Mockingjay Set

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  Ein Schrei entwich mir. Panisch rüttelte ich an der Tür,bis sie aufging und stürzte ins Haus. So schnell es ging,steckte ich den Schlüssel ins Loch um abzuschließen,doch es dauerte viel zu lange,da meine Finger wie Wild zuckten. Ich spürte meinen eigenen rasenden Herzschlag und wie meine Knie langsam nachgaben.
Zitternd ließ ich mich an der Tür herunter und vergrub den Kopf in meinen Händen. Versuchte mich zu beruhigen.
Was war das gewesen? Wenn die Person mich hätte verletzen wollen,hätte sie die Chance dazu gehabt. Aber sie hat mich einfach entkommen lassen,ist vermutlich direkt wieder verschwunden.
Aber vielleicht war das viel schlimmer. Ich war jetzt allein mit meinen drehenden Gedanken.
Die Person muss gewusst haben,dass ich aus dem Appartement gegangen war,muss mich also beobachtet haben. Eine Gänsehaut zog sich über meinen ganzen Körper und ließ mich frieren.
Es war auf mich abgesehen.
Wenn es kein Erfolg würde. Ich zweifelte keine Sekunde daran,dass diese Person oder diese Leute ihr Wort halten würden. Wer mitten in der Nacht einer Frau auflauerte,machte keine Späße.
Ich versuchte meine aufkommende Angst zu unterdrücken,konzentrierte mich auf meine Atmung. Ich merkte,wie meine Finger nach meinem Handy tasteten.
Gilbert. Er musste sofort kommen.
"Hallo?"murmelte er verschlafen ins Handy.
"Ich bin's. Jennifer Lawrence."sagte ich mit stockender Stimme.
Sofort wurde er hellwach. "Miss Lawrence? Was ist los?"
Ich holte tief Luft und erzählte in Brocken,was passiert war und was mir gedroht wurde. Immer wieder überkamen mich Schluchzer.
"Ich werde sofort kommen. Machen sie sich keine Sorgen,keiner wird ihnen etwas tun."
Ich nickte,auch um mich selbst zu überzeugen.
"Danke."sagte ich noch und legte auf.
Er würde gleich kommen und von nun an im Appartement schlafen.
Aber wie konnte er mir helfen,wenn sie mir nicht körperlich,sondern seelisch weh tun wollten? Ich wusste mit jeder Faser meines Körpers,dass sie nur Josh etwas antun müssten,um mich zu brechen.
In dieser Nacht beschloss ich,alles zu geben. Alles,was möglich war,damit sie zufrieden waren.

Der Wecker klingelte pünktlich am nächsten Morgen. Aber das hätte er gar nicht tun müssen. Ich war in der Nacht nicht einmal eingeschlafen,habe mir nur vorgestellt,was sie alles Vorhaben könnten. Josh hatte mich noch angerufen. Ich hatte ihn gefragt,ob es ihm gut ging,doch er hatte nur gelacht und sich gewundert,warum ich frage.
Von dem Vorfall und der Drohung hatte ich ihm nichts erzählt. Es würde ihn verrückt machen,was weder mir noch ihm helfen würde.
Stattdessen musste er mir Versprechen,mich jeden Tag anzurufen. Ich musste einfach sicher gehen,dass alles gut war.

"Einen schönen guten Morgen!"rief Francis aus,als wir fertig gemacht warteten. Ich hatte nur verschwommen mitbekommen,wie sie mir meine Perücke aufgesetzt hatten und mir Schminke ins Gesicht geklatscht hatten.
Heute würde ich die Szene in Distrikt 12 drehen,für die ich eben notgedrungen den Text gelernt hatte. Ich musste alles geben.
"Jennifer bitte auf Position!"brüllte Mark über den Platz. Ich stellte mich gerade hin und wartete auf die Klappe.
Eigentlich war ich in Gedanken woanders,nicht an diesem Ort.
Aber ich gab mein Bestes.
Die Mittagspause über unterhielt ich mich mit einigen der neuen Darsteller und erfuhr etwas über ihr voheriges Leben.
Am Ende konnte ich aber nicht genau sagen,was sie mir erzählt hatten.
Immer wenn Produzenten guckten,lächelte ich und scherzte mit den anderen,aber sobald ihr Blick abwich,fielen meine Mundwinkel.

So ging es mindestens eine Woche.
Mark informierte mich,dass ich mehr Zeit mit Liam verbringen sollte,was ich kommentarlos machte. Liam war echt in Ordnung. Er versuchte mir immer ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern,was manchmal sogar gelang. Er erzählte mir von seiner Familie,seinen Brüdern und seiner Freundin. Dinge,die ich sonst nie erfahren hätte.
Aber diese Schutzhaltung,die ich nie ablegen konnte,war immer vorhanden.
Gilbert war rund um die Uhr dabei,ließ mich nie aus den Augen.
Julianne nahm mich immer in die Arme,wenn es mir schlecht ging,wenn es keiner sah.
Ich konnte verstehen,warum sie wir eine zweite Mutter für Josh war.
Aber auch die anderen Crewmitglieder gaben sich große Mühe mit mir.

Jeder Tag lief gleich,jeden Tag verbrachte ich mit der gleichen Angst.
Nach drei Wochen flog ich zurück nach Los Angeles. Die Award Season begann und für 'American Hustle' musste ich auf jedem rotem Teppich erscheinen.
Ich hätte nie gedacht,dass dieser Film jemals Nominierungen für irgendetwas bekommen würde,aber anscheinend hatte ich mich da geirrt.
Golden Globes,Oscars,überall waren wir vertreten.
Jeden Tag gab es Verleihungen oder Veranstaltungen.
Ich gab mir Mühe in den engen Kleidern gut auszusehen und soviel es ging zu lachen.
Fast immer erzählte ich das Gleiche,weil mir einfach nichts besseres einfiel. Für die Oscars bekam ich Sonderinstruktionen.
Es gab Themengebiete,die ich auf jeden Fall auslassen sollte und dieses Jahr sollte ich extra fallen. 'Letztes Jahr war es ja so lustig gewesen'.
Der einzige Lichtblick dieser Heuchelei,war dass ich Laura und meine Eltern sehen durfte.
Natürlich hatte ich ihnen nichts gesagt. Aber es Tat einfach gut,sie alle in meinen Armen zu halten.
Nicholas war auch dabei,die zahlreiche Küsse durch die wir gehen mussten,merkte ich schon fast nicht mehr. Für die Presse war gerade Hochstimmung. Meine geplanten Witze ließen sie grölen vor Lachen.
Endlich mal eine herrlich unernste Person.

Ende März musste ich dann wieder nach Atlanta fliegen,um weiter zu drehen. Gerade noch gestern hatte ich versucht,meinen Frust in Alkohol zu ertränken,heute musste ich schon wieder Alles geben.
"Willkommen zurück."rief ein Assistent,als die eisernen Tore hinter mir zugingen und mich von der restlichen Welt abtrennten.
Gilbert bat sich an,meine Sachen mitzunehmen,sodass ich schon zum Set konnte.
"Hallo Jennifer."sagte Mark und nickte mir kühl zu.
Mit Überraschung konnte ich feststellen,dass Woody und Sam mittlerweile da waren.
Erleichterung floss durch meinen Körper. Wenigstens ein paar alte Gesichter.
"Woody!"rief ich und lief zu ihm,um ihn zu umarmen. "Hey Sweetheart,hast die roten Teppiche wohl vorgezogenen,was?"
Ich lachte ein wenig.
"Wo bleibt der andere Part von dir?"
"Wer?"
"Na Josh."
"Der kommt erst in ungefähr einem Monat."
"Ach deswegen bist du so komisch drauf. Ich dacht' schon,es wäre was passiert."
Ich stimmte in sein Gelächter ein,war aber insgeheim froh,dass ich ihm nichts erklären musste.
"Jen! Du bist auch mal wieder im Lande?"fragte Sam und umarmte mich.
"Ich war gerade mal ein paar Wochen weg und schon kommen Sprüche."meinte ich und grinste.
"Alle mal hören!"schrie Mark.
"Wir drehen jetzt eine Szene im Tunnel!Sam, Natalie,Jennifer und Liam finden sich bitte davor ein!"
"Viel Spaß euch beiden. Ich gönne mir jetzt erstmal was vom Buffet."grinste Woody und klopfte Sam noch einmal auf die Schulter,bevor wir uns auf den Weg machten.
"Zum Glück haben wir nicht viel Text. Man musste kaum was für die Szene lernen."sagte Sam und lachte.
"Zum Ablauf einmal."sprach Mark "Ihr kriecht durch den Tunnel. Vorne ist Liam,dann kommt Natalie,dann Sam und dann Jen. Ihr haltet euch genau an die Vorschriften,die auf dem Skriptblatt standen. Okay?"
Alle nickten.
"Gut" Mark klatschte die Hände aufeinander "Dann geht's jetzt los."
Nacheinander krabbelte jeder von uns in den engen Tunnel.
Ich hörte die anderen schon innen lachen,als ich einen Blick hineinwarf.
Allein der Anblick ließ mich frösteln.
Man hatte kaum Freihraum oder Luft zum Atmen. Zudem war es stockdunkel,sodass man nicht mal wusste,wohin man krabbelte.
Ich konnte das nicht machen. Als Kind konnte ich noch nie in Tunnel krabbeln,jedes mal hat mich die Angst eingenommen.
"Mark ich kann das nicht."rief ich über meine Schulter.
Er kam näher." Wie du kannst das nicht? Das ist ein einfacher Tunnel. Du krabbelst durch und wirst zwischendurch gefilmt. Wo ist das Problem?"
"Ich kann das einfach nicht. Meine Angst ist zu stark. Du weißt,dass ich regelmäßig Anfälle bekomme!"
"Man muss in diesem Business auch Sachen machen,die einem nicht gefallen und die Zähne zusammenbeißen."
Ich funkelte ihn an. "Du weißt genau,dass es bei mir nicht darum geht,was ich gerne oder nicht gerne mache."
Mark sah auf seine Uhr. "Wir haben wegen dir schon wertvolle Zeit verloren! Geh da jetzt rein!"befahl er.
"Und wenn nicht?"
"Wird es Konsequenzen geben!"
Etwas an der Art,mit der er es sagte,ließ mich widerstandslos ins Dunkle krabbeln.
Er war nicht bereit für Kompromisse.
Langsam krabbelte ich immer weiter durch den Tunnel. Schon lange sah ich nichts mehr,schon lange war ich wie in dieser Dunkelheit gefangen.
Mit jedem Meter,in dem ich mehr in diesen Tunnel krabbelte,wurde meine Atmung schneller.
Alles was ich hörte,war das Surren der Kamera,die mich filmte.
Hoffentlich war dieser Alptraum bald vorbei.
Ich kämpfte mich weiter vor,merkte wie mein Herzschlag sich weiter beschleunigte. Wie sich meine Brust weiter verengte.
Dann sah ich endlich ein Licht.
Neue Motivation und Energie kam über mich und ich tastete mich schneller vor.
Fast hatte ich dieses Licht erreicht,als ein ohrenbetäubender Alarm losging.
Hektisch schrak ich herum. Was war das? Komplette Hitze kam über mich.
Was war das? Warum wurde ich nicht rausgeholt? "Holt mich hier raus!"schrie ich.
Ich bekam keine Antwort. Der Alarm hörte nicht auf.
"Hilfe!"schrie ich.
Dieses Geräusch fing an,absolute Panik in mir auszulösen. Meine Atmung beschleunigte sich und meine Knie fingen an zu zittern.
"Holt mich raus!"schrie ich noch einmal. Aber keiner hörte mich. Vielleicht wollten sie mich aber auch gar nicht hören.
Immer wieder schrie ich,bis mein Schrei nur noch erstickt herauskam.
Ich konnte nicht sagen,was es war,es zog sich durch meine Lunge und erschwerte mir die Atmung.
Es war wie...Gas...
Hektisch versuchte ich Luft in meine Lungen zu Kriegen,aber meine Brust verengte sich mit jedem Atemzug.
Ich konnte mich nicht mehr auf meinen Knien halten,sie gaben nach.
Verzweifelt kämpfte ich gegen mich selbst. Immer wieder riss ich den Mund auf,um Sauerstoff zu bekommen,aber es half nichts.
Würde ich sterben?
Ich sah schon ein Flimmern vor meinen Augen.
Lohnte es sich zu kämpfen?
Das Gas war stärker.
Immer mehr gab mein Körper nach,der Kampf gegen dieses Gas war hoffnungslos.
Vereinzelt hörte ich meinen Herzschlag,der immer langsamer wurde.
Dann zog mich die Schwärze in seine Tiefen.


Hinter den Kameras -Jennifer LawrenceDonde viven las historias. Descúbrelo ahora