Reise

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  Ich hörte Schreie und war mir nicht mal sicher,ob ich noch träumte oder ob ich schon wach war. Nach genauerem Hinhören,konnte ich die Stimmen aber zuordnen. Sie gehörten Josh's Eltern. Mein erster Gedanke galt direkt Josh.
"Guten Morgen"sagte ich und drehte meinen Kopf zu ihm,wischte mir die Haare aus dem Gesicht.
Josh hatte seinen Kopf in seine Hände gelegt. Ich berührte ihn am Arm. Er blickte auf,ein paar Tränen glitzerten in seinen Augen.
"Hör es dir doch an Jen. Sie streiten nur. Ich glaube nicht,dass sie noch die Kurve Kriegen."
Ich streichelte weiter über seinen Arm. "Früher war alles anders."murmelte Josh.
Ich zog ihn in meine Arme,nicht wissend was ich sagen sollte.
Wir verharrten schweigend,während unten die Fetzen flogen.
Schlagartig wurde die Tür aufgerissen. "Josh"rief Connor weinend und rannte auf Josh's Arme zu. Ich löste mich von diesem und sah zu wie die Brüder sich umarmten. "Sie streiten in letzter Zeit ständig."schluchzte der sonst so taffe Connor in Joshs Hemd.
Doch anstatt zu bemerken,wie ihr eigener Sohn am Weinen war,schrieen sie weiter.
So ging es im normalen Alltag vermutlich auch zu.
Sorgen musste Connor jetzt selbst bewältigen.
Aus den einzelnen Wortfetzen,die ich mitbekam,konnte ich schließen,dass es mehr Joshs Vater war,der die Anschuldigungen machte.
Was auch nicht schwer vorzustellen war,wenn ich an gestern zurückdachte. "Beruhige dich Connor."flüsterte er sanft. "Alles wird gut.".

Die Stimmung am Frühstückstisch war kalt und unangenehm. Josh's Mutter kümmerte sich wie gestern Nett und höflich um uns,vermied aber den Blick auf ihren Mann zu legen.
Dieser sah spöttisch zu mir und Trank in schnellen Schlucken seinen schwarzen Kaffee. "Wann reist ihr ab?"
Josh warf ihm einen warnenden Blick zu. "In ein paar Stunden."antwortete ich und Josh drückte meine Hand unter dem Tisch.
Connor sah zu Josh. "Aber ihr kommt doch bald wieder?"
Josh Tat so,als hätte er ihn gar nicht gehört,weil er genau wusste,dass Besuche etwas Seltenes waren.
"Kommt ihr doch?"fragte Connor mit steigendem Tonfall nach.
"Es ist ziemlich schwierig Zeit freizuschaufeln . Aber wir werden so schnell wie es geht,wiederkommen,versprochen!"sagte Josh. Connor starrte auf seinen Teller. Man sah ihm an,dass er nicht wieder allein hier bleiben wollte.

Als wir alles zusammengepackt hatten,gingen wir noch kurz zurück und Wohnzimmer,um uns zu verabschieden. "Tschüss."sagte ich zu Chris und wollte ihm die Hand reichen,doch er ignorierte mich völlig.
Auch auf Josh zeigte er keine Reaktion. Ich sah wie er ihn damit verletzte,Chris sollte für seine Probleme nicht andere Leute Verschulden.
Josh's Mum umarmte mich herzlich,auch wenn man merkte,wie bedrückt sie war. "Meld dich Josh,ja?"rief sie ihm hinterher,als wir das Haus verließen. Während Josh versuchte,sich von Connor zu verabschieden,hielt ich panisch Ausschau nach Paparazzos. Ich konnte keine entdecken,aber man konnte nie wissen,ob sie sich nicht doch hier in Kentucky deponiert hatten. Widerwillig löste Connor sich von Josh und lief zurück zum Haus,während Josh mit mir zum Auto eilte. Wir winkten noch ein letztes Mal und fuhren dann mit hoher Geschwindigkeit zum Privatflugzeug,es wäre zu riskant,ein normales Flugzeug zu benutzen.
"Ich fühle mich nicht gut dabei,ihn zu Hause zu lassen."meinte Josh.
Ich berührte ihn am Arm. "Ich weiß. Aber was sollen wir denn machen?"
Josh zuckte nur die Schultern."Ich weiß es nicht."

Im kleinen Flugzeug kuschelte ich mich sofort in Josh's Arme."Denk nicht soviel nach. Genieß unseren kleinen Urlaub."sagte ich .
Josh nickte. Dicht aneinander gepresst,sahen wir aus dem Fenster bis wir ankamen.

"Gott ist das kalt hier."murrte ich,als wir ausstiegen und zog meine Jacke fester zu. "Jen wir sind ja auch Los Angeles Temperaturen gewöhnt."lachte Josh und zog mich schnell in ein Taxi,bevor uns jemand entdecken konnte.
"Warst du schonmal Ski fahren?"
"Nein,noch nie."sagte ich grinsend
"Die anderen haben mich vermutlich immer für zu tollpatschig gehalten."
Josh versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. "Ich werde es dir schon beibringen."
"Du wirst merken,was für ein hoffnungsloser Fall ich bin." sagte ich und gab ihm einen Kuss.
Das Gefühl,seine Lippen auf meinen zu spüren,dieses Prickeln,hatte sich nicht geändert.
Genauso wenig wie das Kribbeln im Bauch,die Freude,die meinen ganzen Körper einnahm und das Gefühl von Wärme und Geborgenheit.

Ich zog mir meine Kapuze tief ins Gesicht und zog meinen Schal etwas höher ins Gesicht,genauso wie es Josh Tat. Hier am Hotel waren Menschenmassen und wir könnten leicht erkannt werden. Wenigstens waren hier keine Paparazzos anwesend. "Los schnell" flüsterte Josh und schob mich in die Eingangshalle,sprach mit der Empfangsdame und ließ sich die Schlüssel geben.
Ich war gespannt,was uns hier erwarten würde. Natürlich würden wir uns die ganze Zeit zurücknehmen müssen,aber wir würden trotzdem viel Spaß gemeinsam haben.
Er brachte mich immer zum Lachen und zum Strahlen.
"Ich habe die Schlüssel."sagte Josh hinter mir und ließ sie klirren.
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock und suchten nach der Zimmernummer 311. Die Zimmer waren nicht systematisch angeordnet und erschwerten die Suche in diesem riesigen Flur.
Josh und ich machen prompt ein Spiel aus der Sache und suchten um die Wette. Ich war froh,dass niemand von den anderen Gästen gerade hier war,denn sie würden uns als verrückt einstufen,wie wir über den Flur rannten.
Aber das war der Kern unserer Freundschaft,die stärker als je zuvor war. Humor und Selbstironie. Wir beide waren uns für nichts zu Schade und nur deswegen funktionierte das mit uns.
Aus den Augenwinkeln sah ich das braune,verschnörkelte Schild mit der Nummer 311 an mir vorbei ziehen.
"Ich hab's!"rief ich triumphierend.
Josh kam zu mir und setzte eine Saure Miene auf,die er aber nicht lange halten konnte.
"Machs auf!"meinte ich aufgeregt.
Er setzte den Schlüssel und Schloss und öffnete die Tür.
Sofort kam mir eine Wärme entgegen,die ich sonst nur von Zuhause kannte. Ein Kamin brannte im hinteren Teil großen Zimmers,zwei braune Ledersessel standen davor. Es gab hohe Decken und Bilder an den Wänden. Die Möbel waren rustikal aber gemütlich.
Es erinnerte mich stark an Kentucky. Ich schlang meine Arme um Josh's Nacken und küsste ihn zärtlich. "Das ist perfekt,weißt du das?" Ich war gerührt davon,wie gut er mich kannte,dass wir hier in keinem noblen und teuren Hotel waren,sondern in einem warmen und gemütlichen Zimmer mit Kamin.
Er wusste,dass ich genug von diesen Luxusriesen hatte,dass ich sie schon immer gehasst hatte.
"Freut mich,dass es dir gefällt."sagte er und lächelte.

Wir packten unsere Koffer aus und beschlossen direkt in den Schnee zu gehen. "Du siehst echt süß aus,in deinen Ski Klamotten!"neckte Josh mich,als wir das Zimmer verließen.
Ich gab ihm einen gespielt Bösen Blick. Ich hatte mir vor unserem Trip noch extra Ski Kleidung gekauft.
Eine überdimensionale Skibrille schmückte nun mein Gesicht und ich musste selbst über den Anblick lachen. Josh nahm im Fahrstuhl meine Hand und ließ sie nicht los,bis die Türen aufgingen. Eine einfache Geste zwischen uns,die dennoch Bedeutung hatte.
Ohne bemerkt zu werden ,verließen wir die Eingangshalle,versuchend nicht nervös zu wirken,und betraten die anliegende Piste. Während Josh Skier für uns lieh, bückte ich mich und ließ meine Hand durch den eiskalten Schnee fahren. Wie lang war es her,dass ich Schnee richtig genießen konnte? Oder generell den Winter?
Ich würde es auskosten.

"Versuch einfach das Gleichgewicht zu halten!"rief Josh neben mir,während wir Stunden später die Piste hinabsausten.
Josh hatte mir beigebracht,zumindest ein paar Meter wackellos zu fahren,aber schnell darauf verlor ich immer wieder das Gleichgewicht.
Zum wiederholten Male flog ich mit dem Gesicht nach vorne in den Schnee."Alles gut?"fragte Josh mich jedes Mal panisch. Und ich konnte nur lachen,weil ich genauso tollpatschig war,wie ich es vorausgesagt hatte.
Dieses Mal blieben wir einfach im Schnee liegen. Ich ließ Schnee über meine Hände,die in Handschuhen gewärmt wurden,rieseln.
Es hatte trotz meines Unbeholfen seins Spaß gemacht. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen,als ich eine eiskalte Hand voll Schnee in meinen Gesicht spürte. Ich keuchte.
"Na warte! Das kriegst du zurück."rief ich und stürzte mich auf ihn. Wir seiften uns gegenseitig mit Schnee ein,bis wir uns nur noch erschöpft zurücklehnen konnten.
Immer mit Sicherheitsabstand zwischen uns,sodass wir es im Falle einer Person die uns erkannte,immer noch als Freundschaftstrip oder Arbeitstrip abtun könnten.
"Ich würde dich jetzt gerne küssen."flüsterte Josh an mein Ohr.
Ich seufzte. "Ich dich auch. "
Wir beide blieben noch eine Weile liegen und schauten in den eisblauen Himmel,bis wir ins Hotel zurückkehrten und zusammen eine heiße Dusche nahmen. Josh seifte meinen Körper ein,während ich sein nach Vanille riechendes Shampoo in seine Haare einmassierte.
Josh schloss die Augen. "Wann können wir schon so einen Tag genießen?"fragte er und lächelte wohlig.
Ich schlang meine Arme um seinen Körper und dicht aneinander gedrückt prasselte das heiße Wasser auf uns ein.

"Wir möchten bitte zwei Mal einen heißen Kakao und das übliche Abendessen aufs Zimmer."sagte Josh durch die Sprechanlage.
Er hörte zu,was die Frau sagte.
"Nein,es ist nicht möglich das Essen im Speisesaal einzunehmen."
Wir konnten uns unmöglich unter die Leute mischen. Wir wollten mit dem Glück nicht spielen,nur weil wir seit Monaten mit dieser geheimen Beziehung klarkamen.
Ich setzte mich vor den Kamin und hörte zu,wie Josh das Gespräch beendete. "Das Essen kommt gleich."sagte er und ließ sich neben mir nieder. Ich sah dem flammenden Tanz des Feuers zu . Schon früher hatte ich dieses unberechenbare,gefährliche faszinierend gefunden.
Die Zeit verging in angenehmem Schweigen,bis es an der Tür klopfte und ein Kellner Kerzen, das Essen und den Kakao auf den Tusch stellte.
"Danke sehr."sagte Josh und drückte ihm etwas Trinkgeld in die Hand,welches dieser freudestrahlend annahm und dann ging.
Wir setzen uns und fingen an,die verschieden Hausmanns Gerichte zu probieren. "In einem von diesem Luxusbuden hätten wir jetzt garantiert ein Buffet aufs Zimmer gebracht bekommen."sagte ich und schmunzelte.
"Würdest du das jetzt gerne haben?"fragte Josh zweifelnd.
"Nein,natürlich nicht. Du weißt ja,wie sehr ich sowas hasse."
Wir lachten bei der Erinnerung daran,wie ich mich über das Hotel in Boston,in dem ich beim Dreh von 'American Hustle' gewohnt hatte,aufgeregt hatte.

Ich nippte an meinem Kakao und ließ den süßen Geschmack auf meiner Zunge zergehen.
"Glaubst du,nächstes Jahr wird sich etwas ändern?"
"Wie kommst du darauf?"fragte Josh zurück und ich zuckte nur mit den Schultern.
"Einfach nur so. Glaubst du?"
Er schien zu überlegen. "Ja ich glaube schon. Allein schon,weil wir beim Mockingjay Dreh fast gar nicht zusammen sind."
Das stimmte. Die Jahre zuvor waren wir Monate zusammen gewesen,hatten Filmabende gemacht und zwischen den Drehpausen herumgealbert. In ein paar Wochen würde es alles starten und er würde nicht da sein. Daran würde ich mich erstmal gewöhnen müssen.
"Es wird schrecklich ohne dich."sagte ich und stand auf,zog ihn mit der Hand mit mir aufs Bett.
"Du wirst es überleben."murmelte Josh und schmunzelte.
"Aber es wird anders. Und ich werde nicht halb so viel Spaß haben."
Josh lachte nur. "Glaub mir Jen. Du kommst auch ohne mich klar."
"Nein,komme ich nicht. Ich brauche dich."sagte ich dieses Mal komplett ernst. Josh hatte anscheinend das Gefühl,dass ich ihn nicht brauchte,dass ich alleine genauso stark war. Aber er wusste nicht,dass er neben den Tabletten das Einzig Beruhigende bei einem Angstanfall war.
"Weißt du ich habe damals Tabletten genommen,als du in Spanien warst und wir kaum noch Kontakt hatten."brachte ich heraus.
Eigentlich wollte ich ihm diese Information ersparen,aber er sollte wissen wie wichtig er war.
Geschockt sah er mich an.
"Du hast was?"
Ich nickte und schaute ihm direkt in die Augen. "Ich bekomme regelmäßig Angstanfälle wie du weißt und neben dir gabs nichts Beruhigendes."
Er schluckte schwer und nahm mich in den Arm,drückte mich so fest wie es ging gegen seine Brust.
"Versprich mir,dass du sie nie wieder nimmst."flüsterte Josh.
"Versprich du mir,dass du immer bei mir bleibst,sodass ich nie wieder zu ihnen greifen muss."
Josh nickte.
"Immer."



Hinter den Kameras -Jennifer LawrenceWhere stories live. Discover now