Familie

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  Noch lange grübelte ich über diese Frage mit den Kindern nach.
Ich wurde mir Tag für Tag bewusster,wie sehr mich dieser Job einengte. Platz für Familie gab es hier nicht. "Alles gut?"fragte Josh mich und strich über meinen Rücken. Hastig nickte ich. Ich wollte Josh aus all dem heraushalten. Ich wollte nicht,dass wenn wir zusammen waren nur Schwarze Wolken am Himmel waren. Ich selbst versuchte,die Gedanken zu verdrängen. Ändern konnte ich es nicht.
Abends saßen wir dann alle zusammen am Tisch. Wie lange war es her,dass ich sie um Mich herum hatte?
Mom fing an,über meine Arbeit an 'American Hustle' zu reden.
Diese unangenehme Stille,die jedes Mal aufkam,wenn allen anderen mein Beruf einfiel ,füllte den Raum. Ich hasste das. Meine eigene Familie sollte mich nicht wie einen Übermenschen ansehen. "Wann ist denn die Hochzeit?"wandte ich mich an Blaine,um das Thema zu wechseln. Fragend sah er Carson an. Sie zuckte mit den Schultern und sah genauso fragend zurück.
"Blaine,warum entscheidest du dich nicht für ein Datum?"fragte Dad. Abwehrend hielt Blaine die Hände hoch."Ich habe nur den Antrag gemacht,um den Rest kümmert sich Carson."
Alle lachten. Das war mein Bruder.
"Ihr habt ja noch Zeit."meinte meine Grandma augenzwinkernd.
Jeder wusste,dass es am Ende wirklich Carson war,die alles organisieren würde.
"Und wann kommt das Baby?"fragte Mom Meredith.
"In 6 Monaten."verkündete diese stolz. Ben legte einen Arm um seine Frau. Meine Mom hatte rote Wangen. Wie musste es sich anfühlen,wenn man drei Kinder großgezogen hat und man dann mit ansehen konnte,wie eine neue Generation dazukam?
Wir alle stoßen an. Es war wirklich ein Grund zum Feiern.
Schnell arteten die Unterhaltungen aus und alle redeten durcheinander. Ich genoss dieses Gefühl,diese Lautstärke,weil es von den Menschen kam die ich liebte. "Wie lange bleibt ihr?"fragte Mom mich,als ich ihr half die Teller abzuräumen. Ich überlegte kurz.
Wir wollten noch einen Tag bei Josh's Familie bleiben,bevor wir ins Ski Resort fahren würden.
"Ich denke bis morgen Nachmittag." Mom nickte.
"Genieß die Zeit Schätzchen. Es wird Schon bald wieder sehr hart und anstrengend für euch werden." Das wusste ich. Bald würde das neue Jahr anfangen,mit neuen Herausforderungen und Veränderungen.
"Ich bin erstmal froh über das Hier und Jetzt. Dieses Jahr gab es einige Strapazen,die sehr viel Kraft und Energie gekostet haben."
Sie wusste von dem meisten nicht. Ich hatte mir angewöhnt,Sachen in mich hineinzufressen und negative Dinge nicht mit anderen zu teilen.
Sie hatten Alle ihre eigenen Probleme. Ich musste sie nicht noch unnötig belasten.

Viel zu schnell war der Abend vorbei. "Wir sehen uns dann..wann?"fragte Ben mich beim Abschied. Gequält lächelte ich. "Wird ein bisschen dauern.
Bei Blaine's Hochzeit vielleicht."
Alle schauten etwas betreten zu Boden. "Ich bin doch nicht aus der Welt."sagte ich und setzte ein Lächeln auf. Natürlich wusste ich,wie es war zu Vermissen.
Umso länger fielen die Umarmungen aus. "Pass gut auf meinen Neffen auf."sagte ich zu Meredith und deutete auf ihren Bauch. Ben gab mir einen Kuss auf die Wange. "Pass du auf dich auf Kleine."
Etwas unschlüssig standen wir alle im Flur. Nächstes Mal würde sich so viel verändert haben.
"Nun geht schon."sagte ich ,erzwang mir ein Lächeln und führte sie bis zur Tür. Ich hoffte nur,dass sie nicht unter den Paparazzi,die mich jagten,Leiden müssten.

"Komm her"sagte Josh leise und streckte die Arme nach mir aus.
Ich seufzte und ließ mich in eine Umarmung ziehen. Gerade hatte ich noch alle restlichen Gäste verabschiedet.
Vorsichtig hob ich den Kopf und ließ ihn auf Josh's Brust ruhen,lauschte dem gleichmäßigen Herzschlag. Es hatte immer den selben Effekt auf mich,es beruhigte mich.
Josh war mein Ruhepol,ließ mich vergessen und runterkommen.
Minutenlang war es einfach nur still. Er legte eine große Decke um uns und zog mich näher in seine Arme. Gerade wollte ich das Licht ausmachen,als es an der Zimmertür klopfte. Meine Mutter kam herein. Gerührt stand sie vor uns,als sie sah,wie wir eng umschlungen in meinem alten Bett lagen. "Jenny Lou,du bist so schnell erwachsen geworden. Ich weiß noch,wie du früher hier lagst und davon geträumt hast,irgendwann mal mit deinem Freund hier zu übernachten."
Ich lächelte. Daran konnte ich mich noch zu gut erinnern.
Mom kam auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Wange.
"Schlaf schön Schätzchen."
Dann lehnte sie sich herüber und gab auch Josh ein Küsschen.
"Danke,dass du meiner Tochter so viel Kraft gibst."
Josh konnte sein Strahlen kaum verbergen. Er fühlte sich aufgenommen.
Meine Mutter verließ den Raum.
"Du hast eine tolle Mutter."meinte Josh und gab mir einen Kuss aufs Haar. "Ich weiß."sagte ich und grinste.
Ich spürte,wie zwei Hände über meine Seiten fuhren. Ich lachte. "Josh Hör auf,das kitzelt!"
Ich konnte mein lautes Lachen nicht zurückhalten. "Bitte,meine Eltern schlafen bestimmt schon!"japste ich. Josh grinste und strich mir die zerzausten,kurzen Haarsträhnen aus dem Gesicht."Ich mag es,wenn du lachst."
"Ach Hör auf."sagte ich und legte meinen Kopf zurück auf Josh's Brust. Es wurde wieder Stiller in dem Raum. Ich konzentrierte mich nur auf seinen Herzschlag.
"So? Das hört sich aber nicht nach Schlafen an."sagte Josh irgendwann. Ich hörte die Stimmen meiner Eltern auch,wie sie noch einmal lachten,bevor sie schliefen. "Das haben sie früher schon immer gemacht."flüsterte ich andächtig. "Jedes Mal lachen sie,bevor sie einschlafen."
Ich bewunderte diese gesunde,kräftige Ehe meiner Eltern und war stolz ihr Kind zu sein. Wenn man um sie herum war,wollte man das was sie haben. "Hör sie dir an."sagte ich leise und war mir nicht mal sicher,ob Josh nicht schon schlief.
"Glaubst du,so werden wir irgendwann mal sein?"
"Ich weiß es nicht."antwortete er.
"Ich weiß nur,dass ich dich mehr als alles andere liebe. Als Freundin,Beste Freundin und Costar."
Ich gab ihm einen Kuss. "Ich dich auch."

Am nächsten Morgen wachten wir erst spät auf. Hand in Hand gingen wir runter und fanden meine Eltern an einem gedeckten Tisch vor. "Sie kommen."flüsterte meine Mutter und stupste meinen Vater an. "Guten Morgen!"sagte Josh und wir setzten uns.
Meine Mutter strahlte. "Ihr macht also immer noch."sagte ich,während ich eine Müsli Schale vorbereitete. "Was?"
"Na das Lachen vorm Schlafen. Ihr habt es immer schon gemacht."
Josh nickte. "Sie war immer noch fasziniert davon."
Meine Eltern lachten. "Wir haben euch zugehört. Ihr habt so lange gelacht und geredet. Das was ihr habt,ist so leicht und schön,wir haben uns über euch gefreut."
Ich wechselte einen Blick mit Josh und musste mir ein Grinsen verkneifen. Ich bezweifelte,dass irgendjemand etwas ,wie meine Eltern es tun,haben könnte.
Ohne Kommentar aß ich mein Frühstück und hörte dem Gespräch zu.

Am Nachmittag machten Josh und ich uns dann auf,um nach Union zu fahren. Meine Mom schaute voher noch nach Fotografen,konnte aber zur großen Erleichterung keine finden.
"Machs gut Jenny Lou."sagte meine Mutter und zog mich genauso wie mein Vater in eine Umarmung.
Bevor so etwas wie Tränen aufkam,verließen wir das Haus und rannten zum Auto.

Die ganze Fahrt über hörten wir Musik und redeten. Ich konnte sehen,wie sehr sich Josh auf seine Familie freute. Auch ich war gespannt. Würden sie mich mögen?
Als wir dann nach nicht allzu langer Zeit ankamen,kam mir schon Einiges seltsam vor.
Josh hatte von den vielen Lichterketten und der bunten Dekoration geschwärmt,doch alles was ich sah,war ein Haus,dass überhaupt nicht geschmückt war.
Josh nahm meine Hand und wir liefen zum Haus. Hier in Union waren keine Paparazzi,zumindest noch nicht.
Es dauerte lange,bis jemand die Tür öffnete. "Josh!"rief eine Frau,die anscheinend seine Mutter war. Sie sah gestresst aus,müde und blass."Mom ist irgendwas?"fragte Josh besorgt.
Sie fuhr sich durch ihre,blonden,kurzen Haare.
"Nein,was sollte sein?"
Der besorgte Blick Josh's verschwand nicht.
"Und du musst Jennifer sein,nicht wahr?"fragte seine Mutter und gab mir die Hand.
"Einfach nur Jen."sagte ich und drückte ihre Hand.
"Ich bin Michelle."sagte sie und lächelte mich schwach an.
Ich war froh,dass sie mich nicht direkt abwies. Derartiges hätte ich zwar nie erwartet,aber man konnte ja nie wissen.
Sie führte uns durch den Flur ins große Wohnzimmer.
Ich konnte sehen,wie Josh sich entspannte. Das Gefühl nach Hause zu kommen,war immer etwas Besonderes.
Auf der Couch saßen ein kleinerer Junge,der ein jüngeres Ebenbild von Josh sein könnte und ein braunhaariger Mann.
Der Junge drehte sich um. "Josh!"schrie er und rannte los,um in seine Arme zu laufen.
Die beiden lachten,als sie sich endlich in die Arme schlossen.
Ich stand unschlüssig im Raum.
"Hast du sie dir also geangelt?"sagte der Junge,der Connor sein musste.
Josh errötete leicht."Ja,das ist Jen.". Connor ließ seinen Blick an mir hinunterschweifen. Er ging auf mich zu.
"Nein,im Ernst. Josh hat immer nur von dir erzählt. Schön,dass du ihn endlich erlöst hast."
Connor grinste und sprang zurück auf die Couch.
Er war sympathisch. War noch sehr jung und bedeutete allem Anschein nach Josh sehr viel.
Dieser legte einen Arm um mich und führte mich dann zur Couch.
Vor dem Mann,der sein Vater sein musste,machte er Halt und stellte mich leicht hinter ihn,als wolle er mich beschützen. Ich wunderte mich.
"Dad."sagte Josh mit einer kälteren Stimme als gewohnt.
Der Mann blickte kurz auf. "Hallo."
Sein Blick ging zu mir,meinen ganzen Körper entlang. "Du hast sie also mitgebracht."stellte er fest. "Ja. Sie gehört zu meinem Leben."
Der Mann schaute etwas missbilligend."Aber übernachten tut sie hier nicht."
Was hatte er gegen mich?
"Doch."erwiderte Josh. "Sie wird mit mir bleiben. Und an deiner Stelle würde ich mich schon mal an sie gewöhnen. Jen wird jetzt immer an meiner Seite sein."
Der Mann lachte spöttisch.
"Das haben schon viele gesagt."
Er schaute zu Michelle in die Küche."Und dann kommt es anders als man sich es vorstellt."
Anscheinend lief es nicht gut in dieser Familie. Was es auch war, Streit,Sorgen,die Stimmung war angespannt.
Ein kurzes Schweigen kam auf. Ich fühlte mich mehr als unwohl und fehl am Platz,griff nach Josh's Hand. Er drückte meine Hand zur Beruhigung.
"Kommt,lasst uns Essen."meinte Michelle und wir setzten uns an den großen Tisch. Unauffällig sah ich mich um. Keine Dekoration oder ein Tannenbaum,es war als würde Weihnachten spurlos an dieser Familie vorbeigehen.
Das entsprach in kleinster Weise Josh's Erzählungen. Auf der Hinfahrt hatte er von einem bunt geschmückten Weihnachtsbaum, Musik, Harmonie und Wärme erzählt. War ich der Grund für die miserable Spannung in diesem Raum?
"Wie läufts mit dem Beruf?"fragte Michelle Josh. "Ganz gut."murmelte er. "Und bei dir?"fragte sie mich. "Auch."
Sie lächelte leicht. "Ich habe deine Oscar Verleihung gesehen. Und deinen Film. Es war toll."
"Dankeschön."erwiderte ich und lächelte. Sie gab sich wirklich Mühe mit mir.
"Josh?"fragte Connor mit einem Grinsen im Gesicht. "Haben du und Jennifer schon mal...du weißt schon...?"
Michelle schaute empört zu ihrem Sohn. "Connor! So was fragt man nicht!"
Chris,so war sein Name,nahm einen Schluck aus seinem alkoholischen Getränk.
"Wieso? Mich würds auch interessieren. Da das vermutlich das Einzige ist,was sie von ihm will."
"Halt dich aus solchen Dingen raus Chris! Ich bin froh,dass Josh endlich glücklich wird! Und Hör auf das arme Mädchen fertig zu machen! Lass deinen Frust nicht an anderen raus!"schrie Michelle.
Connor zuckte zusammen und auch Josh war überwältigt von der folgenden,eisigen Stimmung.
Das hier war keine glückliche Familie. Hier steckte viel mehr hinter.

Den Rest des Abendessens fiel kein einziges Wort mehr. Schon früh führte Josh mich hoch in sein Zimmer und machte sich bettfertig. Eng kuschelte ich mich an seine Brust. "Jennifer."sagte Josh leise und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Lass dich nicht von meinem Vater fertig machen. Ich liebe dich."
Ich fuhr die Konturen seines Gesichts nach. "Ich dich auch."
Trotzdem fragte ich mich,was hier vor sich ging. Früher musste es hier anders zugegangen sein.
Und als ich dann die Schreie von Josh's Eltern hörte,wurde ich an mein eigenes Zuhause erinnert.
Wie meine Eltern lachten,vorm Zubettgehen. Seine Eltern stritten.
Ich drehte mich um und sah einzelne Tränen in Josh's Augen aufblitzen. Ich wischte sie weg und nahm ihn in den Arm.
Ich hörte seinen Leiden Schluchzer,als er in sich zusammen sackte.
"Sie streiten schon seit Monaten."fing Josh an zu Reden.
"Aber ich dachte,an Weihnachten würde alles wieder gut werden. Das naiv,aber unsere Weihnachtsfeste waren immer so harmonisch und liebevoll...ich dachte es würde alles wieder gut werden." Mehr Tränen liefen über Josh Wange. Beruhigend Strich ich über Josh's Rücken.
"Weißt du,ich habe dich. Jemanden zum Festhalten.
Wir werden eine Familie haben,wenn meine Eltern sich trennen,werde ich immer dich haben und irgendwann unsere eigene Familie. Aber Connor...wen hat er dann? "
Josh sorgte sich also um seinen kleinen Bruder. Stellte die Bedürfnisse anderer immer vor seine.
"Denk noch nicht an sowas wie eine Trennung. Es würde dich zerstören."
Josh schaute mir direkt in die Augen,zeigte mir seine schwache Seite.
"Aber was wenn?"
"Dann finden wir eine Lösung.
Ich gehe da mit dir zusammen durch."  


Hinter den Kameras -Jennifer LawrenceWhere stories live. Discover now