter um eine der weißen Pillen bestohlen.
Danach hatte ich mich immer schuldig gefühlt und heimlich geweint,aber das Gefühl die Angst für einen kurzen Moment loszuwerden und die Bilder im Kopf verschwinden zu sehen,tat einfach zu gut.
Ich hatte Josh einmal versprochen,die Tabletten nie wieder zu nehmen. Heute würde ich dieses Versprechen brechen müssen. All die Gefühle der letzten Wochen übermannten mich einfach,nahmen mir nach und nach die Luft zum Atmen.
Verzeih mir.
Ich konnte das schlechte Gewissen nicht abstellen,als ich mit leicht zittrigen Fingern die Packung öffnete und eine der Pillen herausdrückte,aber das Gefühl von der kommenden Erlösung war größer.
Ich ließ die weiße Tabletten noch kurz zögernd zwischen meinen Fingern zergehen,aber sobald sich diese vor meinem geistigen Auge blutrot färbte,war die Entscheidung für mich klar.
Ich führte sie zu meinem Mund.
"Du hast mir ein Versprechen gegeben."ertönte seine Stimme plötzlich hinter mir. Wie mechanisch drehte ich mich langsam um und sah ihn im Türrahmen stehen.
"Es tut mir Leid."flüsterte ich.
Er stieß sich vom Türrahmen ab,kamen in schnellen Schritten auf mich zu und öffnete meinen Mund.
Mit zwei Fingern ergriff er die kleine Tablette,die ich noch immer nicht geschluckt hatte und nahm sie heraus.
Und ich ließ ihn. Ich unternahm keine Versuche dagegen.
"Jennifer."flüsterte er und ich sah den Schmerz in seinen Augen.
"Sprich mit mir. Lass mich dir helfen. Du brauchst dafür keine Tabletten."
Mein Blick fuhr nervös hin und her und meine Zähne bissen sich auf meinen Lippen fest. "Ich kann es einfach nicht mehr ertragen. Bilder von meiner Familie...wie sie bluten oder schon leblos wirken. Schuldgefühle. Panik,vor dem was ihnen passiert sein könnte."
Ungewollt bildeten sich wieder Tränen in meinen Augen und ich biss fester auf meine Lippen.
"Weißt du,es kommt alles zusammen. Irgendwer droht uns seit Wochen. Du bist fast gestorben. Jetzt sind schon wieder Geliebte von mir in Gefahr."
Ich konnte schon gar nichts mehr dagegen tun. Die Tränen traten von allein über.
Schluchzend legte ich meine Arme um ihn,versuchte mich an ihm fest zuhalten.
"Ich kann dir die Last nicht ganz abnehmen. Ich kann dich nur unterstützen so gut ich kann.
Und Hoffen. Du sagtest ja,auf eine Weise gehören sie ja auch zu meiner Familie."
Ich nickte,presste mein nasses Gesicht gegen seine Brust und erlaubte mir zum ersten Mal in einer langen Zeit die Gefühle zuzulassen. Sie nicht nur zu unterdrücken.

Ich konnte nicht sagen,wie lange wir dort so saßen,wie lange er mich hielt,während all die Tränen ihren Lauf fanden und all die Emotionen für sich sprachen.
Irgendwann kam Jena ins Zimmer gelaufen.
"Es ist Gilbert."erklärte sie und gab mir mein Handy.
Sofort griff ich danach.
"Ja?"fragte ich,Szenarien guter und schlechter Art durchfluteten meine Gedanken.
"Hallo."antwortete er. "Wir haben sämtliche Krankenhäuser in Kentucky und Umgebung abtelefoniert und sind nun fündig geworden. Ihre Schwägerin und ihr Neffe sind in einem abgelegenen Krankenhaus gelandet,dank einer Frau,die die beiden gefunden hat."
Ich konnte nicht mal einschätzen ob ich erleichtert oder geschockt sein sollte.
"Und? Wie geht es ihnen?Was ist überhaupt passiert?"fragte ich. Meine Stimme brach am Ende jeden Satzes,da immer neue Vorstellungen und Bilder dazukamen.
Bear auf einer Intensivstation. Schläuche über Schläuche bedecken seinen leblosen Körper,die Maschine die seine Herztöne anzeigt-tot.
"Es sind bereits Beauftragte am Unfallort. Es soll sich um einen mutwillig verursachten Unfall gehandelt haben,es war also nicht die Panik ihrer Schwägerin die Ursache."
Sollte ich mich besser fühlen,weil ich demnach anscheinend auch keine Schuld trug? Oder sollte die Tatsache,dass jemand absichtlich eine schwangere Frau und ein Kleinkind in einen Unfall involviert Panik durch meinen Körper leiten?
Alles was ich fühlte war der Schock und das Gefühl,nicht alles schnell genug verarbeiten zu können.
"Ermittler kümmern sich nun um den Fall. Sie können sicher sein,dass sie den Täter finden. Das Gleiche gilt für all die Drohungen,die sie erfahren haben. Dafür würde ich Sie bitten,morgen mit zum Revier zu kommen um ihre Aussagen zu machen."
Ich willigte ohne weiter darüber nachzudenken ein. Der Platz meiner Sorgen war woanders.
"Aber...aber was ist mit Bear und Meredith? "fragte ich schließlich. Automatisch spürte ich den harten Händedruck von Josh,als Hilfe für alles was kommen würde.
Meine Gedanken waren Mischungen aus Hoffnung und Horrovorstellungen,Panik und Schock. Es war als würden Raum und Zeit für kurze Zeit stillstehen. Ich hörte mein eigenes Herz schlagen und meine eigene Atmung rasseln.
"Es kann sich nochmal alles gewandelt haben,sie sollten vielleicht auch nochmal selbst anrufen-aber-"
"Ja?"
"Bear gehts gut. Er ist mit einem Schock davon gekommen."
Erleichtert atmete ich auf. Es schien als würde es doch nicht so aussichtslos sein wie erwartet.
Doch irgendetwas an Gilberts Stimme ließ mich zögern.
"Was ist los?"wollte ich wissen und drückte kurz Josh's Finger um ihm zu zeigen,dass alles okay war.
"Meredith-Der Aufprall hat eine schwere Blutung in ihrer Gebärmutter ausgelöst. Die Ärzte meinten,dass bei einer Ausweitung dieser Blutung Mutter und Kind in Lebensgefahr sind."

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Mar 09, 2016 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Hinter den Kameras -Jennifer LawrenceWhere stories live. Discover now